Sven Giegold

Neue Regeln für europäische Banken: Spürbare Entlastungen für kleine Institute, bescheidene Risikoreduzierung bei den Großen

Heute beschloss der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) mit breiter Mehrheit die Einigung von Europäischem Parlament, Rat der Mitgliedstaaten und EU-Kommission auf neue Regeln für Banken in der EU ab. Die neuen Vorgaben setzen die auf internationaler Ebene vereinbarten Basel-Regeln für eine verbindliche Verschuldungsquote (Leverage Ratio) und eine stabile Refinanzierungsquote (Net Stable Funding Ratio) in der EU um. Das Paket stärkt ferner die Abwicklung maroder Banken sowie die Bekämpfung von Geldwäsche und entlastet kleine, risikoarme Banken. Erstmals werden große und börsennotierte Institute verpflichtet, Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken zu veröffentlichen.

Konterkariert werden die zahlreichen Verbesserungen des Gesetzestextes durch die Ausweitung bestehender Ausnahmen oder das Schaffen neuer Begünstigungen. Insgesamt bleibt die Risikoreduzierung gerade bei bedeutenden Instituten hinter den unverbindlichen Basel-Regeln zurück.

Nach der Abstimmung im ECON muss nun noch das Plenum des EU-Parlaments dem finalen Text zustimmen. Anschließend wird das Gesetz im EU-Amtsblatt veröffentlicht und tritt 18 Monate später in Kraft.

Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Die EU stellt die unverbindlichen Basel-Vorgaben scharf. Europäische Banken müssen fortan zwingend ihre Verschuldung begrenzen, wenngleich die Untergrenze von 3% Leverage Ratio neue Bankenpleiten nicht verhindern wird. Kleine und risikoarme Banken wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden von der Bürokratieflut spürbar entlastet. Landesförderbanken werden von unnötigen Aufforderungen befreit. Auf grüne und sozialdemokratische Initiative hin müssen große und börsennotierte Institute zukünftig ihre  ökologischen und sozialen Risiken veröffentlichen. Das bedeutet einen großen Schritt vorwärts für grüne Finanzmärkte. Mit Unterstützung der anderen Fraktionen stärken wir den Kampf gegen Geldwäsche in der Bankenunion. Der Informationsaustausch zwischen Bankaufsehern und Geldwäschebehörden wird verpflichtend. Geldwäscherisiken müssen bei bankspezifischen Kapitalzuschlägen sowie bei der Eignung von Anteilseignern und der Vergabe von Banklizenzen berücksichtigt werden. Das makroprudenzielle Rahmenwerk wird klarer und schärfer. Kleine Privatanleger schützen wir besser vor Verlusten durch Bankenpleiten.

Leider haben sich andere Fraktionen im Europäischen Parlament an mehreren Stellen den Interessen starker Finanzlobbys gebeugt und dadurch die Verringerung des Risikos in europäischen Bankbilanzen unnötig sabotiert. Auf Druck von Konservativen und Liberalen sollen zukünftig Investments in Software unter bestimmten Bedingungen als Eigenkapital anrechenbar sein. Konservative, Liberale und Sozialdemokraten setzten durch, dass die Begünstigung von KMU-Krediten ausgeweitet wird, ohne dass nachgewiesen werden muss, dass Risiken aus diesen Krediten tatsächlich eine Begünstigung rechtfertigen. Auch die Mitgliedstaaten führten zusätzliche Abschwächungen ein. Auf Druck Frankreichs dürfen global systemrelevante Institute gruppeninterne Geschäfte innerhalb der Eurozone verrechnen und damit ihre Eigenkapitalanforderung drücken. Unterm Strich halten somit auch nach Reform der Bankenregeln einige europäische Banken noch immer zu wenig hartes Eigenkapital. Leider gab es für eine Leverage Ratio in Höhe von 10% oder harte Vorgaben zur Begrenzung von Risiken aus Schattenbanken keine Mehrheit. Um die Probleme zu großer, zu komplexer und zu vernetzter Institute anzugehen, braucht Europa dringend ein Trennbankensystem. Der Finanzstabilität dienen wir am besten mit harten, aber möglichst einfachen Regeln. Auf diesem Weg sind wir heute einen kleinen Schritt näher gekommen – nicht mehr und auch nicht weniger.”

