Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäischen Institutionen ist auf einem historischen Tiefstand. Laut einer Umfrage von Eurobarometer haben nur noch 31% ein positives Bild von der Europäischen Union. Viele bemängeln ein eklatantes Demokratiedefizit und den schädlichen Einfluss von Lobbyisten in Brüssel.
Auf die Skandale der vergangenen Jahre – wie zum Beispiel die Affäre um den maltesischen Kommissar Dalli oder den Cash-for-Amendments Skandal im Europäischen Parlament – wurde mit einer Verschärfung der Regeln reagiert. Leider hat sich in der Folge gezeigt, dass die neuen Vorschriften zum einen nicht ausreichen und zum anderen in der Praxis oft nur nachlässig oder gar nicht angewendet wurden.
Um die Europäische Demokratie zu stärken und den Gesetzgebungsprozess frei von illegitimer Einflussnahme demokratisch zu gestalten, gilt es, den Einfluss von Lobbyisten vollständig transparent zu machen, Verstöße wirkungsvoll zu bekämpfen, Grenzen zu setzen und die Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu verstärken.
Rechtzeitig vor den Wahlen zum Europaparlament legen wir heute zehn Vorschläge vor, wie dies erreicht werden kann. Viele der erarbeiteten Vorschläge könnten nach den Europawahlen unmittelbar umgesetzt werden. Andere bedürfen einer längerfristigen Vorbereitung oder einer Änderung der Europäischen Verträge.
Die nachfolgenden Forderungen sind zugleich unser Gradmesser, ob der nächste Präsident der Europäischen Kommission es ernst damit meint, die Europäische Demokratie zu erneuern. Im Mittelpunkt des politischen Geschehens müssen wieder die Bürgerinnen und Bürger stehen und nicht die Interessen von großen Unternehmen und einflussreichen Lobbyisten.
1. Mehr direkte Demokratie für Bürgerinnen und Bürger
Die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative war ein wichtiger Schritt hin zu mehr Bürgerbeteiligung. Seit Inkrafttreten haben drei Initiativen die nötigen Unterschriften gesammelt und damit ihre Themen auf die Tagesordnung der Europäischen Institutionen gebracht.
Die Europäische Bürgerinitiative vereinfachen und weiterentwickeln
In der nächsten Legislaturperiode steht die Überprüfung der Europäischen Bürgerinitiative auf der Tagesordnung. Ein wichtiges Ziel muss sein, die Bestimmungen deutlich zu vereinfachen und zu vereinheitlichen. Außerdem sollte es den Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft auch möglich sein, Änderungen der Europäischen Verträge über eine Bürgerinitiative anzuregen. Längerfristig soll die Bürgerinitiative durch andere direkt-demokratische Elemente komplementiert werden, die den Bürgern auch ein konkretes Mitspracherecht bei der Gesetzgebung (Bürgerentscheid) und der Änderung der europäischen Verträge (Referendum) einräumen. Kommission und Parlament könnten sich auch jetzt schon dazu verpflichten, auf das Ersuchen einer bestimmten Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern das Verfahren zu einer Gesetzesinitiative zu starten (Volksinitiative).
Die Wahlen zum Europäischen Parlament europäisieren
Die Wahlen zum Europäischen Parlament werden bislang durch 28 unterschiedliche Bestimmungen im nationalen Wahlrecht geregelt. In mehreren Mitgliedstaaten wird die eigentlich europaweit geltende Vorgabe des Verhältniswahlrechts durch die Bildung enger regionaler Wahlkreise faktisch ausgehebelt. Ein europäisches Wahlrecht könnte die Wahlen gleichzeitig demokratischer und europäischer machen. So würden wir es begrüßen, wenn die Wähler außer den nationalen KandidatInnen auch europaweit KandidatInnen auf einer transnationalen Liste wählen könnten.
2. Lobbyisten wirksamer kontrollieren
Mit der Einführung eines Transparenzregisters wurde ein erster wichtiger Schritt gemacht, die Lobbyisten in Brüssel besser zu kontrollieren. Allerdings: die Eintragung ins Register ist bislang freiwillig. Es wird daher geschätzt, dass sich im besten Fall zwischen 60 und 75% der in Brüssel arbeitenden Lobbyisten in das Register eingetragen haben.
