Sven Giegold

Zukunft Europas: Europäische Bürger:innenforen starten – kein Thema im Bundestagswahlkampf

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Interessierte,

heute, Freitag 17.9.2021, startet die erste Runde der Bürger:innenforen, dem Herzstück der Konferenz zur Zukunft Europas. Das ist ein historischer Tag für die europäische Demokratie.

800 EU-Bürger:innen aus allen Regionen der EU in all ihrer Vielfalt (Stadt, Land, Beruf, Bildungsgrad, Geschlecht, Alter) wurden zufällig ausgewählt, um gemeinsam Vorschläge für die Zukunft der EU zu erarbeiten. Sie sind aufgeteilt in vier thematischen Foren. Das erste dieser Foren kommt heute in Straßburg zum ersten von insgesamt drei Treffen zusammen. Die Vorschläge der Foren bilden zusammen mit der Online-Beteiligungsplattform die Grundlage und Richtung für die Beratungen der Plenarversammlung, in der auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments, der nationalen Parlamente, der EU-Kommission, des Rates der Mitgliedsländer und der Zivilgesellschaft vertreten sind. Wir Grüne haben diese Konferenz lange gefordert und konnten in den Verhandlungen erreichen, dass es die Bürgerversammlungen in dieser Art überhaupt gibt. Auch wer nicht zufällig für die Foren ausgewählt wurde, kann auf anderem Wege mitmachen, z.B. durch die Online-Beteiligungsplattform oder dezentrale Veranstaltungen (Infos und Unterstützung hier)

Damit beginnt Europa heute ein historisches Projekt, das entscheidend für die Zukunft der Union und der Stärkung der europäischen Demokratie sein wird. Angesichts der großen Herausforderungen vom erstarkenden Rechtsnationalismus bis zur Klimakrise ist Europa oft zu wenig handlungsfähig und demokratisch, weil einzelne Mitgliedsländer und Interessensgruppen europäische Initiativen leicht blockieren können. Deswegen braucht Europa diese Konferenz und die Konferenz die Unterstützung der Mitgliedsländer, allen voran Deutschlands.

Doch in Deutschland ist das Thema Europa im Bundestagswahlkampf so gut wie nicht präsent, weder in Interviews, noch in TV-Runden oder den Triellen. Dabei kann Deutschland auch in Zukunft nur erfolgreich und sicher sein, wenn die Europäische Union gestärkt in diese Zukunft geht. Von der Klimakrise bis zur Digitalisierung, die Herausforderungen von heute und morgen sind genauso europäisch wie ihre Antworten. Doch Deutschland schaut lieber nur auf sich selbst.

Die Konferenz zur Zukunft Europas markiert für uns Grüne die nächste Phase der europäischen Integration hin zu einer Föderalen Europäischen Republik. Es ist gut zu sehen, dass die Stärkung des Europäischen Parlaments und mit ihr der europäischen Demokratie auch in den Online-Beteiligungsformaten zur Konferenz die meiste Zustimmung findet (siehe unten). Doch ohne echte Unterstützung von Deutschland als größtem Mitgliedsland wird sich nur wenig bewegen.

Klar ist, eine grüne Bundesregierung wird Europa wieder ins Zentrum stellen, statt die bundespolitische Nabelschau weiter zu betreiben. Im Bundestagswahlprogramm (ab S. 211) machen wir dazu konkrete Vorschläge, um die Europäische Demokratie zu stärken:

  • Wir stärken das Europäische Parlament, damit es in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat der Mitgliedsländer ist. Dazu gehört ein vollwertiges Initiativrecht und ein starkes Haushaltsrecht. Ein starkes Europaparlament wählt die EU-Kommission und Kommissionspräsidentin, die sich als Spitzenkandidat:in vorher in ganz Europa den Bürger:innen vorgestellt hat. Ein Teil der Abgeordneten wird über transnationale Listen gewählt.
  • Das Einstimmigkeitsprinzip im Rat blockiert in vielen Bereichen europäische Politik. Wir setzen uns für Mehrheitsentscheidungen in allen Politikfeldern ein.
  • Ein Europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht fördert die Zivilgesellschaft über Grenzen hinweg und lässt Europa so zusammenwachsen.
  • Mehr Transparenz in der Gesetzgebung und beim Lobbyeinfluss erhöht das Vertrauen in die Europäische Demokratie.
  • Mit einklagbaren europäische Grundrechten für jede EU-Bürger:innen stärken wir die Rechte aller Menschen in der EU.
  • Eine Öffentlich-rechtliche Medienplattform in Europa gibt den Rahmen für eine europäische Öffentlichkeit.

Für dieses Wahlprogramm haben wir die europäische Bestnote des parteiübergreifenden Netzwerks “Europäische Bewegung Deutschland” (EBD) bekommen (hier anschauen).

