Hier ergänzen wir laufend unsere Reaktionen auf die methodische Kritik an der Steuerstudie.
Kritik 1: Die für Deutschland genannten 30 Prozent sind nicht das, was die Firmen eigentlich zahlen müssten. Die Zahl sei lediglich ein statistischer Mittelwert aus Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer, deren Sätze sich von Gemeinde stark unterscheiden.
Unsere Antwort: Studien müssen Annahmen treffen, um Vergleichbarkeit herzustellen. Deshalb sind Studienergebnisse nie perfekt. 30% sind für Deutschland der maßgebliche Unternehmenssteuersatz für Kapitalgesellschaften. Das Bundesfinanzministerium selbst gibt für Deutschland für das Jahr 2015 einen Durchschnittswert aus Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag von 29,83 % an: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2016/05/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-2-Die-wichtigsten-Steuern-im-internationalen-Vergleich.html
Unsere Studie betrachtet über 10.000 Unternehmen in Deutschland, so dass eine Annäherung an den Durchschnittswert von 29,83% gerechtfertigt sein dürfte.
Kritik 2: Ein niedriger effektiver Steuersatz alleine sage nichts über das Vorliegen von Steuervermeidung aus. Die Unterschiede zwischen nominalen und effektiven Steuersätze taugten nicht zu Aussagen über die gleichmäßige Besteuerung von Unternehmen in der EU.
Unsere Antwort: Doch. Die hohen Abweichungen zwischen nominalen und realen Steuersätzen über einen längeren Zeitraum zeigen, dass relevante Gewinne nicht versteuert werden. Die substanzielle Lücke zwischen nominalem und effektivem Steuersatz erklärt sich durch Sonderabsprachen einzelner Mitgliedsländer mit multinationalen Unternehmen, Steuerschlupflöcher wie Patentboxen und die doppelte Nicht- oder Unterbesteuerung von Gewinnen durch unvollkommene Doppelbesteuerungsabkommen. Die Studie kann das nicht belegen, denn sie betrachtet die Steuerzahlungen von Unternehmen und nicht die einzelnen Steuerregeln pro Land. Aber die dahinter stehenden Mechanismen sind bekannt.
Kritik 3: In der Studie gibt es einige Anomalien, dass z.B. im Fall Irland die tatsächlich gezahlten Steuern über dem Steuersatz liege.
Unsere Antwort: Dass der effektive über dem nominalen Steuersatz liegt, kann verschiedene Gründe haben wie z.B. Fusionen, hohe Verluste, Doppelbesteuerung wegen unvollständiger oder fehlender Doppelbesteuerungsabkommen. Die Situation ist in jedem Land anders, abhängig vom Steuersystem des jeweiligen Landes. Das große Bild ändern die Anomalien aber nicht, die Zahlen der Studie sind im Rahmen der Grenzen der Datenbank korrekt. Sie sind die besten erhältlichen Daten.
Kritik 4: Die Aussagekraft der Studie sei beschränkt da sie nur Daten bis 2015 heranzieht. Damit sind eine Reihe von Maßnahmen im Kampf gegen legale Steuervermeidung, die EU und OECD in der Zwischenzeit ergriffen haben, nicht berücksichtigt.
Antwort: Es ist richtig, dass eine Reihe von neuen EU-Gesetzen seit 2016 verabschiedet wurden, und das ist äußerst positiv! Leider sehen wir aber zugleich, dass weltweit der Steuerwettbewerb weitergeht. Zudem gibt es zahlreiche Hinweise, dass die beschlossenen OECD-Maßnahmen gegen Steuervermeidung (BEPS) und die entsprechenden Umsetzungsgesetze in der EU (Anti tax avoidance directive I und II) umgangen werden. Patentboxen verbreiten sich und Irland hat Steuervermeidungsmöglichkeiten eingeführt, die “BEPS compliant” sind. Methoden Immer mehr Experten stimmen zu: “BEPS is not working.” Hinzu kommt, dass weiterhin viele Vorschläge der Kommission im Rat der Mitgliedstaaten blockiert werden, unter anderem auch von Deutschland. Weil in Steuerfragen Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten erforderlich ist, gibt es keine Einigung zu folgenden Gesetzesvorschlägen der Kommission: öffentliche länderbezogene Steuertransparenz, gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage, Digitalsteuer, Überarbeitung der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie und Sanktionen gegen Steueroasen. Außerdem fehlt weiterhin ein einheitlicher Mindestsatz für Unternehmenssteuern in der EU und generell eine Vereinheitlichung des europäischen Unternehmenssteuerrechts, um den Flickenteppich der nationalen Steuergesetze zu überwinden. Ebenfalls nötig wäre es, die Pflicht zur Anzeige von aggressiven Steuergestaltungsmodellen auch auf inländische Sachverhalte auszuweiten.
