Sven Giegold

Union verhindert effektives Gesetz gegen aggressive Steuervermeidung mit Immobilien

Bild zum Thema Wohnen mit vielen Balkonen von robertprax veröffentlicht auf pixabay.com

Liebe Freundinnen und Freunde,

liebe Interessierte,

der Bundestag entscheidet heute (21. Mai) über einen Gesetzentwurf, der aggressiver Steuervermeidung von Unternehmen einen Riegel vorschieben soll. Im Vorfeld der Beratungen im Bundestag hatte der Bundesrat die Bundesregierung per Beschluss aufgefordert, den Gesetzentwurf zu überarbeiten. Der Bundesrat verlangte Nachbesserungen, um bestehende Schlupflöcher für Unternehmen endlich zu schließen. Denn Deutschland verliert über 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen pro Jahr durch die Steuervermeidungspraktiken von multinationalen Unternehmen, wie das Tax Justice Network (TJN) errechnet hat. Besonders Immobilienunternehmen in Deutschland verschieben mit firmeninternen Krediten mit überhöhten Zinsen Gewinne zu ihren Schwestergesellschaften in Luxemburg, um sie in Steueroasen weiter zu buchen, wo extrem niedrige Steuersätze gelten. Während hierzulande Mieter*innen steigenden Mietpreisen meist schutzlos ausgeliefert sind, drücken sich diese Immobilienunternehmen darum, ihre steigenden Gewinne in Deutschland zu versteuern. Diese Steuertricksereien hätten mit den geforderten Nachbesserungen des Bundesrats beendet werden können, aber am Mittwoch (19. Mai) stimmte der Finanzausschuss des Bundestages für die entschärfte Version der Bundesregierung. Dieser abgeschwächte Gesetzestext wird dem Bundestag heute zum Beschluss vorgelegt.

Was ist das Problem? Derzeit können Unternehmen über die Vergabe von internen Krediten mit unverhältnismäßig hohen Zinsen ihre Gewinne in ein anderes Land verschieben. Dort werden dann weniger Steuern fällig. Die Steueroasen, die für mehr als 50 Prozent der verlorenen Unternehmenssteuereinnahmen in Deutschland verantwortlich sind, sind die Niederlande, Luxemburg und die USA (laut TJN, Link siehe unten). Während multinationale Unternehmen sich so vor eigentlich fälligen Steuern drücken können, haben heimische kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland das Nachsehen: Sie haben keine ausländischen Gesellschaften und zahlen ihre Steuern meist ordentlich in Deutschland, wodurch sie eine höhere Steuerlast haben als die Unternehmen mit Präsenz in den Steueroasen, mit denen sie konkurrieren müssen. Dadurch entstehen unfaire Wettbewerbsbedingungen zwischen Unternehmen unterschiedlicher Größe.

Der Gesetzgeber kann das Verschieben von Unternehmensgewinnen über interne Kredite verhindern, indem er die Rechtmäßigkeit der Vergabe eines solchen Unternehmenskredits an eine deutsche Gesellschaft an eine entscheidende Bedingung knüpft: Der vereinbarte Zinssatz für den internen Kredit darf nicht über dem marktüblichen Niveau liegen. Anders gesagt: wenn eine deutsche Gesellschaft einen internen Kredit mit einem Zinssatz von 4 Prozent aufnimmt, sie einen solchen Kredit aber von einer Bank mit einem Zinssatz von 1,3 Prozent (je nach Risiko) gewährt bekommen hätte, dann kann man davon ausgehen, dass mit diesem überhöhten Zinssatz Gewinne verschoben werden. Dieser Praxis kann mit dieser Bedingung ein Riegel vorgeschoben werden. Frankreich hat das zum Beispiel schon auf ähnliche Art und Weise vorgemacht.