Die Konferenz zur Zukunft Europas ist die Gelegenheit, Europa stärker, bürgernäher und demokratischer zu machen. Dafür arbeiten unsere grünen Vertreter:innen (mit dabei Daniel Freund aus Aachen, unser Verhandlungsführer zur Konferenz) in der Konferenz schon jetzt. Jetzt braucht es noch eine deutsche Bundesregierung, die mit Mut und Zuversicht dazu beiträgt. Auch darum geht es am 26.9. Deswegen unterstütze ich den offenen Brief der Jungen Europäischen Föderalisten, der Europa-Union und der EBD: Beim letzten Triell am 23.9. muss Europapolitik endlich Thema sein!

Mit entschlossenen europäischen Grüßen,

Ihr und Euer Sven Giegold

Mehr Informationen:

Offizielle Seite der Bürger:innenforen und der Konferenz

https://futureu.europa.eu/pages/panels?locale=de

Wahlcheck der Europäischen Bewegung Deutschland

https://www.netzwerk-ebd.de/wp-content/uploads/2021/08/KW33_Bundestagswahl2021_V4.pdf

Offener Brief zu mehr Berichterstattung zu Europapolitik im Bundestagswahlkampf

https://www.jef.de/mehr-europa-im-endspurt-des-bundestagswahlkampfs/

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HINTERGRUND: Die am meisten unterstützten Ideen der Online-Plattform (Stand 8.09.2021; Quelle Daniel Freund MdEP)

1.) “A reform plan for a citizen-based European Democracy” by Hannah Gohlke (Volt), topic “democracy”, for a pan-European ballot, no barriers to voting in Europe, a European Government elected by EP, majority decisions in Council, initiative powers for the EP – 534 endorsements – https://futureu.europa.eu/processes/Democracy/f/6/proposals/56299

 

2.) “Stronger together: A democratic European Federation” by Leonie Martin (president of the Young European Federalists), topic “democracy”, for stronger EP sharing competences with a Council turned into a Senate, always voting by simple majority, Commission as government responsible to the EP – 487 endorsements – https://futureu.europa.eu/processes/Democracy/f/6/proposals/178?locale=en

 

3.) “Science-intensive healthy longevity technologies: development and access” by Hungarian biologist-activist Attila Csordas, topic “health”, for more research money and infrastructure for healthy aging – 423 endorsements – https://futureu.europa.eu/processes/Health/f/3/proposals/826

 

4.) “The creation of the European Army” by Slovakian student Wilhelm Miklus, topic “EU in the world” – 396 endorsements

 

5.) “Truly European Elections: Transnational EU-wide electoral lists” by JEF-president Leonie Martin, topic “democracy”, for an EU-wide constituency and a second vote in EU elections for these transnational lists in addition to the existing national or regional constituencies    – 376 endorsements

 

6.) “Fair digitalisation” by the European Trade Union Confederation (ETUC), topic “digital”, for workers protection by data protection and privacy rights against discrimination by algorithms and surveillance at work – 335 endorsements

 

7.) “Social Progress Protocol” by ETUC, topic “democracy”, for a protocol guaranteeing that trade union rights prevail over market freedoms in case of conflict – 324 endorsements

 

8.) “A common migration and asylum policy, based on respect for rights and equal treatment” by ETUC, topic “Migration” for fair distribution of migrants, better integration into labour markets, legal ways for migrants – 323 endorsements

 

9.) “Better decision-making for a fairer Europe” by ETUC, topic “democracy”, for more competences for the EP, qualified majority voting, activating the passerelle-clause to move from unanimity to majority voting on social politics including the social partners – 321 endorsements

 

10.) “European Pillar of Social Rights for a social market economy” by ETUC, topic “economy”, for the implementation of the European Pillar of Social Rights in connection with EU-Treaty goal of a Social Market Economy with full employment and societal progress – 315 endorsements

 

11.) “EU cannot fund precarity!” by ETUC, topic “Youth”, for fight against poverty and bad employment conditions for young people – 315 endorsements

 

12.) “Just transition” by ETUC, topic “Climate”, for inclusion of trade unions in ecological transformation and a social transformation – 314 endorsements

 

13.) “A more democratic & effective EU: Stronger European Parliament” by JEF-President Leonie Martin, topic “democracy”, for full right of initiative and decision powers on the budget for the EP, election of Commission President by EP, make Council a second chamber deciding by simple majority in both chambers – 314 endorsements

 

 


Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde innerhalb der letzten 2 Monaten vor der Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. In diesem Zeitraum wurde die Homepage und die zugrunde liegende IT-Infrastruktur aus Wahlkampfmitteln und nicht aus dem Parlamentsbudget finanziert.

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