 

Zusammenschau der wichtigsten Veränderungen (CRR 2 / CRD V) im Vergleich zum Status Quo (CRR 1 / CRD IV)

Risikoreduzierende Maßnahmen

Einführung einer verbindlichen Verschuldungsquote (Leverage Ratio, kurz: LR) von 3% für alle EU-Banken (Basel/COM) zuzüglich Zuschlag für global systemrelevante Banken, kurz: G-SIIs (S&D/Grüne), bislang lediglich Meldepflicht der Quote

Pflicht zur Offenlegung von Durchschnittswerten der Verschuldungsquote, um das Unterlaufen der Verschuldungsquote zwischen den Meldestichtagen zu unterbinden, sogenanntes “window dressing” (S&D)

Einführung einer verbindlichen stabilen Refinanzierungsquote (Net Stable Funding Ratio, kurz: NSFR) für alle EU-Banken (Basel/COM), bislang lediglich Meldepflicht der Quote

Einführung einer verbindlichen Verlustauffang-Quote (Total Loss Absorbing Capacity, kurz: TLAC) für global systemrelevante Institute in der EU (FSB/COM), wobei Banken mindestens 8% der Bilanzsumme (Total Liabilities and Own Funds, kurz: TLOF) mit nachrangigen Instrumenten absichern müssen (subordination requirement)

Verpflichtung für Bankengruppen aus Drittstaaten, die mehr als eine Niederlassung in der EU haben, eine zentrale Einheit (Intermediate Parent Undertaking, kurz: IPU) in der EU zu gründen, um die Aufsicht und Abwicklung einer solchen Bankengruppe zu erleichtern (COM)

Umfassende Überarbeitung des makroprudentiellen Rechtsrahmens, so dass die verschiedenen Eigenkapitalpuffer nicht mehr gegenseitig verrechnet werden, sondern additiv gelten, Erhöhung der Obergrenzen der Kapitalpuffer, vereinfachtes Aktivierungsverfahren der Kapitalpuffer, ESRB als zentraler Informationspunkt, regelmäßige Überprüfung des Rechtsrahmens alle drei Jahre (Rat/Grüne/EVP/S&D)

Verschärfungen bei den Ausschüttungsbeschränkungen (Maximum Distributable Amount, kurz: MDA) für den Fall, dass eine Bank ihre Eigenkapitalanforderungen nicht erfüllt, und Ende der Doppelzählung von Kapitalinstrumenten für mehr als einen Eigenkapitalpuffer (Rat/EP)

Streichung der Sonderbehandlung für CoCo-Anleihen (Additional Tier 1 Instruments), deren Coupons im Fall von Ausschüttungsbeschränkungen bislang bevorzugt gegenüber Dividenden und Boni weitergezahlt wurden, dadurch Durchsetzung des Haftungsprinzips (Grüne)

Offenlegung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken durch große und börsennotierte Banken (Greens/S&D)

Einbeziehung von ESG-Risiken beim Setzen bankspezifischer zusätzlicher Kapitalanforderungen (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) nach einem entsprechenden EBA-Bericht (Grüne/S&D)

EBA-Bericht über die potenziell unterschiedliche Kapitalunterlegung von grünen und braunen Anlagen (Grüne/S&D)

Verlängern des Streckens variabler Vergütung von bisher 3-5 Jahren für alle wesentlichen Risikoträger einschließlich des Leitungsorgans auf 4-5 Jahre für wesentliche Risikoträger und 5 Jahre für das Leitungsorgan (Grüne)

Aufwertung der unverbindlichen Leitlinien für die Definition von Schattenbanken zu einem verbindlichen Regulatory Technical Standard (COM/Grüne)

Berichterstattung über die Auswirkungen der Anwendung der neuen Baseler Regeln zum Marktrisiko (Fundamental Review of the Trading Book, FRTB) durch delegierten Rechtsakt bis Mitte 2019; Einführung von FRTB im Einklang mit Basel 2022 durch einen Kommissionsvorschlag bis Mitte 2020 ohne Phase-in (Rat)

Verschärfung der Anforderungen im Handelsbereich der Bank (trading desks) einschließlich der Pflicht zur Durchführung von Konsistenzchecks zwischen den Annahmen von Risikomanagement und Rechnungslegung (P&L attribution test) (Basel/COM)

Klarstellung, dass die Begrenzung variabler Vergütung (bonus cap) auf alle wesentlichen Risikoträger einer Bankengruppe anzuwenden ist, wenn sie Dienstleistungen für die Bank erbringen. Dies wird erreicht durch Streichen des Ermessens der Kreditinstitute, die Bonusobergrenze nur „in dem Umfang“ anzuwenden, der ihrer Größe, internen Organisation und der Art, dem Umfang und der Komplexität ihrer Tätigkeiten entspricht (COM/EP).

