Sven Giegold

Banken-Geldwäsche: EU-Rechnungshof stellt EU-Institutionen vernichtendes Zeugnis aus

Soeben (28.06.) hat der Europäische Rechnungshof seinen Sonderbericht zu Anti-Geldwäsche Maßnahmen der EU im Bankensektor veröffentlicht. Ihr Urteil: die “EU-Maßnahmen gegen Geldwäsche im Bankensektor sind fragmentiert und werden unzulänglich umgesetzt”. Die Rechnungsprüfer*innen bemängeln “mangelhafte Koordination auf EU-Ebene”, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Die Aufsicht läge immer noch auf nationaler Ebene – die übergeordnete Aufsicht von Seiten der EU sei “unzureichend”, um einheitliche Standards in allen Mitgliedstaaten sicherzustellen.

Kernkritikpunkt des Rechnungshofs ist die lückenhafte Umsetzung der EU-Richtlinien gegen Geldwäsche. Die Kommission brauche zu lange, um die nationale Umsetzung von EU-Recht zu prüfen und, wenn nötig, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Auch der Risikoanalyse der EU-Kommission für den europäischen Binnenmarkt mangele es an geografischem Fokus, der Priorisierung von besonders anfälligen Sektoren sowie Informationen darüber, wie sich das Risikogeschehen über die Jahre entwickelt hat. Außerdem habe die Kommission nur in sehr wenigen Einzelfällen von ihrem Recht Gebrauch gemacht, Verstöße gegen das Unionsrecht der Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zu melden. Wo dies geschah, sei die EBA wenn überhaupt erst mit unangemessenen, “übermäßigen Verzögerungen” tätig geworden. Obwohl die EBA Verstöße gegen das Unionsrecht auf eigene Initiative hin untersuchen kann, hat sie von diesem Initiativrecht seit Bestehen im Jahr 2010 keinen Gebrauch gemacht. Bei mindestens einer Untersuchung eines nationalen Verstoßes gegen Unionsrecht durch die EBA fanden die Prüfer*innen Beweise für versuchte Einflussnahme auf das Entscheidungsgremium. Im Aufsichtsrat der EBA sind alle 27 Mitgliedstaaten vertreten, die EU-Kommission hat kein Stimmrecht. Leider führt diese Organisationsstruktur immer wieder dazu, dass nationalen Interessen Vorrang eingeräumt wird.

Informationsaustausch zwischen relevanten Akteurinnen war laut den Prüfer*innen an mehreren institutionellen Schnittstellen ein Problem: Der Informationsaustausch zwischen der EU-Kommission und der EBA finde nicht systematisch statt. Ebenso könne der Informationsaustausch zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen Finanzaufsichtsbehörden weiter verbessert werden. Der Europäische Auswärtige Dienst wiederum kooperierte nicht zeitnah mit der Kommission, wodurch sich die Erstellung der Liste der Hochrisiko-Drittländer verzögerte.

Ein weiterer Tiefpunkt im Kampf gegen Geldwäsche ereignete sich vergangenen Freitag (25.06.): Malta wurde von der Financial Action Task Force (FATF) auf die globale “graue Liste” für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gesetzt. Es ist das erste Mal, dass ein EU-Mitgliedstaat aufgrund erhöhter und anhaltender Geldwäscherisiken auf diese Liste gesetzt wurde. Während der Plenarsitzung der FATF, bei der die Einstufung beschlossen wurde, hatte die Kommission noch versucht, sich schützend vor Malta zu stellen. Neben Malta wurden die Philippinen, Haiti und der Südsudan zu der sogenannten graue Liste hinzugefügt.

 

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Das Urteil des Europäischen Rechnungshofs ist vernichtend. Als Hüterin der Verträge muss die EU-Kommission geltendes EU-Recht gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unverzüglich durchzusetzen. Die Europäische Kommission ist sehr gut darin, neue Regeln und neue Institutionen vorzuschlagen. Es ist unverantwortlich, dass sie die Durchsetzung bestehender Gesetze in den Mitgliedstaaten fahrlässig vernachlässigt. Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde muss jetzt bei allen systematischen Verstößen gegen das Unionsrecht mit Bezug auf Geldwäsche Verfahren einleiten. Zudem fordere ich EBA-Chef José Manuel Campa auf, unverzüglich von seinen neuen Rechten für die Einleitung von Verfahren wegen Verstößen gegen das Unionsrecht Gebrauch zu machen. In Europa gibt es immer noch einen nationalen Flickenteppich an Anti-Geldwäscheregeln und Aufsichtsbehörden, der Kriminellen das Leben leicht macht. Indem die Mitgliedstaaten die Arbeit der EBA sabotieren schaden sie letztendlich sich selbst. Die EU-Kommission tut den Mitgliedstaaten keinen Gefallen, wenn sie ihnen die fahrlässige Missachtung europäischen Rechts durchgehen lässt. 

Es ist peinlich, dass es einen weltweites Netzwerk wie die FATF sowie die USA braucht, um Korruption und organisierte Kriminalität in der EU zu sanktionieren. Anstatt die Umsetzung von Anti-Geldwäsche-Gesetze in der Union konsequent einzufordern, stellt sich die Kommission lieber schützend vor Malta. Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, während organisierte Banden unseren Rechtsstaat und unsere Wirtschaft unterwandern. Die EU-Kommission braucht jetzt einen massiven Ausbau ihrer Kapazitäten im Bereich Finanzkriminalität. Auf der operativen Seite müssen die Kapazitäten der Polizei und der Strafverfolgung konsequent ausgebaut werden. Der Start der EU-Staatsanwaltschaft war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Jetzt braucht die EU-Generalstaatsanwältin Laura Kövesi möglichst schnell ein weitreichendes Mandat, um Geldwäsche auch ohne Bezug zum EU-Haushalt ahnden zu können. 

Im Juli wird die EU-Kommission ihr neues Gesetzespaket gegen Geldwäsche vorstellen. Damit soll ein Teil der EU-Richtlinien in eine EU-weit geltende Verordnung überführt werden. Das ist ein überfälliger Schritt um einheitliche Regeln sicherzustellen. Ich fordere die Kommission auf, offensichtliche Schlupflöcher mit der neuen Verordnung ein für alle Mal zu schließen. Es darf nicht mehr möglich sein, Strohmänner und -frauen an Stelle von tatsächlichen Eigentümern zu registrieren. Im Europäischen Parlament werde ich auf eine verstärkte parlamentarische Kontrolle drängen, angefangen mit einer öffentlichen Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die EU-Kommission und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde ihre gesetzlichen Pflichten missachten.”

 

 

Bericht des Europäischen Rechnungshofs: https://www.eca.europa.eu/Lists/ECADocuments/SR21_13/SR_AML_DE.pdf

Peinlich für Europa: Malta steht auf der globalen grauen Liste für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung: https://sven-giegold.de/malta-auf-globaler-grauer-liste-fuer-geldwaesche/

Graue Liste der FATF, Stand Juni 2021: https://www.fatf-gafi.org/publications/high-risk-and-other-monitored-jurisdictions/documents/increased-monitoring-june-2021.html

Start der Europäischen Staatsanwaltschaft: eine starke Anwältin für europäische Steuerzahler*innen: https://sven-giegold.de/start-der-europaeischen-staatsanwaltschaft/

 

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