Kritik 5: Die Studie greift auf die Wirtschaftsdatenbank Orbis zurück, die unkonsolidierte Bilanzzahlen erfasst, wodurch alle zu einem Konzern zugehörigen Unternehmen nicht zu einer Einheit zusammengefasst sind. Zudem werden Bilanzregeln von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt, so dass es bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, Schulden und künftiger Steuerzahlungen erhebliche Unterschiede geben kann. Ein jüngst veröffentlichter OECD-Vergleich sei näher an der Realität.
Unsere Antwort: Die Daten aus Orbis sind nicht perfekt genauso wie jene der OECD-Studie, die nicht zwischen rein national und international tätigen Unternehmen unterscheidet. Angesichts der schlechten Datenlage brauchen wir dringend öffentliche länderbezogene Transparenzberichte, die Klarheit bringen. Die Begrenzungen der Datenbank werden in der Studie umfangreich dokumentiert.
Kritik 6: Die Studie beruhe auf Daten, die steuerbefreite Dividenden enthalten, wodurch die Ergebnisse verzerrt würden. Es sei nicht seriös, die so berechnete effektive Steuerlast mit den Steuersätzen zu vergleichen.
Unsere Antwort: Die in der Studie verwendeten Bruttoerträge enthalten Dividenden, wenn sie als Teil des Finanzergebnisses ausgewiesen werden. Diese Finanzerträge beinhalten sowohl steuerbefreite als auch steuerpflichtige Erträge, wie z.B. erhaltene Zinsen und Lizenzgebühren. In den verfügbaren Daten ist es nicht möglich, zwischen steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Gewinnen oder zwischen Dividenden und Zinsen und Lizenzgebühren zu unterscheiden. Würde man von den Bruttoerträgen die Finanzerträge ganz abziehen, würde der so berechnete effektive Steuersatz den von Unternehmen tatsächlich gezahlten effektiven Steuersatz überschätzen. Um nicht nur alle Steuern, sondern auch all jene finanziellen Gewinne, die steuerpflichtig sind, zu berücksichtigen, schließen unsere Berechnungen alle Finanzerträge mit ein. Für Deutschland kommt unsere Studie zu einem durchschnittlichen effektiven Steuersatz von 19,6% anstatt der gesetzlich veranschlagten 30%. Rechnet man das Finanzergebnis vollständig heraus, das heißt alle steuerbefreiten Dividenden aber auch alle steuerpflichtigen Erträge wie Zinsen und Lizenzgebühren, so ergäbe sich für Deutschland ein effektiver Steuersatz von rund 24%. Der tatsächliche effektive Steuersatz liegt also irgendwo zwischen 19,6% und rund 24% – wo genau, können wir aufgrund der unzureichenden Datenlage leider nicht sagen. Eine Annahme darüber zu treffen, wäre willkürlich.
Kritik 7: Die Studie weist nur unzureichend darauf hin, dass man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, wenn man das Jahresergebnis nach der Handelsbilanz oder nach der Steuerbilanz heranzieht. Gründe für Abweichungen zwischen handelsrechtlichem und steuerpflichtigem Gewinn sind steuerlich nicht abziehbare Aufwendungen sowie steuerfreie Einnahmen. Zudem besteuern viele Länder vor allem Lizenzeinnahmen mit einem sehr geringen Steuersatz.
Unsere Antwort: Die Studie stellt klar heraus, dass sie auf in Orbis hinterlegten Handelsbilanzen basiert. Zu Steuerbilanzen gibt es keine verfügbaren Daten. Einige Länder sehen für unterschiedliche Einkunftsarten verschiedene gesetzliche Steuersätze vor und die Berechnungen unsere Studie basieren auf dem Regelsatz.
Kritik 8: Die Berechnung der effektiven Steuerlast wird in der Studie als Verhältnis der Gesamtsteuerzahlungen zu Gesamteinkünften innerhalb aller Unternehmen eines Landes ermittelt. Besser wäre es jedoch, zunächst den Effektivsteuersatz eines jeden Unternehmens zu ermitteln und dann den Durchschnitt aller Effektivsteuersätze aller Unternehmen zu bilden.
Unsere Antwort: In unserer Studie verwenden wir ganz bewusst das Verhältnis der gesamten Steuerzahlungen aller Unternehmen zum Gesamteinkommen aller Unternehmen innerhalb eines Landes. Dadurch erhalten wir einen gewichteten Durchschnitt und die Unternehmen fließen entsprechend ihrer Größe in die Berechnung ein.