Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Interessierte in der Finanzwirtschaft und Finanzmarkt-Interessierte,
gestern hat der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments über ein umfassendes Gesetzgebungspaket zur Reform der europäischen Bankenregeln (CRD, CRR, BRRD) abgestimmt. Darin enthalten sind zahlreiche Maßnahmen zur Verringerung des bürokratischen Aufwands für kleine Institute. Das entspricht unserer grünen Leitidee, harte, aber möglichst einfache Regulierungen im Finanzmarktbereich festzulegen.
Die EU-Kommission hatte in ihrem Vorschlag zur Reform der Bankengesetzgebung bereits einige begrenzte Verbesserungen für mehr Proportionalität vorgeschlagen. Das war jedoch völlig unzureichend. Der Berichterstatter Peter Simon (SPD) hatte daraufhin in seinem Berichtsentwurf zusätzliche Proportionalitätsmaßnahmen ins Spiel gebracht und damit dankenswerterweise die Diskussion um verhältnismäßige Regeln eröffnet. Wir Grünen haben nach einer breiten Konsultation bei betroffenen Instituten, unabhängigen Wissenschaftlern und Aufsehern noch weitergehende Änderungsanträge eingereicht, von denen zahlreiche Eingang in den finalen Text gefunden haben. Für dieses Engagement möchte ich mich herzlich bedanken! Ihre Rückmeldungen mit teilweise grotesteken Geschichten aus der Realität der Bankenaufsicht füllen inzwischen mehrere Ordner.
Eine echte ‘small banking box’ mit einem gesonderten Regelwerk für kleine, nicht-komplexe Institute steht weiter aus. Die gestern von den Abgeordneten befürworteten Erleichterungen haben aber das Potenzial, den Verwaltungsaufwand für kleine und solide Banken spürbar zu verringern.
Bevor die vom Parlament verabschiedeten Regeln in Kraft treten können, müssen die Mitgliedstaaten ihnen zustimmen. In den nun anstehenden Verhandlungen mit dem Rat und der EU-Kommission werden wir Grüne die im Parlament erreichten spürbaren Vereinfachungen für kleine Banken verteidigen.
Anwendungskreis
Die administrativen Erleichterungen sollen für kleine, nicht-komplexe Banken mit einer Bilanzsumme unter EUR 5 Milliarden, kleinem Handelsbuch und geringem Derivategeschäft gelten. Damit geht das EU-Parlament deutlich über den Vorschlag der Kommission hinaus, die Vereinfachungen nur für Banken mit einer Bilanzsumme bis zu EUR 1,5 Milliarden vorgesehen hatte. Der Berichterstatter Peter Simon hatte zunächst vorgeschlagen, dass die nationalen Behörden die Schwelle von EUR 1,5 Milliarden anheben können. Wir Grüne hatten jedoch – auf Empfehlung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) – eine einheitliche Schwelle von EUR 5 Milliarden eingebracht. Der finale Kompromiss sieht nun vor, dass EUR 5 Milliarden die Regel sind und nationale Behörden die Schwelle absenken können, was insbesondere in kleineren Mitgliedstaaten sinnvoll sein kann.
Meldewesen
Im Bereich Meldewesen sollen kleine Banken die FINREP-Meldung nur noch jährlich abgeben müssen, so wie der Berichterstatter und wir Grüne dies vorgeschlagen hatten. Statt der aufwändigen NSFR sollen kleine Banken eine vereinfachte NSFR (sNSFR, simplified NSFR) mit weniger Datenpunkten melden. Diese Idee hatten der Berichterstatter und wir Grüne vorgeschlagen. Mit den aufwändigen Additional Liquidity Monitoring Metrics (ALMM) sollen kleine Institute nicht mehr behelligt werden, sofern ihre Einlagen hinreichend granular und ihre Vermögensgegenstände ausreichend diversifiziert sind. Dies hatten wir Grüne vorgeschlagen und fand Eingang in den finalen Text des Parlaments. Außerdem hatten wir die Idee, von der täglichen Überwachung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) absehen zu können, sofern ein Institut eine Quote von mindestens 150% erfüllt. Doch leider konnten wir dafür keine Mehrheit finden.
Darüber hinaus soll die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) bis Ende 2019 einen Bericht zur Reduzierung des bürokratischen Aufwands für kleine Institute vorlegen. Der sozialdemokratische Berichterstatter hatte vorgeschlagen, dass die Verringerung des Verwaltungsaufwands mindestens 10% betragen solle, da er für weitergehende Erleichterungen keine Mehrheit innerhalb seiner Fraktion hatte. Zusammen mit der Fraktion “Europa der Freiheit und der direkten Demokratie” (EFDD) hatten wir uns für drastischere Vereinfachungen stark gemacht, so dass der finale Text Erleicherungen von “mindestens 10% und idealerweise 20%” vorsieht. Auf Grünen Vorschlag hin soll die EBA in ihrem Bericht insbesondere prüfen, ob die Frequenz für die Meldungen nach Artikel 100 (Belastete Vermögenswerte), 394 (Großkredite), 430 (Offenlegung) verringert werden und ob auf die Meldung der belasteten Vermögenswerte ganz verzichtet werden kann. Wir Grünen hatten zudem verlangt, dass auch die Meldung nach Artikel 101 (Verluste aus Immobilienfinanzierungen) nur noch jährlich erfolgen solle, fanden dafür aber leider keine Mehrheit.