Das Transparenzregister für alle Lobbyisten verbindlich machen
Das Transparenzregister muss baldmöglich verbindlich werden und sollte dann direkt auch das Lobbying beim Rat mit einbeziehen. Denn bisher verweigert der Rat noch seine Zustimmung, mehr Transparenz ins Brüsseler Lobbying zu bringen. Bis diese neue Gesetzesvorlage in Kraft tritt, sollte sich die Europäische Kommission freiwillig schon jetzt dazu verpflichten, jeglichen Kontakt mit unregistrierten Lobbyisten zu verweigern.
Den legislativen Fußabdruck einführen
In der nächsten Legislaturperiode geht es darum, den legislativen Fußabdruck einzuführen – die Auflistung aller Kontakte mit Lobbyisten, sowie aller ihrer Formulierungen, die in den Gesetzestext übernommen worden sind. Praktisch sollte das so aussehen, dass an jeden Gesetzentwurf künftig ein Protokoll mit der entsprechenden Auflistung anhängt wird.
3. Die Kontrollrechte des Europäischen Parlaments stärken
Das Europäische Parlament ist das Herzstück der Europäischen Demokratie. Es ist die einzige direkt gewählte Vertretung von mehr als 500 Millionen Europäern. Mit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages wurde das Parlament gleichberechtigter Mitgesetzgeber in fast allen Politikfeldern. Andererseits wurden gerade im Zuge der Euro-Rettungsmaßnahmen viele Regelungen außerhalb der Europäischen Verträge, und damit am Europäischen Parlament vorbei, getroffen.
Die Kontrollrechte des Europäische Parlaments ausbauen
Die Rettungsmaßnahmen ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle schwächen die europäische Demokratie. In Zukunft soll das Europäische Parlament das Mandat jeder Troika und den ESM kontrollieren. Zusätzlich sollte es den Jahreswachstumsbericht im Rahmen des Europäischen Semesters zur Koordination der Wirtschaftspolitik beschließen, der für die Kommission bindend ist.
Damit das Budgetrecht des Europäischen Parlaments voll ausgeübt werden kann, muss die nötige Mehrheit für die Verabschiedung des Budgets im Rat von der Einstimmigkeit auf die qualifizierte Mehrheit gesenkt werden. Sonst kann immer ein einziges Land den Beschluss blockieren und somit die demokratische Mehrheit der Volksvertreter in Beugehaft nehmen. Dazu ist eine Vertragsreform nötig.
Auch um seinen Aufsichtspflichten gegenüber der Kommission nachkommen zu können, müssen endlich die Instrumente des Parlaments geschärft oder, wo nicht vorhanden, geschaffen werden. So muss das Parlament endlich das Recht bekommen, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, die diesen Namen auch verdienen. Diese sollten dann mit qualifizierter Minderheit auf den Weg gebracht werden können. Die Europäische Kommission soll sich in einer inter-institutionellen Vereinbarung dazu verpflichten ihren Berichtspflichten deutlich besser nachzukommen. Außerdem muss diese Vereinbarung allen Europaabgeordneten vollen Zugang zu Dokumenten, wie zum Beispiel den Verhandlungsmandaten bei internationalen Abkommen, geben.
Das Europaparlament braucht volle Vorladungs- und Dokumentenhinzuziehungsrechte. Das kann auf Basis der Vertragsabrundungsklausel (Art. 352 AEUV) umgesetzt werden.
Damit die Möglichkeiten der Normenkontrolle durch den EuGH auch der Opposition zur Verfügung stehen, soll das Europäische Parlament außerdem seine Geschäftsordnung dahingehend ändern, dass ein Normenkontrollverfahren vor dem EuGH auch durch eine Minderheit der Abgeordneten beantragt werden kann.
Die Wahl des Kommissionspräsidenten und das Misstrauensvotum neu regeln
Die Neuerung, dass alle großen Europäischen Parteien mit einer SpitzenkandidatIn für das Amt der KommissionspräsidentIn antreten ist ein wichtiger und richtiger Schritt. In Zukunft soll das Parlament die PräsidentIn der Europäischen Kommission jederzeit frei wählen können, was auch die Einführung eines konstruktiven Misstrauensvotums einschließt.
