Sven Giegold

Proteste gegen Bayer – Unabhängige, bürger-finanzierte Studien zeigen: “Sichere” Glyphosat-Dosen sind gesundheitsschädlich!

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

 

Heute demonstrieren wieder viele Menschen anlässlich der Jahreshauptversammlung von Bayer in Bonn. Bayer, Monsanto und BASF dominieren den Weltmarkt für Pestizide wie Glyphosat, Neonikotinoide und ihresgleichen. Die flächendeckende Nutzung dieser Gifte in der konventionellen Landwirtschaft wird für gesundheitliche Schäden an Mensch und Tier und nicht zuletzt auch für das massive Insektensterben verantwortlich gemacht. Dennoch versuchen diese Unternehmen alles, um schärfere Gesetze zu verhindern und behaupten, Glyphosat und Co. seien sicher.

 

Neue unabhängige Studien zeigen jedoch nun deutlicher als je zuvor, wie groß die Gefahren von Glyphosat für Säugetiere selbst bei als “sicher” geltenden Dosen ist. Diese Studien sind Teil der weltweiten “Global Glyphosate Study” koordiniert vom gemeinnützigen Forschungsinstitut Ramazzini, welches die Ergebnisse auf Einladung der Fraktion der Grünen/EFA letzte Woche im Europaparlament vorgestellt hat.

 

In diesen Studien haben Forscherinnen und Forscher aus Italien und den USA Ratten mit glyphosat-haltigen Pflanzenvernichtungsmittel gefüttert, und zwar mit einer täglichen Dosis relativ zum Körpergewicht, die von der US-Umweltbehörde als unbedenklich für Menschen eingestuft wird. Damit bestand dieser “Tierversuch” lediglich aus einer Fütterung mit Nahrungsmitteln, die für den menschlichen Verzehr zugelassen wären. Besonderen Fokus legten sie dabei auf die Auswirkung von Glyphosat in den frühen Phasen des Lebens. Dazu wurden schon die Mütter Glyphosat ausgesetzt und dann die Jungen bis 13 Wochen nach der Geburt beobachtet, was bei Menschen 18 Lebensjahren entspricht.

 

Die Resultate haben es in sich: Die Studien zeigen, dass selbst als sicher geltenden Dosen von glyphosat-haltigen Herbiziden etliche biologische Prozesse stören, unter anderem die Entwicklung der Reproduktionsorgane besonders bei weiblichen Tieren und Schäden der DNA, die zur Krebsentstehung führen können. Zudem zeigten die Forscherinnen und Forscher, dass Glyphosat die Zusammensetzung der Bakterien im Darm der Tiere erheblich verändert. Dieses sogenannte Mikrobiom ist von entscheidender Wichtigkeit für eine Vielzahl zentraler biologischer Prozesse. Die Störung des Mikrobioms ist als wichtiger Faktor für eine Reihe von Erkrankungen wie Darmkrebs, Fettleibigkeit, Alzheimer und entzündlichen Erkrankungen identifiziert.

 

Nicht nur die Ergebnisse lassen aufhorchen, die Studien sind auch aus einer Reihe von anderen Gründen besonders: Erstens sind sie die ersten Arbeiten zu Auswirkungen der Langzeitexposition über mehrere Generationen und bei Dosen, die auch im täglichen Leben vorkommen. Bisherige Studien haben die Effekte nur über einen kurzen Zeitraum erforscht. Zweitens unterstützen die Ergebnisse zur Störung des Reproduktionssystem die Vermutung, dass auch Glyphosat zu der Klasse der sogenannten “Endokrinen Disruptoren” zählt, die besonders gefährlich sind und zu deren Verringerung sich auch die EU-Kommission verpflichtet hat. Drittens gab es aufgrund der hohen Kosten bisher keine Langzeitstudien, die gänzlich unabhängig von der Finanzierung durch die Hersteller der Pestizide waren. Das Ramazzini Institut ist hingegen gemeinnützig und die 300.000 Euro Kosten für diese Studien wurden durch 30,000 Privatpersonen finanziert, die Mitglieder der Ramazzini-Genossenschaft sind. Viertens sind viele der von den Herstellern finanzierten Sicherheitsstudien von Glyphosat aus “kommerziellen Gründen” geheim gehalten und können nicht unabhängig überprüft werden. Die Ramazzini Studien sind öffentlich und für jede und jeden vollständig zugänglich.

 

Die drei vorgestellten Studien sind aber nur der Anfang. Um alle Aspekte der Gesundheitsgefährungen zu erforschen, sind weitere Studien geplant u.a. zu Auswirkungen auf das Nervensystem und der Krebsenstehung. Um die Gesamtkosten von 5 Million Euro aufzubringen, hat das Ramazzini Institut eine “Crowdfunding” Spenden-Kampagne gestartet. Die geplante Veröffentlichung der restlichen Studien ist das Jahr 2022, rechtzeitig zur Entscheidung der EU-Kommission zu einer weiteren Verlängerung der Zulassung von Glyphosat.

 

Doch die Daten zeigen schon jetzt: Glyphosat birgt große Risiken schon bei als sicher geltenen Dosen. Daher muss die EU-Kommission und die Bundesregierung das Vorsorgeprinzip jetzt endlich ernstnehmen und Glyphosat vom Markt und Acker holen. Deutschland muss dem Vorbild Frankreichs folgen, das innerhalb von drei Jahren Glyphosat-frei sein will. Die Bundesregierung und EU-Mitgliedsländer dürfen die europäische Agrarwende nicht weiter verschleppen. Diese Studien zeigen auch, dass wir ein anderes Zulassungssystem brauchen. Sicherheitsstudien sollten nur noch von öffentlichen und unabhängigen Instituten durchgeführt werden, finanziert aus einem Fond, in den die Hersteller einzahlen, über dessen Verwendung sie aber keine Kontrolle haben.

 

Mit freundlichen Grüßen aus Brüssel

Sven Giegold

 

P.S.: Vielen Dank an Maximilian Fries, Doktor der Medizinwissenschaften und Mitarbeiter in meinem Düsseldorfer Büro, der diese Information entworfen hat.

 

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Mehr Informationen zum Thema

 

Alle Informationen zur “Global Glyphosate Study” finden sich hier: https://glyphosatestudy.org/de/

 

Die Pressemitteilung zur Studienvorstellung findet sich hier (nur in Englisch verfügbar): https://glyphosatestudy.org/press-release/global-glyphosate-study-pilot-phase-shows-adverse-health-effects-at-safe-doses/

 

Die Petition mit meinem Kollegen Martin Häusling haben schon über 110.000 Menschen unterschrieben: https://www.change.org/p/bundesregierung-stoppen-wir-glyphosat-jetzt-in-deutschland-so-wie-in-frankreich-auch

 

Ein auführlicher Beitrag der deutschen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Gefahr von Pestiziden und Empfehlungen für das Zulassungsverfahren: http://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/der-stumme-fruehling-zur-notwendigkeit-eines-umweltvertraeglichen-pflanzenschutzes-2018/

 

Rubrik: Klima & Umwelt, Wirtschaft & Währung

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