Seit heute, den 6. September, liegt ein neuer Bericht darüber vor, wie Europäische Banken einen Teil ihrer Gewinne in Steueroasen verbuchen und so Steuern umgehen: 20 Milliarden Euro, oder 14 Prozent der Gesamtgewinne der Banken, werden demnach pro Jahr in Steueroasen verbucht. Diese Zahlen sind zwischen 2014 und 2020 konstant geblieben. Laut dem Forschungsteam der Europäischen Beobachtungsstelle zur Steuerpolitik lag der effektive Steuersatz in den Steueroasen zwischen 10 und 13 Prozent. Besonders verdächtig: die 36 Europäischen Banken verbuchten 238 000€ Gewinn pro Arbeitnehmer*in in Steueroasen, aber nur 65 000€ in Ländern mit höheren Steuersätzen. Diese enormen Produktivitätsunterschiede sind nicht zu erklären und legen nahe, dass mit der Verschiebung von Gewinnen Steuern aktiv vermieden werden sollten. Auch an diesem Beispiel zeigt sich die Notwendigkeit einer effektiven Mindestbesteuerung: bei einem Mindeststeuersatz von 15% müssten die 36 Europäischen Banken 3-5 Milliarden Euro Steuern mehr zahlen. Bei einem Mindeststeuersatz von 21% lägen die steuerlichen Mehreinnahmen für EU-Länder bei 6 bis 9 Milliarden €.
Die Daten, auf denen der Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle zur Steuerpolitik basiert, verdanken wir einer Europäischen Richtlinie aus dem Jahr 2013. Die vierte Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen für Banken sieht vor, dass Geldhäuser, die in der EU tätig sind, ihren jährlichen Umsatz, Gewinn, gezahlten Steuern und erhaltene öffentliche Zuschüsse, sowie die Zahl ihrer Angestellten aufgeschlüsselt pro Land offenlegen müssen. Wir Grünen haben damals vorgeschlagen und durchgesetzt, dass diese Verpflichtung in die Richtlinie aufgenommen wird. Wie wichtig die Verpflichtung zu mehr Steuertransparenz ist, zeigt dieser Bericht. Denn so erhalten wir Hinweise, wie viele Steuereinnahmen verloren gehen und in welchen Staaten. Auf der Liste der Steueroasen stehen auch die EU-Mitglieder Irland, Luxemburg und Malta neben den Bahamas, den Kaiman-Inseln, Guernsey etc. Das sogenannte public Country-by-Country Reporting ist also ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung, denn so können Unternehmen nicht mehr verbergen, mit welchen Mitteln sie sich davor drücken, ihren Beitrag zur Allgemeinheit zu leisten. Auch andere Länder können immer weniger verstecken, um welche Summen sie ihre Nachbarn bringen, indem sie ihre Unternehmenssteuern senken um so Steuereinnahmen auf Kosten anderer zu generieren. Deshalb haben wir uns jahrelang dafür eingesetzt, dass diese Pflicht zur Offenlegung auch für andere Großunternehmen eingeführt wird, mit Erfolg: Am 1. Juni diesen Jahres einigten sich die Kommission, das EU-Parlament und der Rat auf einen entsprechenden Gesetzestext. Anders als bei den Banken wird Steuertransparenz für Großunternehmen zwar erst einmal nur pro EU-Mitgliedstaat verpflichtend sein, aber da ca. 80% der verlorenen Steuereinnahmen in der EU auf innereuropäische Steueroasen zurückzuführen ist, ist auch dies ein beachtlicher Schritt, den wir gegen den erbitterten Widerstand des Rats durchsetzen konnten.
Am Beispiel Deutsche Bank lässt sich konkret zeigen, wie eine Bank mit Hilfe von Steueroasen besonders viel Unternehmenssteuer umgehen kann: mit 27% hat sie den vierthöchsten Prozentsatz der durchschnittlich in Steueroasen verbuchten Gewinne. Laut dem Bericht der Europäischen Steuerbeobachtungsstelle verbucht die Deutsche Bank im Durchschnitt 22% ihres Gesamtgewinns in Luxemburg, wo dieser mit einem effektiven Steuersatz von 14% besteuert wird. Die Zahl der Mitarbeitenden in Luxemburg entspricht jedoch weniger als 1% aller Mitarbeiter*innen weltweit. Für Deutschland ist es umgekehrt: die Deutsche Bank verbucht 34% ihrer Gewinne hier bei uns, aber mehr als 50% ihrer Angestellten arbeiten in Deutschland. Diese Zahlen lassen starke Zweifel daran, dass die Deutsche Bank ihren vollen Beitrag zum Gemeinwohl leistet. Um sich gegen das Steuerdumping von anderen Ländern wehren zu können, ist eine effektiver Mindeststeuersatz in Form einer Hinzurechnungsbesteuerung so wichtig: denn dann könnte Deutschland die Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz und der in Luxemburg gezahlten Steuern von der Deutschen Bank einfordern und so Luxemburgs Steuermodell aushebeln. Deshalb setzen wir uns weiter für einen effektiven Mindeststeuersatz von 21% für Großunternehmen ein!
Wie sehr die unabhängige Arbeit der Europäischen Beobachtungsstelle für Steuerpolitik den Christdemokrat*innen im Europaparlament ein Dorn im Auge ist, zeigte sich bei der jüngsten Abstimmung zum EU-Haushalt für das Jahr 2022 im Finanzausschuss: Letzten Mittwoch, den 1. September, stimmte die Fraktion geschlossen gegen einen gemeinsamen Antrag von Sozialdemokrat*innen, Liberalen und uns Grünen, mit dem das Budget der Beobachtungsstelle für 2022 gesichert werden sollte. Der Unmut der Christdemokrat*innen über unbequeme Forschung verfing nicht. Der parteiübergreifende Änderungsantrag wurde angenommen, das Team um Professor Zucman wird auch im nächsten Jahr seine hervorragende Arbeit fortsetzen können. Dazu sollte man wissen: die Beobachtungsstelle geht ursprünglich auf eine Idee von uns Grünen zurück, die wir im Oktober 2019 gemeinsam mit Sozialdemokrat*innen und Liberalen im Europaparlament auf den Weg gebracht haben. Wir bleiben dran.
Mit entschlossenen europäischen Grüßen
Sven Giegold
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Link zum neuesten Bericht der Europäischen Steuerbeobachtungsstelle: https://www.taxobservatory.eu/wp-content/uploads/2021/09/EU-Tax-Observatory-Report-n%C2%B02-Have-European-banks-left-tax-havens-Evidence-from-country-by-country-data.pdf
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P.S.: Eil-Petition: EU-Agrarpolitik darf die Klimakrise nicht weiter anheizen, Agrarwende jetzt! – In Brüssel steht in diesen Wochen eine der wichtigsten Entscheidungen für den Klima- und Umweltschutz an: Es geht um die Zukunft der EU-Agrarpolitik. Doch im Rat der Mitgliedsländer blockiert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner die Agrarwende für mehr Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Helft mit diese Blockade zu beendet und unterzeichnet unsere Eil-Petition hier: www.change.org/agrarwende-jetzt
Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde innerhalb der letzten 2 Monaten vor der Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. In diesem Zeitraum wurde die Homepage und die zugrunde liegende IT-Infrastruktur aus Wahlkampfmitteln und nicht aus dem Parlamentsbudget finanziert.