Gemeinsamer Gastbeitrag mit Lisa Paus
Es ist fast ein Jahr her, dass die Veröffentlichung der „Panama Papers“ weltweit Schlagzeilen machte. Jetzt wird sich zeigen, ob die EU-Mitgliedstaaten bereit sind, Konsequenzen daraus zu ziehen. Das Europäische Parlament hat nämlich eine harte Linie gegen Finanzkriminalität beschlossen. Am 21. März beginnen die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten. Werden sich die EU-Mitglieder abkehren von der Linie, die auch Finanzminister Wolfgang Schäuble lange verfolgt hat? Nämlich öffentlich gegen Steuerbetrug zu wettern und hinter Brüsseler Türen zu bremsen?
Die Panama Papers haben in nie gekannten Ausmaß vorgeführt, wie sogenannte Steueroasen weltweit genutzt werden. 130 000 Personen in 170 Ländern hatten ihr Geld allein in Briefkastenfirmen der Kanzlei Mossack-Fonseca in Panama „untergebracht“ – darunter Politiker, Spitzensportler und andere Prominente, Finanzjongleure, Oligarchen. Mittels Briefkastenfirmen werden aber nicht nur Steuern hinterzogen. Mit ihnen wäscht das organisierte Verbrechen sein Geld und verstecken Terrororganisationen ihr Vermögen.
Auch deshalb hatten viele Regierungen Besserung gelobt. Es ist bei einigen Mitgliedsländern auch Bewegung zu sehen. Im EU-Untersuchungsausschuss zu den Panama Papers („Pana“) konnten einem allerdings Zweifel kommen am Willen gerade der als Steueroasen beleumundeten EU-Staaten. Viele Luxemburger Unternehmen, die in den Ausschuss eingeladen wurden, lehnten ab; mindestens einem wurde vom luxemburgischen Finanzministerium abgeraten. Maltesische Politiker erschienen nicht. Und leider hat auch die EU-Kommission bis jetzt nur wenige der Dokumente geliefert, die der Untersuchungsausschuss angefordert hat.
Trotzdem konnte der Ausschuss etliches zutage fördern. Beispielsweise, dass Geldwäsche Helfer braucht. Denn die Vermittlung von Briefkastenfirmen ist nur über sie möglich: Auf der Liste der Top-Vermittler sind Banken, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Anwaltskanzleien zu finden, darunter auch deutsche Finanzunternehmen wie die Berenberg Bank.
In Deutschland hatte Wolfgang Schäuble nach den Panama Papers schnell reagiert. Er hat einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt. Darin fanden sich einige Vorschläge, die wir Grünen seit Jahren gefordert haben: Es war längst überfällig, dass das steuerliche Bankgeheimnis abgeschafft wird. Es ist richtig, dass die Ermittlungsbefugnisse für Steuerbehörden endlich erweitert werden.
Aber warum soll das Transparenzregister, das die wirtschaftlich Berechtigten hinter den Briefkastenfirmen aufführt, in Schäubles Gesetzentwurf nicht öffentlich sein? Denn nur ein öffentliches Transparenzregister erzeugt den nötigen Druck. Genau wie beim Handelsregister sollten alle Interessierten – nicht nur Steuerbehörden, sondern auch Geschäftspartner, Presse, NGOs – ohne Umstände erfahren können, wer hinter einer Briefkastenfirma steht. Ein solches öffentliches Transparenzregister fordert auch das Europäische Parlament. Schäuble behauptet, das könne in Deutschland nicht funktionieren. Doch Slowenien und Dänemark führen jetzt das öffentliche Transparenzregister ein, auch Frankreich und die Niederlande haben sich hinter den Vorschlag gestellt.
Zusätzlich fordert das EP jetzt ein entsprechendes Register für Immobilien – denn in Immobilien wird häufig kriminelles Geld investiert. Das ist gerade für Deutschland relevant. Denn Deutschland gilt als hoch attraktiv für Geldwäsche. Während des Arabischen Frühlings stellte sich heraus, dass Despoten ihre Millionen auf deutschen Konten gesichert hatten. Warum? Weil Deutschland ein Land ist, in dem sich gut investieren und so Geld waschen lässt. Und weil man in Deutschland auf diese Konten keine Quellensteuer zahlen muss. Deutschland ist für sie eine Steueroase.
100 Milliarden Euro werden in Deutschland jährlich gewaschen – schätzt das Bundesfinanzministerium. Es wäre relativ einfach für den deutschen Finanzminister, das zu bekämpfen. Man müsste eine Quellensteuer für Konteninhaber aus Ländern einführen, die nicht am automatischen Datenaustausch teilnehmen. Doch hier gab es von Schäuble bis jetzt keine Initiative. Es ist sehr bezeichnend, dass Deutschland Panama bis heute nicht auf die Liste der „nicht-kooperativen“ Staaten gesetzt hat – eine diplomatische Umschreibung für „Steuersümpfe“.
Auch das Europäische Parlament fordert jetzt strengere Kriterien für die Definition der „nicht-kooperativen“ Staaten. Und es fordert, dass die Europäische Kommission die Behörden in den Mitgliedstaaten im Bereich Geldwäsche überprüfen kann. Zudem müssen alle Helfer der Geldwäsche effektiv kontrolliert werden. Die Selbstkontrolle bei Anwälten und Steuerberatern funktioniert bisher nicht. Immobilienmakler und Verkäufer von Luxusgütern liefern erbärmlich wenige Hinweise.
Es stimmt nicht, dass man Steuerbetrug und Geldwäsche nur stoppen kann, wenn man alle Länder weltweit zu einem gemeinsamen Abkommen bewegt. Wenn Deutschland im eigenen Land konsequent vorgehen und die weitgehenden Vorschläge des Europäischen Parlaments unterstützen würde, dann hätte das sehr wohl Wirkung. Es wird öffentlicher Druck nötig sein, damit die Mitgliedstaaten Konsequenzen aus den Panama Papers ziehen. Wir werden sehr genau beobachten, was Wolfgang Schäuble in Brüssel unterstützt – öffentlich und hinter verschlossenen Türen.
Sven Giegold ist Sprecher der Grünen-
Fraktion im Untersuchungsausschuss Pana des Europaparlaments.
Lisa Paus ist steuerpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion.