Per Interview hat Energieministerin Reiche vorab Ergebnisse des „unabhängigen“ Energiewende-Monitorings verkündet: Vollbremsung für den privaten Solarenergie-Ausbau.
Das habe ich hart kritisiert, woraus aber wiederum eine interessante Debatte entstanden ist. Die wesentlichen Argumente und meine Antworten:
Reiche argumentiert im Kern, private PV-Anlagen würden sich „schon heute im Markt“ rechnen „und bedürfen keiner Förderung“. Hat sie da nicht recht? Muss Solarenergie nicht wirtschaftlich sein – gerade wenn die Sonne keine Rechnung schickt? Ist die Einspeisevergütung noch zeitgemäß?
Reiche zeigt damit keine neue Perspektive für private Solaranlagen auf Dächern auf, sondern sie verkündet das Ende der Einspeisevergütung. Ihre Äußerungen verunsichern gerade kleine Investor*innen. Die Verunsicherung seit der Bundestagswahl zeigt schon Wirkungn (siehe Grafik oben).
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Argument 1: PV ist am Markt etabliert und braucht keine Förderung mehr.
Zunächst: Ja, Solarenergie ist längst wirtschaftlich.
Die Förderung ist die Krücke, weil kleine Solarproduzenten nicht im Energiemarkt operieren können.
Sobald ein sinnvoller und fairer Marktzugang ermöglicht wird, kann die Förderung auch abgeschafft werden. Aber erst dann.
Die Marktteilnahme scheitert schon an den technischen Voraussetzungen.
Noch immer haben wir in Deutschland kaum digitale Stromzähler. Ohne Smart Meter ist aber kein Zugang zum Strommarkt möglich. Als Sofortmaßnahme bräuchten wir – wie von vielen in der Branche lange gefordert – ein „Smart Meter light“.
Fairer Wettbewerb zwischen den Erneuerbaren und fossilen Energiequellen wie Gas, Öl und Kohle besteht trotzdem nicht. Denn die Klimaschäden der fossilen Energien sind nur zu einem Bruchteil durch Steuern und Emissionshandel eingepreist.
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Argument 2: Solarstrom ist „nichts wert“.
Ist der Solarstrom tatsächlich “nichts wert”?
Ist es nicht in Wirklichkeit so: Wir brauchen den Solarstrom, auch noch viel mehr davon. Doch der Wert wird im Börsenpreis nicht abgebildet, da der Strom nicht effektiv genutzt werden kann. Daran müssen wir arbeiten, nicht den Zubau ausbremsen.
Wir müssen die rasant wachsende Flotte der Elektroautos gezielt nutzen, um Spitzen der Solarenergie aufzunehmen. Schon heute stehen – gerade mittags – über 100 Gigawattstunden fahrende Speicher auf Deutschlands Straßen.
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Argument 3: Es braucht marktorientierte Regeln.
Zustimmung. Regeln, die anreizen, dass private PV Anlagen mit Speichern netzdienlich betrieben werden, wären wichtig. Aber Reiche ruft ja nur nach Abschaffung der Einspeisevergütung und bleibt echte Reformvorschläge schuldig.
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Argument 4: Mieter*innen und Geringverdiener*innen sind die Dummen.
Genau. Deswegen ist es überfällig, endlich die verbindlichen europäischen Regeln zum Energy Sharing umzusetzen. Österreich, Frankreich, Spanien sind da schon wesentlich weiter als wir. Dann profitieren auch Menschen in der Nachbarschaft ohne eigene PV-Anlagen.
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Argument 5: Reform der Einspeisevergütung notwendig.
Das wäre in der Tat wünschenswert. Aber genau diese Vorschläge bleibt Reiche ja schuldig.
Sie fordert den jetzigen Fördermechanismus abzuschaffen, ohne einen anderen attraktiven Investitionsrahmen für Bürger*innen mit PV vorzuschlagen, ihre Dächer zu nutzen.
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Argument 6: Offshore-Wind und Freiflächen-PV.
Beides sind sinnvolle und notwendige Teile der Energiewende, sie schaffen aber kaum lokale Wertschöpfung und ökonomische Teilhabe. Meine Formulierung war etwas flapsig. Mir ist eine Marktwirtschaft mit breit verteiltem Kapital lieber als eine mit konzentriertem.
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Argument 7: Lieber Freifläche als Aufdach-PV.
Die Aufdach-PV-Anlagen sind in der Investition teurer. Doch sie befeuern keinen Wettbewerb um knappen Boden. Wir brauchen den Boden für die Landwirtschaft und den Naturschutz. Daher ist Freiflächen-PV sinnvoll, doch sollten wir die Dächer nutzen.
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Argument 8: Zweiter Schritt vor dem ersten.
Genau. Klimaunion und 1KOMMA5 Grad-Gründer Philipp Schröder bringt es auf den Punkt: Reiches Kahlschlag ist der zweite Schritt vor dem ersten.
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Hier geht es zu meinem vorherigen Beitrag „Nutzen statt abwürgen! Wehrt Euch gegen Reiches Angriff auf die Erneuerbaren.“
Bitte helft Katherina Reiches Angriff auf private Solarenergie abzuwehren: Unterschreibt & verbreitet die Petition „Stoppt Reiches Angriff auf private Solaranlagen!“
Mit erneuerbaren grünen Grüßen
Sven Giegold