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Liebe Freundinnen und Freunde,
endlich gibt es wieder etwas politisch Erfreuliches: Gerade eben hat die EU-Kommission wegweisende Maßnahmen gegen den massenhaften Paketimport von giftigen, unsicheren oder gefälschten Gütern nach Europa auf den Weg gebracht. Dafür hatte ich mich für das BMWK viele Monate in Brüssel eingesetzt. Jetzt kommen die Maßnahmen. Die Mitteilung der EU-Kommission ‘A Comprehensive EU Toolbox for Safe and Sustainable E-Commerce‘ spricht alle wichtigen Themen an, die wir auch im BMWK-Aktionsplan E-Commerce vorgesehen hatten.
Damit schiebt die EU rechtswidrigen Billigimporten aus China via Temu, Shein & Co endlich den Riegel vor.
Denn: Europa sieht sich gemeinsam einer regelrechten Paketschwemme ausgesetzt. 4,6 Milliarden Pakete und Päckchen wurden zu über 90% direkt aus China an europäische Verbraucher*innen geschickt. 12 Millionen am Tag! 2022 waren es “nur” 1,4 Milliarden. Händler wie Temu und Shein ermöglichen vor allem chinesischen Herstellern Güter direkt an europäische Verbraucher*innen zu liefern, auch wenn diese Güter europäischen Normen nicht entsprechen – etwa weil sie verbotene giftige Substanzen enthalten, technisch unsicher oder gefährlich oder Fälschungen sind. Sie nutzen dabei auch die EU-Zollfreigrenze von 150 Euro, die Sendung bis zu einem deklarierten Wert von 150 Euro von Zollzahlungen ausnimmt.
Damit kommt es zu einem massiven unfairen Wettbewerb zwischen traditionellen Händlern und Online-Marktplätzen, die ihre Produkte prüfen und sich an Recht und Gesetz halten sowie jenen, die das nicht tun. Außerdem kommt es zu einem unfairen Wettbewerb für die heimische Industrie. Hersteller von Konsumgütern, die europäische Standards etwa im Verbraucher- und Umweltschutz einhalten, haben einen massiven Wettbewerbsnachteil, weil der Verkauf rechtswidrigen Produkten millionenfach folgenlos bleibt. Von einer sozialen digitalen Marktwirtschaft sind wir weit entfernt. Wichtig ist mir dabei:
Natürlich sollen europäische Verbraucher*innen weiter vom fairen Wettbewerb und günstigen Preisen profitieren.
Natürlich dürfen auch chinesische Online-Händler in die EU liefern. Nur muss im europäischen Binnenmarkt gleiches Recht für alle gelten.
Die EU-Kommission will nun:
- Die EU Zollfreigrenze von 150 Euro aufheben und mit den Mitgliedsstaaten eine Paketgebühr einführen, um damit die Überwachung von massenhaft importierten Gütern besser sicherstellen zu können.
- Mit vielen sinnvollen Maßnahmen es für die Marktüberwachungsbehörden leichter und digitaler machen, die importierten Pakete zu kontrollieren
- Die Marktüberwachungsbehörden so koordinieren, dass sie gemeinsam effektiver kontrollieren können.
- Sie will damit die Probleme der sehr ungleichen Rechtsdurchsetzung im EU-Binnenmarkt zumindest in diesem Bereich durchbrechen, die all zu oft fairen und freien Wettbewerb im gemeinsamen Markt behindert.
- Die Chancen der EU Ökodesignregeln (“ESPR”) für heimische Hersteller und fairen Wettbewerb ebenso nutzen wie der Kreislaufwirtschaft.
Die EU-Kommission betont auch das Digitale-Dienste-Gesetz der EU (“DSA”), das die großen Online-Marktplätze zur Einhaltung von geltenden Regeln verpflichtet. Es ist gut, dass sie besonders die besonderen Pflichten der sehr großen Online-Marktplätze mit mehr als 45 Millionen Kund*innen scharf stellen will. Ebenso erfreulich ist, das Bekenntnis als EU selbst Marktüberwachungsdaten zu erheben, die die Voraussetzung für den Nachweis systematischen und anhaltenden Rechtsverstoßes sind.
Allerdings betont die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zu wenig, dass die sehr großen Online-Marktplätze, die ihre Pakete aus Lagern in der EU an europäische Verbraucher*innen versenden, auch große Probleme in Punkt fairem Wettbewerb haben. So zahlt etwa Amazon auf die in der EU erwirtschafteten Gewinne immer noch unfair niedrige Steuern.
Auf einen neuen Anlauf für die EU-Digitalkonzernsteuer als Ausgleich verzichtet die EU-Kommission leider. Ich finde: Das sollten wir ändern -gerade in Zeiten von Trump!
Auch auf den sehr großen Online-Marktplätzen mit Lagern in der EU gehandelten Produkten entsprechen immer wieder nicht den europäischen Produktstandards. Eine Haftung der Plattformen gibt es bisher nicht. Diese wichtige Seite des unfairen Wettbewerbs kommt in der Mitteilung der Kommission zu kurz. Gegen dauerhafte Verstöße gegen europäische Regeln auf sehr großen Online-Plattformen, die ihre Lager in der EU haben, will die EU-Kommission aber nichts weiter unternehmen. Ebenso fehlt ein klares Bekenntnis der EU-Kommission systematische Verletzungen von Verpflichtungen aus dem DSA bei den sehr großen Online-Marktplätzen zügig zu erfassen und auch wie im DSA vorgesehen mit empfindlichen Strafen zu belegen, falls sie nicht anders abgestellt werden können. Bis zu 6% des Weltumsatzes sind als Strafe möglich.
Wie auch beim jüngst veröffentlichten Wettbewerbsfähigkeits-Kompass der EU-Kommission gilt: Der europäische Binnenmarkt wird nur dann gut funktionieren und fair sein, wenn millionenfache Verstöße gegen seine Rechtsgrundlagen gerade über sehr große Plattformen nicht länger folgenlos bleiben.
Auch hier brauchen wir sozial-ökologische Marktwirtschaft statt Wildwestmethoden.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Mitteilung. Die monatelangen Arbeiten des BMWK für faire Regeln für den lokal verwurzelten Einzelhandel im scharfen Wettbewerb mit globalen Konzernen haben in Brüssel Früchte getragen. Viele unserer Ideen finden sich im Aktionsplan wieder. Wir haben da wirklich etwas erreicht! Aber natürlich erkennt man auch hier: Wenn es um sehr viel Geld geht, wird hart gekämpft und nicht alle wollen gerne ihre Vorteile durch unfairen Wettbewerb einfach hergeben.
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Mit erfreuten europäischen Grüßen
Sven Giegold
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Zur Mitteilung der EU-Kommission (Einführung Deutsch):
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_410
Zum Aktionsplan E-commerce der deutschen Bundesregierung: