Soeben, den 22. November, hat die europäische Steuerbeobachtungsstelle eine neue Studie zu Steuerdumping in der EU veröffentlicht. Immer mehr EU-Mitgliedstaaten buhlen um die Einkommensteuer von reichen Privatpersonen aus dem europäischen Ausland: Zwischen 1995 und heute hat sich die Anzahl besonderer Steuerregelungen für Superreiche und Rentner*innen mehr als verfünffacht, von 5 auf 28. Die schädlichsten Sonderregelungen haben laut der Studie Italien, Griechenland, Zypern und Portugal geschaffen. In Italien werder Auslandseinkommen für lange Zeit nur mit einer Pauschalsteuer belegt, um vermögende Rentner*innen anzulocken. Konservativen Schätzungen zufolge verursachen diese Vorzugsbehandlungen für Vermögende in der EU einen Steuerschaden von 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Laut den Studienautor*innen entspricht diese Summe dem Jahresbudget des Erasmus-Programms. Diese Steuerregelungen werden für eine wohlhabende Minderheit geschaffen: derzeit beläuft sich die Zahl der Profiteur*innen auf ca. 200 000, von manchen Vorzugsbehandlungen profitieren nur ein paar Hundert. Schon in 2019 hatte die grüne Fraktion eine Studie zum Thema vorgelegt und damit das Thema gesetzt.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“In Europa tobt ein ruinöser Steuerwettbewerb um die Hochvermögenden. Das Steuerdumping der Staaten hat sich damit von den Kapitaleinkommen nun auf die persönliche Einkommenssteuer von Vermögenden und Rentnern ausgeweitet. Wir erleben eine Monacoisierung Europas. Die Anzahl der Steuervermeidungsmodelle für Superreiche hat sich in den letzten Jahren mehr als verfünffacht. Steuerliche Extrawürste für wenige Superreichen gehen auf Kosten von 450 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürgern. Insbesondere Länder wie Deutschland, das sich nicht am Steuerwettlauf um Superreiche beteiligt, haben das Nachsehen. Die nationalen Abwehrmaßnahmen hat Deutschland mit der Wegzugsbesteuerung bereits auf vertretbarem Niveau getroffen. Europa sollte nicht nur bei Unternehmenssteuern, sondern auch bei Ausnahmen von der persönlichen Einkommensteuer den schädlichen Unterbietungswettbewerb stoppen. Wir brauchen einen neuen Geist der Steuerkooperation in Europa bei der Einkommenssteuer.
Um gegen die desaströsen Ausnahmeregeln anzugehen, brauchen wir eine Reform der Ratsgruppe Verhaltenskodex Steuern. Das Mandat der Ratsgruppe sollte dringend auf die Einkommensbesteuerung von Vermögenden ausgeweitet werden. Bislang fehlt es an europäischer Kooperation um dieser Art des Steuerschadens gemeinsam einen Riegel vorzuschieben. Die neue Studie zeigt, wie lohnenswert die Einrichtung der europäischen Steuerbeobachtungsstelle war. Die Einrichtung der Steuerbeobachtungsstelle geht auf eine grüne Initiative zurück.
Es ist skandalös, dass mehrere EU-Länder auf die Frage nach Daten gar nicht oder völlig unzureichend geantwortet haben. Zypern, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Malta und Portugal kooperierten nicht effektiv mit der EU Steuerbobachtungsstelle. Dagegen antworteten Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Irland, die Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien.”
Studie der europäischen Steuerbeobachtungsstelle: “New Forms of Tax Competition in the European Union: an Empirical Investigation” https://www.taxobservatory.eu/wp-content/uploads/2021/11/EUTAX-rapport-N3.pdf
Die europäische Beobachtungsstelle zur Steuerpolitik wurde im November 2020 gegründet: https://sven-giegold.de/europaeische-beobachtungsstelle-steuerpolitik/
Studie von 2019 zum Steuerdumping von Superreichen: “Competing for the rich” https://sven-giegold.de/steuerdumping-superreiche-beenden/
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