Sven Giegold

Was steht drin? – Die Studie zu Glyphosat und Honigbienen erklärt

Die am 24.9.2018 im Fachjournal PNAS veröffentlichte Studie “Glyphosate perturbs the gut microbiota of honey bees” (http://www.pnas.org/content/early/2018/09/18/1803880115) des Forscherteams um Erick Motta und Nancy Moran von der University of Texas at Austion (USA) hat weltweit große Beachtung gefunden. Denn sie zeigt zum ersten Mal, dass Glyphosat indirekt auch Honigbienen schädigt und anfälliger für Infektionen macht. Wir schauen uns hier die Studie genauer an und versuchen die Daten dadurch zugänglich für alle Interessierten zu machen.

Was ist bisher bekannt?

Das Breitband-Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat wirkt durch Hemmung des Enzyms EPSPS (5-enolpyruvylshikimate-3-phosphate synthase). EPSPS ist wichtiger Teil eines biochemischen Programms, dem “Shikimisäureweges” (engl. “shikimate pathway”). Mithilfe dieses Programmes stellen Pflanzen, aber auch die meisten Mikrooganismen, überlebenswichtige Stoffe wie u.a. Aminosäuren her. Ohne EPSPS ist das Programm unterbrochen, was häufig zum Absterben führt. Da fast alle Pflanzen auf EPSPS angewiesen sind, ist die Wirkung von Glyphosat so breit.

Da Tiere aber den Shikimisäureweg nicht besitzen, sondern essentielle Aminosäuren aus der Nahrung aufnehmen, wurde bisher meist argumentiert, Glyphosat sei ungefährlich für Tiere. Es gab nur wenige Belege zum Gegenteil, u.a. eine Studie zu Honigbienen, deren Navigationssinn durch Glyphosat gestört wurde (Balbuena, 2015, J Exp Biol).

In den letzten 10 Jahren wurde aber immer klarer, dass die Gesundheit von Tieren nicht nur von ihren eigenen Zellen abhängt, sondern auch von den Mikroorganismen, darunter viele Bakterien. Diese bewohnen große Bereiche des tierischen Körpers, u.a. die Haut und den Darm. Diesem so genannten Mikrobiom werden je nach Wirt immer mehr wichtige Funktionen zugeschrieben, u.a. als Teil des Immunsystems, des Hormonsystems und der Verarbeitung von Nährstoffen. Klar ist, dass ein intaktes Mikrobiom ein essentieller Teil viele Tiere (unter ihnen die Menschen) ist und eine Störung zu ernsthaften Konsequenzen für den Organismus führen kann.

Hier schließt sich der Kreis zu Glyphosat: Denn auch viele Bakterien sind auf EPSPS und den Shikimisäureweg angewiesen und sind daher anfällig für Glyphosat. Das ist auch Monsanto/Bayer schon lange bekannt. So hat Monsanto selbst hat die Anwendung von Glyphosat auf Bakterien schon 2003 patentieren lassen: https://patents.google.com/patent/US7771736. Welche Auswirkungen das auf das Mikrobiom und damit auf die Tiere hat, wurden aber bisher wenig erforscht, und bisher auch nicht in die Risikobewertung von Glyphosat mit einbezogen.

Auch für die Honigbienen ist das Mikrobiom lebenswichtig, denn bei einer Störung verlieren sie Gewicht, sind anfälliger für Infektionen und zeigen erhöhte Sterblichkeit.

Aus diesem gesammelten Vorwissen stellen die Forscherinnen und Forscher dann die Frage: Beeinflusst Glyphosat das Mikrobiom der Honigbienen, und wenn ja, was hat das für Auswirkungen?

 

Glyphosat verändert die Größe und Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms von erwachsenen Bienen

In ihrem ersten Versuch zeigen die Forscherinnen und Forscher, dass Glyphosat sowohl die Menge an Darmbakterien als auch die relative Zusammensetzung der acht Hauptarten verändert. Dazu entnahmen sie hunderte erwachsene Arbeiter Bienen aus dem Bienenstock und fütterten sie mit Syrup, der je nach Gruppe kein Glyphosat oder eine von zwei Konzentrationen von Glyphosat (5 mg/l (G-5) und 10 mg/l (G-10)) enthielten. Entscheidend ist, dass diese Konzentration in dem Bereich liegen, den Bienen auch realistischerweise im Freiland ausgesetzt werden könnten (1.4 – 7.6 mg/l; Herbert et al., 2014, J Exp Biol). Nach fünf Tagen im Labor wurden dann die markierten Bienen wieder in ihr alten Bienenstöcke zurückgegeben. Dann wurden von jeweils 15 Bienen die Menge und Zusammensetzung der Bakterien durch Analyse von Genen festgestellt, die wie ein Fingerabdruck funktionieren. Am Tag der Rückgabe zeigten sich schon bei G-10 Gruppe klare Unterschiede: Die Menge der Bakterien absolut nahm ab und die relative Zusammensetzung änderte sich statistisch eindeutig. Nach weiteren 3 Tagen im Bienenstock, waren ähnliche Veränderungen auch in der G-5-Gruppe zu sehen. Die Veränderungen in der G-10-Gruppe waren zu diesem Zeitpunkt überraschenderweise nun nicht mehr statistisch eindeutig. Warum genau das so ist, ist nicht ganz klar. Die Autor*innen vermuten aber, dass nach drei Tagen die Bienen in der G-10 Gruppe, also mit der hohen Glyphosat-Konzentration schon so geschwächt waren, dass sie starben oder nicht nach dem Futtersammeln zum Bienenstock zurückkehrten. Da sich die Bienenstöcke aber nicht lückenlos überwachen ließen, ist das schwer sicher festzustellen. Es scheint aber plausibel und würde eher zu einem unterschätzen Effekt von Glyphosat führen. Die Ergebnisse wurden auch durch Wiederholung mit einem anderen Bienenstock bestätigt.

