Die EU-Finanzminister und die Staats- und Regierungschefs der Eurozone einigten sich auf ihre Position zur Europäischen Wirtschaftsregierung
Dazu erklärt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament:
Grundsätzlich ist die Einigung auf das Paket zur Wirtschaftsregierung und den Euro-Pakt zu begrüßen. Die EU braucht so eine europäische Wirtschaftsregierung dringend. Daher ist erfreulich, dass Deutschland die Rolle des „Nein-Sagers“ endlich aufgegeben hat. Die Vorschläge sind jedoch wirtschaftspolitisch unausgewogen. Zum Abbau von wirtschaftlichen Ungleichgewichten sieht der Pakt ausschließlich Mitgliedsländer mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit in der Bringschuld. Sie sollen besonders durch Ausgabenkürzungen und Kostensenkungen ihre Exporte steigern, Staatshaushalte ausgleichen und wieder Anschluss finden. Das ist in mehreren Mitgliedsländern notwendig.Gleichzeitig ist der Pakt blind gegenüber einer notwendigen Verringerung von Leistungsbilanzüberschüssen, wie im Falle Deutschlands. Damit droht der Pakt aus Rücksichtnahme auf ökonomische Sonderinteressen Deutschlands zu scheitern.
Statt den schwächeren Staaten die Luft zum Atmen zu nehmen, sollte die Bundesregierung Mindestlöhne einführen und die Investitionen in Bildung und Klimaschutz erhöhen. Damit würden die Leistungsbilanzüberschüsse sinken, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beschädigen. Der Rat will gegenüber dem Vorschlag der Kommission bei der „Prozedur für exzessive Ungleichgewichte“ zusätzlichen Spielraum für Kuhhandel. Das ist unakzeptabel.
Außerdem setzt der Rat ebenso einseitig auf Ausgabenkürzungen statt auch Verbesserungen auf der Einnahmeseite durchzusetzen. Nach wie vor besteht weitgehend Stillstand im Rat beim Kampf gegen Steuerflucht und Steuerdumping. Die Zinsrichtlinie wird immer noch blockiert und ihre Reform sucht man im Pakt vergeblich. Begrüßenswert ist jedoch, dass die Möglichkeit einer Finanztransaktionssteuer für die EU und sogar für die Eurozone auch im Rat ernsthaft vorangetrieben wird. Dies ist sicherlich ein Erfolg der richtungsweisenden Abstimmung im Europaparlament letzte Woche. Zum Erfreulichen der Einigung zählt außerdem, dass die Mitgliedsstaaten, insbesondere die Bundesregierung und Frankreich aktiv geworden sind, um dem Irischen Unternehmenssteuerdumping Grenzen zu setzen. Irland hat niedrigere Zinsen verdient. Es ist aber richtig, dieses Entgegenkommen an zumindest mittelfristige Zugeständnisse bei Steuersätzen und Steuerbemessungsgrundlagen zu binden. Das ist jedoch kein Irisches Sonderproblem, sondern Europäische Mindeststeuersätze gehören grundsätzlich auf die Agenda.
Außerdem bekennen sich die Mitgliedsstaaten zur Notwendigkeit, über 60 Prozent des BIP liegende Verschuldung jährlich um ein Zwanzigstel abzubauen. Da dies in Jahren des Abschwungs unmöglich ist, bleibt der Pakt hier makroökonomisch mysteriös.
In ökologischer Hinsicht ist der Pakt leider ebenso blind, wie in sozialer. Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit werden sektorübergreifend über alles gestellt, statt sich auf sozial-ökologische Zukunftssektoren wie erneuerbare Energie, Energieeffizienz, Bildung und Gesundheit zu konzentrieren. Ein Grüner New Deal sieht anders aus!
Nun ist es am Europaparlament seine Position zu den sechs Berichten zu finden. Wir wollen eine breite Mehrheit der Pro-Europäer im Parlament für eine Europäische Wirtschaftsregierung. Allerdings müssen dazu die Unausgewogenheiten beseitigt werden und die rechtlichen Spielräume zur demokratischen Beteiligung des Parlaments an allen Elementen der Wirtschaftsregierung vollständig genutzt werden.