Die EU-Kommission hat heute in einem Reflexionspapier ihre Vorstellungen für die Weiterentwicklung der Eurozone konkretisiert. Sie will den günstigen Moment nach der Wahl Emmanuel Macrons zum neuen französischen Präsidenten nutzen, dessen Wahlprogramm viele Vorschläge enthielt, z.B. soziale Mindeststandards, einen Mindeststeuersatz für Unternehmen und einen eigenen Haushalt der Eurozone für gemeinsame Investitionen. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, Position zu beziehen, bevor Kommissionspräsident Juncker im September konkrete Vorschläge vorlegen will.
Das Reflexionspapier der EU-Kommission zur Zukunft der Währungsunion kommentiert Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:
“Jetzt sind die Mitgliedsländer am Zug. Allen voran Merkel und Schäuble müssen jetzt konkrete Vorschläge machen. Weitere Blockadesignale aus Berlin schüren nur Verdruss überall in Europa.
Wir begrüßen die Vorschläge der EU-Kommission für ein stärkeres Rückgrat des Euro samt eines gemeinsamen Finanzministers. Ein Euro-Finanzminister ist ein guter Vorschlag der Kommission, der mehr Transparenz und Demokratie in der Eurozone schafft. Der nächste Vorsitzende der Eurogruppe sollte ein EU-Kommissar sein, der dem Europaparlament Rede und Antwort stehen muss. Damit geht ein Euro-Finanzminister auch ohne langwierige Vertragsänderungen. Der vorgeschlagene ‘Vereinbarung über die demokratische Verantwortlichkeit in der Eurozone’ wäre ein Dienst an der Europäischen Demokratie.
Selbst die schönsten Regeln helfen nichts, wenn die EU-Kommission sie nicht anwendet. Die Kommission kehrt heute wieder nicht vor der eigenen Tür. Statt die schon geltenden Regeln anzuwenden, lässt sie den exzessiven deutschen Leistungsbilanzüberschuss genauso ungeschoren wie das wachsende Defizit Italiens oder die Regelverstöße Frankreichs. Die Kommission ist heute eine ehrliche Analyse schuldig geblieben.
Im Kommissionspapier fehlen allerdings völlig konkrete Vorschläge für gemeinsame Investitionen und in der Steuerpolitik. Ein gemeinsamer Zukunftsfonds im EU-Haushalt kann Europa wirtschaftlich voranbringen und den Zusammenhalt Europas stärken. Die Kommission bleibt bei allen sozialen Fragen weit hinter dem Vorschlag des französischen Präsidenten Macron zurück. Ein gemeinsamer Mindeststeuersatz in der Unternehmenssteuer und soziale Mindeststandards gehören aber zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion.
Es war höchste Zeit, dass die EU-Kommission einsieht, dass der Status Quo beim Haushalt der Eurozone keine Option ist. Eine gemeinsame haushaltspolitische Kapazität ist unerlässlich, um in zukünftigen Krisen besser reagieren zu können. Wenn die Idee eines „European Safe Asset“ (ESA) in die richtige Richtung weiterentwickelt wird, können daraus ‘Eurobonds’ entstehen, die die Grünen/EFA-Fraktion schon lange fordert.”
Vorschläge der EU-Kommission zur Vertiefung der Währungsunion: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1454_de.htm
Analyse der Vorschläge des französischen Präsidenten Macron: http://udo-philipp.de/wofuer-steht-emmanuel-macron/