Sven Giegold

Update zu meiner Beschwerde bei der EU-Kommission vom 15.05.2025

Liebe Freundinnen und Freunde,

Liebe Interessierte,

am 15.05. habe ich Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht – mehr dazu könnt ihr in meinem letzten Beitrag lesen.

Heute habe ich einen Nachtrag dazu bei der EU-Kommission eingereicht. In der Weisung vom 07. Mai 2025 nimmt Bundesinnenminister Dobrindt eine frühere europarechtskonforme Weisung zurück. Stattdessen weist er – europarechtswidrig – an, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden ohne ein Verfahren zur Feststellung der Zuständigkeit für das jeweilige Asylverfahren möglich ist.

Inzwischen stellte das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Beschluss vom 02. Juni 2025 fest, dass die in Dobrindts Weisung wieder in Kraft gesetzte Regelung nach Paragraph 18 Abs. 2 Nr. 1 AsylG vom Europarecht verdrängt wurde und daher nicht anwendbar ist.

Trotz dieser eindeutigen rechtlichen Einschätzung hält die Bundesregierung weiterhin an ihrem rechtswidrigen Vorgehen fest. Dies zeigen unter anderem öffentliche Äußerungen führender Regierungsmitglieder, insbesondere von Bundeskanzler Friedrich Merz und Innenminister Alexander Dobrindt. Die Bundesregierung offenbart damit einen eklatanten Mangel an Bereitschaft, ihren europarechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Auch Paragraph 72 AEUV kann eine Abweichung vom EU-Asylverfahrensrecht offensichtlich nicht stützen. Bundesinnenminister Dobrindt beruft sich in einem Wortlautinterview im Hamburger Abendblatt vom 6. Juni 2025 auf genau diesen Paragraphen. Im selben Interview gibt der Minister an, dass seit dem 8. Mai 2025 lediglich 160 Personen an den deutschen Grenzen zurückgewiesen wurden, die Asyl begehrt hatten. Diese kleine Zahl von Zurückgewiesenen angesichts einer insgesamt sinkenden Zahl von Asylbewerber*innen in Deutschland zeigt, dass es in der Substanz um symbolische Politik und nicht um die Reaktion auf einen Notstand geht. Diese symbolische Politik geht jedoch mit hohen symbolischen Kosten für den Vorrang des Europarechts einher. Denn der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 26. Juli 2017 (C-646/16) §72 AEUV selbst im Falle einer Massenzuwanderung keine hinreichende Begründung zur Abweichung von den EU-Asylverfahrenszuständigkeiten gesehen.

Als Hüterin der Verträge ist die Europäische Kommission in diesem Falle in einer besonderen Verantwortung. Wenn die Regierung des größten Mitgliedstaates Europarecht auch nach einem unanfechtbaren Gerichtsurteil fortgesetzt in immer neuen Einzelfällen bricht, sollte die EU-Kommission nun unverzüglich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einleiten. Weiteres Zögern ließe die europäische Rechtsordnung weiteren Schaden nehmen.

————————————————————

Die Weisung von Dobrindt vom 07. Mai 2025 ist hier zu finden.

Der Beschluss vom 02. Juni 2025 ist hier zu finden.

————————————————————

Mit europäischen Grüßen

Sven Giegold

Rubrik: Politik

Bitte teilen!