Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat heute ein Gutachten zu nachhaltigen Geldanlagen vorgelegt. Der Verband warnt, dass viele Anbieter den Anlegern Versprechen machen, die sie nicht halten können. Viele Verbraucher würden die Wirkung ihrer Investments überschätzen. Die Politik solle deshalb sicherstellen, dass nur Anlagen, die einen “messbaren Beitrag zu Nachhaltigkeitszielen leisten”, als nachhaltig beworben werden dürfen.
Die Studienautoren untersuchten, welche Wirkung Geldanlagen, die als nachhaltig beworben werden, tatsächlich haben. Sie identifizieren drei Kanäle, über die ein solcher „Impact“ stattfinden kann. Im ausgeprägtesten Fall sorgt eine nachhaltige Geldanlage dafür, dass sich die gesamte Ausrichtung eines Unternehmens mehr in Richtung Nachhaltigkeit bewegt. Im zweiten Fall finanziert die Anlage zumindest nachhaltige Realinvestitionen, die andernfalls nicht stattgefunden hätten. Im schwächsten Fall bewirkt die Anlage keine zusätzlichen Investitionen, hat aber einen indirekten Impact, weil die Anleger*innen etwas über die Nachhaltigkeitsprofile von Unternehmen erfahren und dies fortan zum Beispiel bei Konsumentscheidungen berücksichtigen. Nach Einschätzung der Studienautoren haben als nachhaltig beworbene Investments bisher kaum oder kaum belegbar einen Impact aus den beiden erstgenannten Kategorien. Aktuelle Angebote, die mit einem direkten Impact werben, seien deshalb generell kritisch zu sehen. Auch gebe es im Verbraucherbereich nur bedingt Potentiale für einen zukünftigen Ausbau.
Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:
“Die Studie des vzbv unterschätzt die Wirksamkeit von nachhaltigen Geldanlagen. Die Verbraucherschutzorganisation stößt eine wichtige Debatte an, was nachhaltige Investments tatsächlich bewirken. Leider ignoriert die heute vorgestellte Studie jedoch den wichtigsten Wirkungskanal nachhaltiger Geldanlagen völlig. Die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen schafft einen Markt für mehr Nachhaltigkeitstransparenz. Die Anleger fördern damit insbesondere die Erstellung von ESG-Ratings. Professionelle Akteure werden also dafür bezahlt, Unternehmen auf ihre Nachhaltigkeit hin abzuklopfen. Ohne nachhaltige Investments gäbe es viel weniger ESG-Ratings und damit weniger Druck auf Unternehmen nachhaltiger zu wirtschaften.
Bisher interessierten sich die Finanzmärkte viel zu wenig für das Nachhaltigkeitsprofil von Unternehmen. Angesichts des rasant voranschreitenden Klimawandels und der dringend benötigten Anpassung unserer Art zu wirtschaftenden, ist das auch eine Bedrohung für die Finanzstabilität. Flächendeckende und verlässliche ESG-Ratings können starke Signalwirkung haben. Das erhöht mittelfristig den Druck auf Unternehmen, mit der ökologischen und sozialen Modernisierung ihrer Geschäftsmodelle ernst zu machen.
Natürlich dürfen Anleger nicht getäuscht werden. Es ist zu begrüßen, dass die Verbraucherzentralen gegen irreführende Angebote vorgehen. Bei der Nachhaltigkeitstransparenz gibt es noch immer große Baustellen. Darauf weist die Studie zurecht hin. Ratingfirmen sind in ihrer Arbeit auf die Offenlegung von Daten durch die Unternehmen angewiesen. Im Sommer steht in der EU die Überarbeitung der Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung an. Hier werde ich mich für sehr viel weitreichendere Offenlegungspflichten für die Unternehmen einsetzen. Außerdem ist die Arbeit der Firmen, die ESG-Ratings erstellen, bisher wenig reguliert und harmonisiert. Mindeststandards und eine Überwachung durch die ESMA könnten helfen, den Markt weiter zu professionalisieren. Mit der EU-Taxonomie steht in Zukunft auch ein objektiver und einheitlicher Kriterienkatalog für nachhaltiges Wirtschaften bereit. Das wird für mehr Vergleichbarkeit sorgen. Entscheidend ist jedoch, dass die EU nicht vor den vielfältigen Lobbyinteressen einknickt, die gerne eine weichgespülte Taxonomie hätten. Wir brauchen einen Goldstandard für echte Nachhaltigkeit nach wissenschaftlichen Kriterien. Zudem: Momentan beschränkt sich das EU-Rahmenwerk noch auf Umweltaspekte. Das “Social” und “Governance” in ESG fehlen bisher. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass wir die Regeln schnell auch auf soziale Aspekte und die Unternehmensführung ausdehnen.
Auch wenn es kontraintuitiv klingt: Bei nachhaltigen Anlagen geht es nicht in erster Linie um die Finanzierung von nachhaltigen Investitionen. Finanzierungskapital gibt es in jedem Fall genug. Das nächste Windrad wird auch ohne Sustainable Finance gebaut. Einen realen Unterschied könnte nur bewirken, wer auf Rendite verzichtet oder besondere Risiken eingeht. Darauf weisen auch die Studienautoren hin. Allerdings besteht die Gefahr, die Wirkung von Geldanlagen grundsätzlich zu überschätzen. Es ist illusorisch, zu glauben, man müsse nur Portfolien umschichten, um das Klima zu retten und nebenbei auch noch reich zu werden. Anlageentscheidungen können positive Effekte haben. Für den fundamentalen Umbau unserer Wirtschaftsweise wird dies aber nicht ausreichen.”
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vzbv-Studie zu nachhaltigen Geldanlagen:
https://www.vzbv.de/pressemitteilung/greenwashing-risiko-bei-nachhaltigen-geldanlagen
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P.S. Kirchlicher Aschermittwoch – Gebet für Lesbos und Lipa. Nehmt Teil am politischen Nachtgebet u.a. mit Aminate Touré (Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtags), Volker Kauder und vielen anderen. Gemeinsam wollen wir Gottes Hilfe suchen, um die schrecklichen Zustände an den europäischen Außengrenzen zu ändern. Mittwoch, 17.2. 20 Uhr. Gleich hier anmelden!