Sven Giegold

Ungarn: Nicht länger die Augen vor der Gefahr für die Freiheit verschließen

Gestern hat das Europäische Parlament zum ersten Mal einen Bericht vorgelegt, um dem Rat formell ein Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag wegen Verletzung der europäischen Werte durch einen Mitgliedstaat vorzuschlagen. Die Grüne Berichterstatterin des Parlaments Judith Sargentini aus den Niederlanden belegt die Empfehlung, ein Verfahren gegen die ungarische Regierung von Viktor Orbán einzuleiten, mit Veröffentlichungen internationaler Organisationen und Gerichten. Die wichtigsten Vorwürfe betreffen die Einschränkungen der Gewaltenteilung, vor allem des Verfassungsgerichts, mangelhafte Transparenz der Parteien- und Wahlkampffinanzierung, Einschränkungen der Medienfreiheit und der Redefreiheit. So darf das Verfassungsgericht nicht mehr die inhaltliche, sondern nur noch die prozedurale Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen prüfen, sich nicht mehr auf Fälle vor 2012 beziehen und die Wahl von Verfassungsrichtern wird deutlich stärker durch die Regierung kontrolliert. Die Freiheit von Medien und der freien Rede wird durch exzessive Definitionen illegaler Inhalte, Verleumdung, Zwang zur Veröffentlichung von Quellen sowie die hohe Konzentration des Besitzes an Medienunternehmen eingeschränkt.

Die Entschließung wird nun zwischen den Fraktionen verhandelt und schließlich im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) und dann im Plenum abgestimmt. Wenn das Parlament das vorgeschlagene Artikel 7 Verfahren beschließt, geht es deutlich über seine bisherige Position hinaus, lediglich eine Gefahr für die Demokratie in Ungarn zu kritisieren. Danach muss der Rat der Mitgliedstaaten entscheiden, ob er der Empfehlung des Europaparlaments zur Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 7 EU-Vertrag folgt. Das Verfahren kann bis zum Entzug des Stimmrechts Ungarns im Rat führen. Vor allem jedoch führt alleine das öffentliche Verfahren nach Artikel 7 zu großer Aufmerksamkeit für die Grundrechtsverletzungen in Ungarn. Die EU-Kommission prüft außerdem folgen für den Bezug von EU-Fördermitteln.

Dazu sagt der Sprecher der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Jetzt kann man schwarz auf weiß nachlesen, welchen Demokratieverächter CSU-Politiker wie Dobrindt und Seehofer beklatschen. Orbán baut in Ungarn systematisch die Demokratie ab. Viktor Orbans Fidesz-Partei sichert Christdemokratische Mehrheiten in EU-Parlament und Rat auf Kosten der von ihm um demokratische Freiheit betrogenen ungarischen EU-Bürger. Mit der Lobhudelei der CSU und dem Schweigen von Merkel gegenüber Orbán muss jetzt Schluss sein. Wir können nicht einfach dabei zu sehen, wie sich ein EU-Mitglied von der Demokratie verabschiedet. Durch Eröffnung eines Verfahrens nach Artikel 7 können wir der kritischen Öffentlichkeit in Ungarn helfen gegen den Abbau von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit vorzugehen.”

Den Bericht zum Nachlesen auf Englisch (die deutsche Version befindet sich noch in Übersetzung):

http://www.europarl.europa.eu/resources/library/media/20180411RES01553/20180411RES01553.pdf

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