Berücksichtigung von Geldwäsche-Risiken beim Setzen bankspezifischer zusätzlicher Kapitalanforderungen (SREP), bei der Überprüfung der Eignung von Vorständen und Aufsichtsräten (Fit & Proper) sowie bei der Vergabe von Banklizenzen (EBA/Green/S&D)

Obligatorischer Informationsaustausch über Geldwäsche zwischen Bankaufsehern und Anti-Geldwäsche-Behörden (Grüne/EVP/S&D)

Einführung risiko-sensitiverer Ansätze für das Gegenparteiausfallrisiko (Counterparty Credit Risk, CCR: SA-CRR, vereinfachte SA-CCR und überarbeiteter OEM)

Einführung des Basel-Standards für das Zinsänderungsrisiken im Bankbuch (IRRBB) (COM/Basel)

Auslaufen der Erlaubnis, aktive latente Steuern als Eigenkapital anrechnen zu können (COM)

Überwachung von Krediten an verbundene Unternehmen und Vorstandsmitglieder, die zu Interessenkonflikten führen könnten (S&D)

Erleichterungen für kleine und risikoarme Banken bei den Offenlegungs- und Berichtspflichten einschließlich einer konservativ kalibrierten vereinfachten NSFR (COM/Council/EP/Greens). Durch administrative Entlastungen kleiner Banken erhalten wir eine diversifizierte und stabilere europäische Bankenlandschaft.

Risikoerhöhende Maßnahmen

Reduzierung der zusätzlichen Kapitalanforderungen für global systemrelevante Banken (G-SIIs) durch Verrechnung von gruppeninternen Geschäften innerhalb der Eurozone, vorbehaltlich der Zustimmung der EZB (Rat)

Mehrere Abweichungen vom Basel-Standard schwächen die nun verbindliche stabile Refinanzierungsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR):

Reversed Repos: Übergangsregelung auf der Grundlage des Ratstextes (3 Jahre mit automatischer Rückkehr nach Basel), aber mit schwächerer Kalibrierung auf der Grundlage des EP-Textes (erforderliche stabile Finanzierung 0% und 5% statt 5% und 10%).

Handelsfinanzierung: Nationales Ermessen bei der Kalibrierung der erforderlichen stabilen Finanzierung auf der Grundlage des EP-Textes, unterstützt von EZB und COM

Factoring: Nationales Ermessen bei der Kalibrierung der erforderlichen stabilen Finanzierung auf der Grundlage des EP-Textes, unterstützt von EZB und COM

Mehrere Abweichungen vom Basel-Standard schwäschen die nun verbindliche Verschuldungsquote (Leverage Ratio, LR):

Bausparkassen: Möglichkeit zur Ausnahme bestimmter Transaktionen gegenüber Bausparkassen bei der Berechnung der Verschuldungsquote

Möglichkeit zur Ausnahme von Geschäften innerhalb von Verbänden eines Einlagensicherungssystems bei der Berechnung der Verschuldungsquote (das heißt Gleichbehandlung von Instituten innerhalb eines Einlagensicherungssystems und sonstigen Bankengruppen), die genehmigungspflichtig ist, vorbehaltlich einer Überprüfungsklausel (Grüne Bewertung: berechtigte Abweichung von Basel).

Legalisierung der bereits praktizierten, rechtlich höchst zweifelhaften Unterscheidung zwischen verbindlicher Eigenkapitalanforderung der zweiten Säule (Pillar 2 Requirement) und unverbindlicher Kapitalempfehlung der zweiten Säule (Pillar 2 Guidance), wobei der Verstoß gegen die Kapitalempfehlung nicht automatisch zu Einschränkungen der Gewinnausschüttung führt (COM)

Dreijährige Freistellung von der Verpflichtung zur Berücksichtigung von Verlusten aus massiven Verkäufen fauler Kredite bei der Berechnung von Kapitalanforderungen durch interne Modelle, was den Berg fauler Kredite in den europäischen Bankbilanzen verringern helfen soll (S&D)

Verlängerung der Möglichkeit, Beteiligungen an bestimmten Versicherungsholdings nicht vom Eigenkapital abziehen zu müssen, um zwei Jahre von 2022 bis 2024 (Danish Compromise) (EP)

Reduzierte Risikogewichte für Kredite, die Infrastrukturprojekte finanzieren, ohne eine Verpflichtung zum Nachweis, dass deren Begünstigung durch ein geringeres Risiko gerechtfertigt ist (COM/EP/Council)

Ausweitung der reduzierten Eigenkapitalhinterlegung für KMU-Kredite von bisher maximal EUR 1,5 Millionen Kreditsumme auf EUR 2,5 Millionen (EP)

Einführung der Möglichkeit, sich Investitionen in Software als hartes Eigenkapital anrechnen zu lassen, abhängig von einem delegierten Rechtsakt der EBA (EP)

Risikoneutrale Maßnahmen

Anrechenbarkeit von Eigenkapital, das von einer Muttergesellschaft bereitgestellt wird und mit der ein Ergebnisabführungsvertrag besteht, als anrechenbares Eigenkapital bei der Tochtergesellschaft (EP)

Reduzierte Risikogewichte für Kredite, die durch Renten oder Gehälter abgesichert sind. Grüne Bewertung: erscheint gerechtfertigt (S&D)

Verbraucherschutzmaßnahme

Schutz von Kleinanlegern vor Finanzinstrumenten, die bei Bankenpleiten Verluste tragen, durch größere Stückelung

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