Weiterhin wird die EBA mit der Entwicklung eines integrierten Meldewesen beauftragt, bei dem alle Meldeanforderungen nationaler und europäischer Behörden einschließlich Statistikämter und EZB gebündelt werden. Der Berichterstatter hatte, wie auch wir Grünen, ein solches integriertes Meldewesen vorgeschlagen und nahm unsere Idee auf, nicht nur Aufsichtsbehörden und die EZB, sondern alle Behörden, die Meldeanforderungen stellen, einzubeziehen. Auf Grünen Vorschlag hin dürfen neue Meldeanforderungen außerdem frühestens zwei Jahre nach Ankündigung in Kraft treten, entsprechende Meldebögen müssen mindestens ein Jahr im Voraus verfügbar sein.
Schließlich wird auf Grünen Vorschlag hin klargestellt, dass Meldeanforderungen mit dem bereits verwendeteten Rechnungslegungsstandard erfüllt werden können müssen. Ein Drängen von HGB-Bilanzierern in das internationale Rechnungslegungsregelwerk IFRS ist nicht zulässig.
Offenlegung
Sofern Institute wie unter dem Punkt ‘Anwendungskreis’ beschrieben nicht nur klein und nicht-komplex sind, sondern zusätzlich auch noch nicht-börsennotiert sind, sollen sie nur noch eine reduzierte Anzahl an Kennzahlen (key metrics, Artikel 447 CRD V) veröffentlichen müssen. Wir Grünen hatten uns für eine vollständige Befreiung von der Offenlegungspflicht stark gemacht, konnten aber leider keine Mehrheit dafür finden.
Marktrisiko
Sofern ein Institut nur ein kleines Handelsbuch (Anhebung der Schwelle wie von der Kommission vorgeschlagen von EUR 20 Millionen auf EUR 50 Millionen) hat, soll es diverse organisatorische Anforderungen zum Führen eines Handelsbuchs (Artikel 102, 103, 104b und 105 (3) CRR) nicht erfüllen müssen. Diese Erleichterung hatten sowohl wir Grüne als auch die beiden christdemokratischen Abgeordneten Othmar Karas und Thomas Mann vorgeschlagen.
Vergütung
Wie von der Kommission vorgeschlagen, kann von der Streckung der Auszahlung über mehrere Jahre abgesehen werden, sofern die variable Vergütung eines Mitarbeiters EUR 50.000 nicht übersteigt. Auf Vorschlag der Grünen dürfen die Anforderungen an die Eignung von Aufsichtsräten nicht dazu führen, dass Geschäftsführer aus mit der Bank verbundenen Unternehmen nicht mehr in den Bank-Aufsichtsrat gewählt werden können. Ebenso setzten wir Grüne uns mit der Idee durch, dass die Überprüfung der Eignung von Aufsichtsräten durch die Bankenaufsicht aus praktischen Gründen vor und nach ihrer Ernennung erfolgen kann.
Zinsänderungsrisiko im Bankbuch
Für den neuen Standardansatz bei der Berechnung des Zinsänderungsrisikos soll die EBA eine vereinfachte Berechnungsmethode für kleine Banken entwickeln. Dies hatten wir Grüne sowie die Liberalen vorgeschlagen.
Sanierungs- und Abwicklungsplanung (BRRD)
Sofern eine Bank eine Leverage Ratio von 10% erfüllt (Vorschlag der Grünen) und unter üblichen Insolvenzverfahren abgewickelt werden kann (Vorschlag der christdemokratischen Abgeordneten Ferber, Balz, Karas und Langen), braucht sie bestimmte Melde- und Offenlegungsanforderungen nicht zu erfüllen.
SREP
Keine Unterstützung bei den anderen Fraktionen fand unser Vorschlag, im Austausch für höhere Anforderungen bei der harten Eigenkapitalquote und der Leverage Ratio auf den SREP ganz zu verzichten oder zumindest die Frequenz zu reduzieren.
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Mit grünen, europäischen Grüßen
Ihr Sven Giegold
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Zum Hintergrund
Grüne Vorschläge zur Stärkung der Verhältnismäßigkeit in der europäischen Bankenregulierung (Englisch):
Im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments angenommener Kompromisstext zur Stärkung der Verhältnismäßigkeit im Bereich Meldewesen und Offenlegung (Englisch):
https://sven-giegold.de/wp-content/uploads/2018/06/FINAL-COMPROMISE-AMENDMENTS-PROPORTIONALITY.pdf