Sven Giegold

Bernd Lange und die SPD stimmten für private Schiedsgerichte in TTIP

Auf unseren Blog-Eintrag hin haben Sozialdemokraten Sven Giegold angegriffen, er würde die Unwahrheit sagen. Auf Kritik nicht zuletzt von Bernd Lange, dem Berichterstatter im Europaparlament für die Position zu TTIP, antwortet Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament:

 

Bernd Lange schreibt: „Private Schiedsstellen (ISDS) sind für mich, wie ihr wisst, nicht akzeptabel. Deswegen hab ich mit aller Kraft versucht, diese aus dem Papier zu bekommen. Der Beschluss des Handelsausschusses hat inhaltlich eine klare Absage erteilt. Im angenommenen Kompromissantrag soll der Schutz von Investitionen zunächst Aufgabe der nationalen Gerichtsbarkeit bleiben.“

 

SPD unterstützt das Malmström-Papier für ein „legitimeres ISDS System“

Der Handelsausschuss hat mit SPD-Stimmen Investorenschutz durch Privatgerichte (ISDS) KEINE klare Absage erteilt, sondern unterstützt. Der von SPD/S&D unterstützte Beschluss des Ausschusses: fordert „To build on the concept paper recently presented by Commissioner Malmström to INTA Committee on May 7 and the ongoing discussions in the Trade Ministers’ Council and to use them as a basis for negotiations on a new and effective system of investment protection, as they provide very welcome proposals for reform and improvement“

Im Malmström-Papier, das unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/may/tradoc_153408.PDF zu finden ist, heißt es auf Seite 3/4: „The following sections of this paper set out such concrete ideas on the four areas where improvements could be made. (…) They contain new proposals on the functioning of the ISDS system.“ Auf Seite 6 sagt die Zwischenüberschrift ganz explizit: „II. IMPROVING THE ESTABLISHMENT AND FUNCTIONING OF ARBITRAL TRIBUNALS IN ORDER TO INCREASE LEGITIMACY OF THE ISDS SYSTEM“

 

SPD stimmte für private Schiedsgerichte statt öffentlichen Gerichten

In rechtlicher Fachsprache meint „arbitration“ durch „arbitrators“ private Schiedsgerichte im Gegensatz zum Handeln von „judges“, die gemeinhin öffentlich angestellt sind. Sozialdemokraten drängen öffentlich und auf der Arbeitsebene durchaus hin zu „judges“ statt „arbitrators“. Der Vorschlag von Malmström, den die SPD im Ausschuss als Grundlage des weiteren Handelns unterstützt, spricht aber für die nähere Zukunft weiterhin von „arbitrators“, will also private Schiedsgerichte fortsetzen. So heißt es auf Seite 7 oben: “The EU proposal should include: A requirement that all arbitrators are chosen from a roster pre-established by the Parties to the Agreement (they could then be chosen either by lot or by choice of the disputing parties).” Die Auswahl der Rechtsanwälte soll zwar an sinnvollere Kriterien gebunden werden, am Prinzip Rechtsanwälte mit möglichen Interessenskonflikten statt unabhäniger Richter im Gemeinwohlauftrag ändert sich aber nichts.

 

SPD stimmte für Ansprüche von Investoren auf in der Zukunft mögliche entgangene Gewinne

ISDS gibt Investoren auch Ansprüche, die eine normale Eigentumsgarantie deutlich übersteigen. Zu Recht haben Investoren ein Recht auf Entschädigung bei Enteignung. Durch ISDS soll aber ein zusätzlicher “indirekter Eigentumsschutz” für ausländische Investoren geschaffen werden, mit dem Investoren auch Milliarden vom Staat einklagen können, wenn durch ein neues Gesetz mögliche Gewinne in der Zukunft nicht mehr erzielen können. Darauf beruht etwas die Klage von Vattenfall gegen den Atomausstieg auf Grundlage der Energiecharta, die bereits eine ISDS-Klausel enthält. Auf Seite 7 im Malmström-Papier heißt es: „In these agreements, the EU has: Clarified and improved the drafting of standards of protection (…). Notably: (…) b) the notion of “indirect expropriation” has been explained in an annex which clarifies that for indirect expropriation to occur there must be a substantial taking away from the investor of the attributes of property“. Das zusätzliche Eigentumsrecht an zukünftigen Gewinnen soll also mit kleinen Einschränkungen durch TTIP weiterhin auf alle ausländischen Investoren ausgeweitet werden.

 

Pro-TTIP-Beschluss im Handelsausschuss wichtiger als NEIN zu ISDS

Ich unterstelle nicht, dass die Sozialdemokraten im Europaparlament oder gar Bernd Lange selbst für ISDS sind. Aber sie konnten ein klares Nein zu ISDS in den Verhandlungen gegen Konservative, Liberale und Rechtskonservative nicht durchsetzen. Ihnen war wichtiger einen Beschlussentwurf des Handelsausschusses zu erreichen, der TTIP grundsätzlich begrüßt, statt durch einen abgelehnten Bericht ein klares Signal gegen ISDS zu setzen.

 

Grüne wollen eine klare Ablehnung von ISDS im Plenum des Europaparlaments nächste Woche

Nächste Woche, wahrscheinlich am Mittwoch, 10. Juni, stimmt das Europaparlament im Plenum über den problematischen Entwurf des Handelsausschusses ab. Bernd Lange schreibt selbst: “Ich werde versuchen, zum Plenum am 10. Juni einen neuen Anlauf zu nehmen.” Wir beantragen erneut die klare Ablehnung von ISDS. Dabei hoffen wir diesmal auf die Unterstützung auch der Sozialdemokraten und anderer Abgeordneter, damit das Europaparlament klar NEIN zu ISDS sagt.