 

Glyphosat beeinflusst die Besiedlung des Darms von neugeborenen Bienen

Wahrscheinlich auch weil das Experiment im Freiland die Probleme der nicht lückenlosen Überwachung der Bienen hatte, wiederholten sie die Analyse von Menge und Zusammensetzung mit jungen Arbeiterbienen (NEWs) unter kontrollierteren Laborbedingungen. Diese NEWs haben nach der Geburt erst einmal keine Darmbakterien. Im Labor gaben die Forscherinnen und Forscher diesen Bienen dann einen Cocktail aus ihren normalen Darmbakterien mit und ohne Glyphosat. Die Konzentration von Glyphosat ist demnach in etwa so hoch, wie in Bienenstöcken und Honig nachweisbar. Allerdings wird das aus der Studie nicht ganz klar, hier hätten die Autor*innen meiner Ansicht die Glyphosat-Mengen zwischen dem Freiland- und dem Labor-Versuch besser erklären sollen. Abgesehen davon, zeigen die NEWs aber nach 2 Tagen sehr ähnliche und statistisch eindeutige Veränderungen der Menge einzelner Bakterien und auch der Zusammensetzung des Mikrobioms. Auch eine Wiederholung des Experiments bestätigte diese.

 

Veränderungen im Mikrobiom machen jungen Bienen anfälliger für Infektionen

Nun stellte sich die Frage, was die Veränderung des Mikrobioms durch Glyphosat für die Gesundheit der Bienen bedeutet. Ein Model um das zu testen ist die Infektion mit einem so genannten opportunistischen Pathogen, hier dem Bakterium Serratia marcescens. Das findet sich normalerweise in geringen Mengen im Bienendarm und wird erst zum Problem, wenn sich z.B. durch die Störung des Immunsystems eine Gelegenheit (deswegen: opportunistisch) ergibt. Bei diesem zentralen Versuch der Studie wurden NEWs mit oder ohne Mikrobiom für 5 Tage der gleichen Menge Glyphosat wie im vorhergehenden Experiment ausgesetzt und dann mit Serratia infiziert und dann das Überleben für eine Woche beobachtet. NEWs, die nicht mit Serratia infiziert wurden, zeigten keine erhöhte Sterberate (ca. 80% überlebten), egal ob sie mit Glyphosat behandelt wurden, ein Mikrobiom besaßen oder beides. Das bestätigt auch die bisherigen Ergebnisse, dass Glyphosat direkt wenig Auswirkungen auf das Überleben (zumindest unter Laborbedingungen hat). Solche NEWs, die mit Serratia infiziert, aber nicht mit Glyphosat vorbehandelt wurden, starben häufiger (50% überlebten). Kombiniert man allerdings Glyphosat und Serratia überleben nur ca. 10%. Genausowenig überleben auch wenn man NEWs ganz ohne Mikrobiom mit Serratia infiziert. Das heißt: Ein intaktes Mikrobiom schützt die jungen Bienen vor einer Infektion mit Serratia. Wenn das Mikrobiom allerdings durch Glyphosat gestört ist (oder gar nicht vorhanden ist), entfällt dieser Schutz und nur wenige Bienen überleben unter diesen Bedingungen. Dieses Ergebnis bestätigten die Autor*innen auch mit zwei Wiederholungen. Für jede der Wiederholungen verwendeten sie zwischen 80-100 Bienen verteilt über drei Gruppen je Wiederholung (so genannte Triplikate)..

