Soeben hat das Plenum des Europaparlaments eine Resolution gegen den Interessenkonflikt des tschechischen Premierministers Andrej Babiš beschlossen, der als Regierungschef über EU-Fonds verhandelt, von denen er gleichzeitig privat massiv profitiert. Babis ist ein Musterbeispiel dafür, dass in der EU einige nationale Regierungen, die persönlichen Gewinne der Machthaber und ihrer Freunde über den Rechtsstaat und das Gemeininteresse der Bürger stellen. Um gegen dieses strukturelle Problem vorzugehen, haben die Ausschüsse des Europäischen Parlaments für Haushalt (BUDG) und Haushaltskontrolle (CONT) nur zwei Stunden zuvor einen Vorschlag der Kommission für finanzielle Sanktionen gegen nationale Regierungen angenommen, die europäische Werte untergraben.
BUDG und CONT wollen das Instrument, das die Europäische Kommission zeitgleich mit dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU im Mai vorgeschlagen hatte, weiter stärken. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass die EU Sanktionen anwenden kann, wenn die Unabhängigkeit der Justiz unter Druck steht, es falsche Vergabeverfahren gibt und Betrug und Korruption untersucht und verfolgt werden. Grüne, Sozialdemokraten und Liberale haben für das Instrument erfolgreich darauf bestanden, dass es alle Europäischen Grundwerte schützen kann, nicht nur die Rechtsstaatlichkeit, solange der Angriff einer Regierung auf Werte auch das finanzielle Interesse der EU verletzt.
Im Entwurf der Parlamentsposition wird die Anwendung von Sanktionen gefordert, ohne dass der Rat zuvor einen gemeinsamen Standpunkt finden muss. Um das Verfahren zu beschleunigen, sollten Sanktionen verhängt werden, wenn weder Parlament noch Rat innerhalb einer Frist von einigen Wochen den Kommissionsvorschlag aufhalten. Auf Initiative der Grünen wollen die Parlamentsausschüsse auch, dass die EU-Kommission bei der Untersuchung von einem neuen Panel unabhängiger Experten auf dem Gebiet des Verfassungsrechts und der Finanzen unterstützt wird. Das Panel soll die Rechtsstaatlichkeit in allen Mitgliedstaaten jährlich überprüfen und bei Bedarf Alarm schlagen, auch wo das Verhandlungen der Kommission mit den Regierungen der Mitgliedstaaten stören könnte.
Bei der Verhängung von Sanktionen bleibt die Regierung eines Mitgliedstaats verpflichtet, Versprechen an die Bürger einzuhalten, damit bereits zugesagte Projekte fortgesetzt werden können und Erasmus-Studenten und Forscher nicht unter der Korruption ihrer Regierung leiden müssen. In dem breiten pro-europäischen Kompromiss fehlt der Vorschlag der Grünen, der Kommission die Übernahme der direkten Verwaltung der EU-Mittel zu erlauben. In Ländern, wo wenige Oligarchen die Politik dominieren, wäre EU-Kontrolle der Umsetzung die einzige Hoffnung für all diejenigen an EU-Gelder zu kommen, die Europäischen Werten treuer sind als den Machthabern.
Das Europäische Parlament wird im Plenum über das Instrument über finanzielle Sanktionen zur Verteidigung der europäischen Werte in der Plenarsitzung im Januar beschließen. Die Berichterstatter des Parlaments erhalten dann das Mandat, Verhandlungen mit den europäischen Ministern aufzunehmen.
Dazu sagt der Schattenberichterstatter der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold, Berichterstatter des Europäischen Parlaments über Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen:
„Zur Verteidigung europäischer Werte brauchen wir wirksame Instrumente. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Appelle und Mahnungen nicht reichen. Wer europäische Werte untergräbt,, darf nicht von EU-Geldern profitieren. Zum Schutz europäischen Werte müssen wir präventiv statt reaktiv handeln. Wir brauchen ein Expertengremium, das rechtzeitig Alarm schlägt. Die Experten sollten von den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament gewählt werden. Sie müssen unabhängig von Empfindlichkeiten sein, die die EU-Kommission im täglichen Umgang mit den nationalen Regierungen berücksichtigen muss. Durch präventives Handeln lassen sich so dramatische Situationen wie in Ungarn und Polen leichter verhindern.
Regierungen, die EU-Gelder in Anspruch nehmen und gleichzeitig europäische Werte brechen, sollten finanziell sanktioniert werden. Ansonsten riskieren wir die Unterstützung für EU-Fonds als Mittel der europäischen Solidarität. Um Angriffe auf europäische Werte glaubwürdig abzuschrecken, müssen Sanktionen automatisch gelten, solange keine Mehrheit im Rat oder Parlament sie aufhält.
Die heutige Resolution gegen den Interessenkonflikt von Andrej Babiš ist ein Weckruf an die Bundesregierung und andere nationale Verhandler, die eher um Nachkommastellen feilschen als sich dem eigentlichen Problem des EU-Haushalts zu stellen. Wenn nationale Regierungen durch private Interesse der Machthaber übernommen werden, muss die EU die Bürger davor schützen, dass für sie vorgesehene EU-Gelder in anderen Kanälen verschwinden. Angela Merkel, Emmanuel Macron und die anderen Staats- und Regierungschefs dürfen sich nicht durch Untätigkeit mitschuldig machen, sondern müssen das Sanktionsinstrument zur Verteidigung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten unterstützen. Die EU-Kommission muss die Zahlungen an Babiš‘ Unternehmen einstellen, solange er seinen Interessenkonflikt nicht aufgelöst hat.”