Sven Giegold

Nachhaltiges Finanzwesen: Europaparlament fordert Einstieg in grüne Finanzwende

Heute hat das Europaparlament einen Initiativbericht zum Thema Nachhaltiges Finanzwesen (Sustainable Finance) verabschiedet. Der Bericht stammt aus der Feder der grünen Berichterstatterin Molly Scott Cato (UK) und wurde von einer breiten Mehrheit aus Grünen, Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) unterstützt, während die Liberalen (ALDE) sich weitgehend enthielten, die Linken (GUE) geteilt waren und Rechtskonservative (EKR) und Rechte (EFDD, ENF) dagegen stimmten. Ziel des Berichts ist es, das Finanzsystem stabiler zu machen, es an langfristigen Zielen auszurichten und mehr Investitionen in nachhaltige Projekte zu lenken. Der Bericht fordert unter anderem eine umfassende Klassifikation nachhaltiger Geldanlagen, die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in treuhänderische Pflichten und Offenlegungsregeln und ein Label für nachhaltige Finanzprodukte. Die Kommission hat letzte Woche Gesetzgebungsvorschläge zum selben Thema vorgelegt.

 

Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Dieser Bericht ist ein großer Erfolg unseres Einsatzes für nachhaltige und stabile Finanzmärkte und übertrifft in vielen Punkten die Pläne der EU-Kommission. Europa muss mutig neue Standards setzen und sich zum Leitmarkt für nachhaltige Finanzprodukte machen. Nachhaltige Finanzprodukte sind auch ein Beitrag zu den in Paris vereinbarten Klimazielen. Klimaschädliche Investitionen bergen eine große Gefahr für die Finanzstabilität, da sie im Zuge des Klimawandels plötzlichen Entwertungen unterliegen können. Diese Gefahr müssen wir zurückdrängen durch Transparenz und durch Anreize für Investoren, Kapital aus riskanten umweltschädlichen Sektoren abzuziehen (Divestment).

Nur ein Label für nachhaltige Finanzprodukte, wie vom Parlament gefordert, kann  Verbrauchern eine einfache und transparente Unterscheidung solcher Produkte ermöglichen. Die Kommission ist jetzt am Zug ein solches Label auf den Weg zu bringen, damit die grüne Agenda für Finanzmärkte auch Kleinanleger*innen zugute kommt. Kapitalerleichterungen für grüne Anlagen von Banken sollten nach Ansicht des Parlaments Tabu bleiben, solange das mutmaßlich geringere Risiko grüner Investitionen nicht nachgewiesen ist.

Das Parlament ist sich einig, dass die Klassifikation für nachhaltige Finanzprodukte die Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung beinhalten muss. Die Kommission sollte die Parlamentsposition aufgreifen und die vorgeschlagene Klimaklassifikation zügig auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit ausweiten. Mit unserer Forderung, nicht nur Nachhaltiges in der Klassifikation zu benennen sondern auch schädliche Investitionen auszuschließen, konnten wir gegen die Christdemokraten nur einen Minimalkonsens erreichen. Wir fordern: Fossile und nukleare Investitionen haben in nachhaltigen Geldanlagen nichts zu suchen, denn sie untergraben die Glaubwürdigkeit dieses jungen Marktes.”

 

Initiativbericht des Wirtschaftsausschusses des Europaparlaments zu nachhaltigem Finanzwesen (vor Bestätigung durch das Plenum):

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A8-2018-0164+0+DOC+PDF+V0//DE

 

Gesetzgebungspaket der Kommission zu nachhaltigem Finanzwesen:

https://ec.europa.eu/info/publications/180524-proposal-sustainable-finance_en#investment

 

ERFOLGE: Was wir erreicht haben

Breite Definition von ‘nachhaltig’ als ökologisch, sozial und in Bezug auf Unternehmensführung (ESG)

Forderung an die Kommission, eine robuste, glaubwürdige und technologie-neutrale Klassifizierung für nachhaltige Geldanlagen zu entwickeln

Forderung an Kommission und Mitgliedstaaten, aus direkten und indirekten Subventionen fossiler Energieträger auszusteigen

Forderung an Kommission und Mitgliedsstaaten, mit ihren öffentlichen Investitionen zum Erreichen der vereinbarten Klimaziele beizutragen

Forderung von verbindlichen Stresstests für Finanzunternehmen, um die Gefahren plötzlicher Wertverluste von Geldanlagen in fossilen Energieträgern einzuschätzen

Forderung eines Mandates für die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, Standards für die Offenlegung und die interne Risikobewertung von Nachhaltigkeitsrisiken von Finanzunternehmen zu entwickeln

Forderung verbindlicher Offenlegungspflichten von Nachhaltigkeitsfaktoren für Unternehmen

Forderung, die Regeln zu treuhänderischen Pflichten von Akteuren der gesamten Investitionskette um Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden zu erweitern, egal ob sie eine mögliche finanzielle Auswirkung haben oder nicht

Forderung eines EU-Standards für green bonds mit starken Nachhaltigkeitskriterien

Forderung eines EU-Labels für nachhaltige Finanzprodukte, die Minimalkriterien erfüllen und im Einklang mit den Pariser Klimazielen sind

Forderung von EU-Standards für die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsindikatoren in die Kredit-Ratings der Ratingagenturen

Forderung, die Mandate der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und der nationalen Aufsichtsbehörden um die Analyse von Nachhaltigkeitsrisiken zu ergänzen

Forderung, dass die Europäische Investitionsbank ihre Kreditvergabe kompatibel mit den Pariser Klimazielen macht, aus der Finanzierung CO2-intensiver Projekte aussteigt und mehr Kapital für ökologische Investitionen bereitstellt

Forderung an die EZB, ihr Anleihenkaufprogramm mit den Pariser Klimazielen in Einklang zu bringen

Forderung an die Kommission nach einem verbindlichen gesetzlichen Rahmen für die Sorgfaltspflicht von Investoren in Bezug auf ESG-Faktoren

MISSERFOLGE: Was wir in den Verhandlungen gegen die Christdemokraten (EVP), Liberalen (ALDE) und rechte Europaskeptiker (ECR) nicht durchsetzen konnten

Starke Liste an Negativkriterien, was abgesehen von fossilen Energien unter keinen Umständen in einem nachhaltigen Finanzprodukt sein darf, wie beispielsweise Kernenergie und Flughafeninfrastrukturen

Forderung eines EU-weiten CO2 Mindestpreises und einer CO2-Einfuhrsteuer

Forderung nach Kreditleitlinien (credit guidance) für den Bankensektor, die dafür sorgen, dass ein allmählich steigender Anteil der Bilanzsumme in nachhaltige Sektoren investiert wird