 

Weitere Experiment untersuchen den Mechanismus der Glyphosat-Wirkung auf das Mikrobiom

In einer Reihe von weiteren Experimenten untersuchen die Autor*innen dann die molekularen Ursachen für die Wirkung von Glyphosat auf das Mikrobiom, also warum z.B. manche der Bakterienspezies im Darm anfällig für Glyphosat sind und manche nicht. Sie zeigten durch Laborversuche mit den isolierten Bakterien, dass in manchen Bakterien die Unterschiede durch einen schon bekannten Mechanismus verursacht werden. Es gibt nämlich zwei EPSPS-Varianten, eine die von Glyphosat gehemmt werden kann und eine nicht. Je nachdem welche Variante die Bakterien besitzen, so unterschiedlich reagieren sie auf Glyphosat. Sie fanden aber auch Bakterienstämme, die trotz des Glyphosat-resistenten EPSPS anfällig sind, was auf noch unbekannte Resistenzmechanism hindeutet. Selbst innerhalb der gleichen Bakterienspezies, können Unterschiede auftreten. Insgesamt zeigten die Autor*innen damit die große Komplexität des Mikrobioms hinsichtlich der Zusammensetzung und der Eigenschaften wie der Glyphosat-Resistenz. Das kann auch erklären helfen, warum die Wirkung von Glyphosat auf das Bienen-Mikrobiom in den vorherigen Experiment eine große Variation an Effekten haben kann und stärkt damit die Beobachtungen, die sie in den Bienen-Experimenten gemacht haben.

Fazit und Bewertung

Die Studie zeigt zum ersten Mal, dass realistische Dosen von Glyphosat sich auf das Mikrobiom von Honigbienen auswirken und dass diese Veränderungen unter den Versuchsbedingungen im Labor dazu führt, dass Bienen anfälliger für eine bestimmte Art von Infektionen sind.

Wie jede Studie, beantwortet diese Studie auch nicht alle Fragen und wirft viele andere auf. Zum Beispiel kündigen die Autor*innen schon an, dass sie insbesondere die Versuche zu Infektionsanfälligkeit unter möglichst Freiland-Bedingungen wiederholen wollen. Solche Versuche sind allerdings äußerst aufwendig und kostspielig.

Hier sehen wir die Hersteller von Pestiziden in der Pflicht, die Mittel zu Verfügung zu stellen, damit unabhängige Forscher*innen diese Experimente durchführen können. Allerdings fordern wir als Grüne, dass die Hersteller dafür nicht direkt die Labors bezahlen, sondern in einen Topf einzahlen, über den sie selbst nicht verfügen können, sondern der durch die zuständingen EU-Behörden (wie die EFSA) verwaltet. Dadurch wird verhindert, dass die Hersteller mit dem Geld Druck auf die Forschenden ausüben.

Natürlich sollten diese Versuche schnell durchgeführt werden. Das heißt aber nicht, dass die vorliegende Studie nicht große Bedeutung hat. Sie macht deutlich, dass Glyphosat einen negativen Einfluß auf Bienen haben kann. Die Möglichkeit eines großen Risikos reicht gemäß des in der EU-geltenden Vorsorgeprinzips (engl. Precautionary Principle), die Verwendung grundsätzlich zu überdenken. Denn wenn Glyphosat wirklich zum Druck auf die Bienen-Population (und andere Bestäuber) beitragen sollte, könnten die Konsequenzen für die Landwirtschaft und die Versorgungssicherheit verheerend sein. Deswegen sollte vorsorglich, bis zur ausreichenden Klärung des Risikos, die Nutzung von Glyphosat weiter reduziert werden, und generell nicht in Heimgärten etc. verwendet werden. Das fordern wir mit unserer Petition (www.change.org/bienen).

Abschließend ist zu sagen, dass die Wirkung von Glyphosat auf das Mikrobiom auch in Säugetieren gezeigt wurde. Im Mai 2018 hat das „Global Glyphosate Study“-Projekt ihre ersten Ergebnisse aus Fütterungsversuchen mit geringen, realistischen Dosen veröffentlicht. Die Studien zeigen, dass selbst als sicher geltenden Dosen von glyphosat-haltigen Herbiziden etliche biologische Prozesse stören, unter anderem die Zusammensetzung des Mikrobioms, die Entwicklung der Reproduktionsorgane besonders bei weiblichen Tieren und Schäden der DNA, die zur Krebsentstehung führen können. Mehr Details finden sich hier: https://sven-giegold.de/glyphosat-ramazzini-studien/

 

Es wird also immer klarer, dass Glyphosat auch bei geringen Dosen, denen Menschen und Tiere aber durchaus ausgesetzt sein können, bisher unbekannte Effekte haben kann. Um gemäß des Vorsorgeprinzips weitere mögliche Schäden von Menschen und Tieren abzuwenden ist es deshalb umso wichtiger, dass jetzt die Ausstiegs- und Reduktionspläne des Bundeslandwirtschafts- und des Bundesumweltministeriums schnellstens umgesetzt werden.

 

Bitte unterschreibt deswegen auch unsere Petition www.change.org/bienen.

 

Dr. Maximilian Fries, 02.10.2018

Rubrik: Klima & Umwelt

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