Sven Giegold

Lobbytransparenz und Interessenkonflikte im Bundestag: CDU/CSU und SPD müssen ihre peinliche Tatenlosigkeit trotz neuer Skandale beenden

Gestern hat die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) des Europarates ihren Jahresbericht veröffentlicht. Die Empfehlungen zu Lobbytransparenz und Ethik-Regeln für Bundestagsabgeordnete wurden zur Hälfte unvollständig und zur anderen Hälfte gar nicht umgesetzt. Nur 5 der 26 betrachteten Länder schließen so schlecht oder schlechter als Deutschand ab, 19 besser.

Dazu sagt der Berichterstatter des Europaparlaments für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Organen, Sven Giegold:

„Die Blockademehrheit im Bundestag muss endlich auf die mehreren Warnungen wegen schwacher Lobby- und Ethik-Regeln aus dem Europarat reagieren. Dass Deutschland zu den Schlusslichtern bei der Einhaltung von Empfehlungen für Ethik-Regeln in Parlamenten zählt ist grundpeinlich. Während in Europa Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unter Druck geraten muss auch im Bundestag endlich vor der eigenen Tür gekehrt werden. Innerhalb weniger Tage schlagen die Experten des Europarates in ihrem Jahresbericht jetzt das zweite Mal Alarm, dass im Bundestag Empfehlungen für Lobbytransparenz und die bessere Überwachung von Ethik-Regeln immer noch auf Umsetzung warten.

Bloßgestellt durch die erhärteten Vorwürfe der Bestechlichkeit eigener Mitglieder und Ex-Mitglieder sollte die CDU/CSU Bundestagsfraktion endlich vom Saulus zum Paulus werden und sich die Umsetzung der Europarats-Empfehlungen zu Herzen nehmen. Die CDU/CSU MdBs sollten auf ihren europäischen Parteichef Joseph Daul (EVP) hören, der nach dem Skandal um CDU-MdB Karin Strenz und CSU-ex-MdB Eduard Lindner endlich Konsequenzen gefordert hatte. Vor einigen Tagen hatten unabhängige ex-Richter akribisch gesammelte Hinweise auf die Bestechlichkeit von Strenz und Lindner durch die Öl-reiche Diktatorenfamilie aus Azerbaidschan veröffentlicht.

Die Europarats-Experten fordern Transparenz für die Mitwirkung von Lobbyisten bei der Vorbereitung von Gesetzesentwürfen und während des Gesetzgebungsverfahrens durch Maßnahmen wie einen Legislativen Fußabdruck oder ein verbindliches Lobbyregister. Im Bundestag bekämpfen aber CDU/CSU weiter die Gesetzesentwürfe für Lobbyregister von Grünen und Linken. Die SPD gab die Forderung in der letzten Nacht der Koalitionsverhandlungen verloren. Ebenfalls fordern die Europarats-Experten eine aktive Überwachung der Regeln schon im Bundestag, statt blindes Vertrauen auf die heilende Wirkung öffentlicher Skandale. CDU/CSU und auch die SPD zerstören das Vertrauen der Bürger, wenn sie weiter bewusst warten, bis neue Skandale zum Handeln zwingen. Dafür braucht es mehr als die angedachte Aufstockung der zuständigen Bundestagsmitarbeiter von 2 auf 3 und es braucht mehr Rechte zu aktiver Kontrolle.“

———

HINTERGRUND

Bericht unabhängiger Experten über Korruption in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) vom 15 April 2018: http://assembly.coe.int/nw/xml/News/News-View-EN.asp?newsid=7027&cat=401

Erklärung von Joseph Daul, Europa-Parteichef der Christdemokraten vom 24 April 2018: http://www.epp.eu/press-releases/pace-politicians-named-for-unethical-behaviour-must-be-immediately-suspended/

GRECO-Jahresbericht 2017, beschlossen 19-23.03.2018, veröffentlicht 3.05.2018: https://rm.coe.int/eighteenth-general-activity-report-2017-of-the-group-of-states-against/16807c0e91

GRECO Umsetzungsbericht Deutschland, beschlossen 24.03.2017, veröffentlicht 6.07.2017: https://rm.coe.int/vierte-evaluierungsrunde-korruptionspravention-in-bezug-auf-abgeordnet/168072fd67

 

IM DETAIL: Korruptionsprävention in Bezug auf Abgeordnete

i) verbindliche Lobbytransparenz

GRECO empfahl, die Transparenz des parlamentarischen Verfahrens weiter zu verbessern, beispielsweise indem geregelt wird, wie Abgeordnete Kontakte mit Lobbyisten und anderen Dritten pflegen, die Einfluss auf die parlamentarische Arbeit anstreben.

Urteil: teilweise umgesetzt

 

ii) Sofortige Offenlegung von Interessenkonflikten

GRECO empfahl (i) ein Erfordernis der Ad-hoc-Offenlegung einzuführen für Fälle, in denen ein Konflikt entstehen könnte zwischen spezifischen privaten Interessen einzelner Abgeordneter in Bezug auf eine Angelegenheit, die Gegenstand parlamentarischer Verfahren – im Plenum des Bundestages oder seinen Ausschüssen – ist, und zwar unabhängig davon, ob ein solcher Konflikt auch aus der Erklärung der Abgeordneten zu ihren Tätigkeiten und Einkünften ersichtlich sein könnte, und (ii) den Abgeordneten sowohl schriftliche Handreichungen zu diesem Erfordernis – mit Definitionen und/oder Arten von Interessenkonflikten – zur Verfügung zu stellen als auch eine eigens hierfür vorgesehene Stelle vertraulicher Beratung zu möglichen Interessenkonflikten und damit zusammenhängenden ethischen Fragen.

Urteil: nicht umgesetzt

 

iii) breitere Offenlegungspflichten bei Einkommen und Vermögen

GRECO empfahl (i) die bestehenden Offenlegungspflichten zu überprüfen, um ihren Anwendungsbereich auf weitere Arten von Informationen zu erstrecken, beispielsweise auf Angaben zu signifikanten Vermögenswerten – einschließlich Unternehmensbeteiligungen unterhalb der derzeitigen Schwellenwerte – sowie auf Angaben zu signifikanten Verbindlichkeiten; und (ii) in Erwägung zu ziehen, den Umfang der Anzeigen auszuweiten, so dass auch Angaben zu Ehegatten und unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zu machen (aber nicht zwangsläufig zu veröffentlichen) sind.

Urteil: teilweise umgesetzt

 

iv) wirksamere Kontrolle und Umsetzung der Regeln

GRECO empfahl geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine wirksame Kontrolle und Durchsetzung der derzeitigen und künftigen Anzeigepflichten, Regeln zu Interessenkonflikten und anderen Verhaltensregeln für Abgeordnete zu gewährleisten, unter anderem durch Stärkung der personellen Ressourcen in der Bundestagsverwaltung.

Urteil: nicht umgesetzt

 

Die Empfehlungen v-vi beziehen sich auf Richter, vii-viii auf Staatsanwälte.