Der Gesetzentwurf gegen die Verschiebung von Unternehmensgewinnen in Steueroasen, den der Bundesrat für unzureichend befunden hat, geht auf eine Gesetzesinitiative des Bundesfinanzministeriums Ende 2019 zurück. Diese Gesetzesinitiative sah unter anderem die Einführung solch einer Bedingung für interne Unternehmenskredite vor. Der Vorschlag des Finanzministeriums wurde von der CDU/CSU zuerst lange blockiert und dann stark abgeschwächt, bevor er im Regierungskabinett beschlossen wurde. Alleine die Verzögerung durch die CDU/CSU hat den deutschen Staat mindestens hohe dreistellige Millionenbeträge gekostet. Der Bundesrat forderte postwendend, die Änderungen rückgängig zu machen und die ursprünglichen Vorgaben des Finanzministeriums wiederherzustellen. In seiner Begründung mahnt der Bundesrat an, dass diese Ergänzungen nötig sind, um wichtige Aktionspunkte der OECD für mehr Steuergerechtigkeit umzusetzen. Die OECD hat bereits 2017 sogenannte Verrechnungspreisrichtlinien verabschiedet. Denn solche unternehmensinternen Kredite werden gezielt zur “Verrechnung” und damit Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen genutzt. Damit diese OECD-Leitlinien für deutsche Gerichte bindend werden, muss der Gesetzgeber diese in deutschen Recht verankern. Angesichts der leerer Kassen in der Coronakrise ist es nicht nachvollziehbar, dass die Union nach Druck von Lobbyist*innen verhindert.

Wie geht es jetzt weiter? Jetzt liegt es am Bundesrat, ob er das abgeschwächte Gesetz annimmt. Dies ist eine schwierige Entscheidung, denn das Gesetzespaket enthält auch die Umsetzung der EU-Steuervermeidungsrichtlinie II. Diese Umsetzung ist wichtig gegen andere aggressive Steuermodelle.

Die deutsche Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestags lässt heute eine Chance für mehr Steuergerechtigkeit bewusst verstreichen. Es ist bedauerlich, dass die SPD sich mit ihrer guten Initiative nicht durchsetzen konnte. Warum die CDU/CSU ihre schützende Hand über die Steueroasen-Deals in der Immobilienbranche hält, während die öffentlichen Kassen leer sind, ist mir unbegreiflich. Damit straft die CDU/CSU ihr so oft betontes Interesse an soliden Staatsfinanzen Lügen. Wir können es uns nicht länger leisten, der aggressiven Steuervermeidung keinen Riegel vorzuschieben. Die Leitlinien der OECD liegen seit 2017 vor, die Zeit für Ausreden ist vorbei.

Mit entschlossenen europäischen Grüßen

Sven Giegold

Hier unsere Studie vom September 2020 zur Steuervermeidung von Immobilieninvestoren über Luxemburg, um die es hier u.a. geht: https://sven-giegold.de/studie-steuervermeidung-immobilien/

Hier der Link zum Entwurf des Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz, inklusive Stellungsnahme des Bundesrats und Gegenäußerung der Bundesregierung: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/276/1927634.pdf

Beschlussempfehlung des Finanzausschusses: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/298/1929848.pdf

Die Stellungnahme des Netzwerks Steuergerechtigkeit zu diesem Gesetzentwurf ist hier einsehbar: https://www.netzwerk-steuergerechtigkeit.de/wp-content/uploads/2021/04/21.04.13_Netzwerk-Steuergerechtigkeit_AbzEntModG.pdf

Die Rechercheergebnisse des Tax Justice Network speziell für Deutschland sind hier einsehbar: Illicit Financial Flows Vulnerability Tracker (taxjustice.net)

Zwei Artikel des Redaktionsnetzwerk Deutschland zu diesen Vorgängen: https://www.rnd.de/wirtschaft/luckenhaftes-gesetz-gegen-steuerflucht-landesregierungen-fordern-nachbesserungen-DWYEIVIIENCI5GUWJ2AZAFCA44.html

https://www.rnd.de/wirtschaft/steuervermeidung-deutschland-beschliesst-entschaerfte-version-VPS3AGHN6RHDHKO5XLHGK67OFY.html

P.S.: Eil-Petition: “Rettet den Europäischen Green Deal” – Das Jahrhundertprojekt des Green Deals droht zu scheitern. Denn EU-Staaten und allen voran die deutsche Bundesregierung blockieren jede Ambition beim Klimaschutz. Aber noch haben wir gemeinsam die Chance den Green Deal zu retten. Helft mit Eurer Unterschrift und ladet andere dazu ein: www.change.org/save-the-green-deal

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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