Heute legte der Ministerrat seine Position fest für die geplante Klassifizierung nachhaltiger Geldanlagen. Die EU-Kommission hatte den betreffenden Verordnungsvorschlag im Mai letzten Jahres veröffentlicht. Der Ratstext beinhaltet eine Formulierung, die potenziell Atomkraft unter nachhaltigen Aktivitäten fassen könnte (climate neutral energy (including carbon-neutral energy)). Das hieße beispielsweise, dass ein Anleger ein erklärt nachhaltiges Finanzprodukt kauft und der dahinter stehende Fonds in nachhaltige Anlagen investiert, darunter aber möglicherweise auch in Atomenergie. Dies haben Deutschland, Luxemburg und Österreich zuletzt durch eine gemeinsame Erklärung zu verhindern versucht, konnten sich aber gegen den Widerstand unter anderem aus Frankreich nicht durchsetzen. Das Parlament hatte in seiner Position zu Anfang des Jahres Atomenergie, Gas und Kohle kategorisch aus der Definition nachhaltiger Anlagen ausgeschlossen. Jetzt müssen die Ko-Gesetzgeber in interinstitutionellen Verhandlungen auf eine gemeinsame Position einigen, damit die Klassifizierung in Kraft treten kann.
Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:
“Atomkraft hat in nachhaltigen Finanzprodukten nichts verloren. Mit dieser Hintertür für Atomkraft riskiert der Rat, das Vertrauen der Anleger zu zerstören und erweist nachhaltigen Finanzmärkten insgesamt einen Bärendienst. Unabhängig davon, was man von Atomkraft hält, sollte der grüne Finanzmarkt damit nicht belastet werden. Wir brauchen einheitliche Definitionen und Ausschlusskriterien für grüne Anlagen, um Greenwashing einzudämmen. Es ist eine traurige Momentaufnahme der deutsch-französischen Beziehungen, wenn sich schon am Thema nachhaltige Finanzmärkte ein symbolpolitischer Konflikt über Atomkraft entzündet. Kein französisches Atomkraftwerk würde an einem Mangel grüner Finanzierungsinstrumente scheitern.
Nachdem die deutschen Vertreter bei der Verbindlichkeit der Standards lange gebremst haben, ist der tatkräftige Einsatz gegen Atomkraft in grünen Finanzprodukten ein Lichtblick. Wir werden uns in den anstehenden Verhandlungen dafür einsetzen, die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Finanzmärkte zu retten und die Finanzierung umweltschädlicher Anlagen durch grüne Finanzprodukte auszuschließen. Es ist ärgerlich, dass die verbindliche Anwendung der Klassifizierung auch durch Bremsen der deutschen Vertreter erst Anfang 2023 kommen soll. Die Finanzmärkte müssen so bald wie möglich einen starken Beitrag zum Klimawandel leisten. Zudem sollten die neuen Regeln so bald wie möglich auf alle Finanzakteure und -produkte ausgeweitet werden und nicht wie geplant nur für erklärt nachhaltige Finanzprodukte gelten. Denn nur dann kommen wir zügig zu einem Standard für Green Bonds und einem Verbrauchersiegel für nachhaltige Finanzprodukte.”