Die Kontrolle der Agenturen der EU verstärken
Bisher liegen die Agenturen der EU weitestgehend außerhalb der Kontrolle durch das Europäische Parlament. Damit die demokratische Kontrolle in Zukunft besser funktioniert, soll die Kommission eine Rahmenverordnung für alle Agenturen vorlegen, die dem Parlament u.a. Mitentscheidung bei der Wahl oder dem Vertrauensentzug der Direktoren einräumt, direkte Frage- und Anhörungsrechte und es besser an deren Aufsicht beteiligt.
Wissenschaftlichen Dienst des Europaparlaments einrichten
Der Einfluss von LobbyistInnen ist auch deshalb groß, weil das Europaparlament im Gegensatz zum Bundestag nur über einen schwachen wissenschaftlichen Dienst verfügt. Es muss möglich werden für Abgeordnete und Fraktionen individuelle Expertisen anfertigen zu lassen.
4. Den Europäischen Gesetzgebungsprozess reformieren
Mehr als 90% aller Gesetzgebungsverfahren der EU enden mittlerweile mit einer schnellen Einigung zwischen Rat und Parlament, im sogenannten Trilog. Obwohl dieses Verfahren in den EU-Verträgen eigentlich gar nicht vorkommt, fanden alleine 2013 über 1000 solche Verhandlungen statt – alle unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der allergrößte Teil der Abgeordneten, nationale Parlamente sowie die Öffentlichkeit erhalten in diesem Prozess i.d.R. überhaupt keine Informationen darüber, welche Verhandlungspositionen ihre jeweiligen Regierungen einnehmen.
Weniger und transparentere Triloge
In Zukunft muss das weit transparentere und demokratischere ordentliche Gesetzgebungsverfahren wieder zur Regel und der Trilog zur Ausnahme werden. Die Triloge selbst müssen transparenter und für alle Abgeordneten und die Öffentlichkeit nachvollziehbarer gestaltet werden. Dafür müssen zum Beispiel konsequent die Verhandlungsdokumente veröffentlicht werden. Außerdem sollen in Zukunft namentliche Abstimmungen in den Ausschüssen des Europäischen Parlaments genauso selbstverständlich werden wie im Plenum und damit lückenlos nachvollziehbar werden.
Dem Parlament sukzessive das volle Initiativrecht geben
Dem Parlament muss es möglich sein, auf die Bedürfnisse und Wünsche der Wählerinnen und Wähler einzugehen. Deshalb muss das Europäische Parlament in allen Bereichen Gesetze vorschlagen und einbringen können. Schon jetzt sollte die Kommission das vorhandene Instrurment des legislativen Initiativberichts immer mit einem vollständigen Vorschlag beantworten.
Ausweitung des Mehrheitsverfahrens auf alle Politikbereiche
Langfristig gilt: nichts was in Europa bindend beschlossen wird, soll noch hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Alles muss durch die Bürgerkammer und dort öffentlich verhandelt und entschieden werden. Diese Änderung bedarf keiner Vertragsänderung und könnte im Rat einstimmig sofort beschlossen werden (Passerelle-Klausel).
5. Rat und Kommission transparenter gestalten
Der Rat ist bislang das am wenigsten transparente aller an der Gesetzgebung beteiligten Organe der EU. Dies steht im umgekehrten Verhältnis zu seiner faktischen Macht.
Die Sitzungen des Rates der Europäischen Union öffentlich machen
Der nächste Schritt muss daher sein, endlich alle Sitzungen des Rates öffentlich zu machen – vor allem vorbereitende Sitzungen und die Treffen der Arbeitsgruppen. Nur so ist der europäische Gesetzgebungsprozess für alle Beteiligten nachvollziehbar. Die Abgeordneten, die Medien und die breite Öffentlichkeit haben ein Recht zu wissen, wie und von wem ihre Interessen in Brüssel vertreten werden. Dazu müssen in Zukunft die internen Abfragen zu einem Gesetzgebungsvorgang an die Mitgliedsstaaten sowie die Vier-Spalten-Dokumente konsequent publik gemacht werden.
Die Karenzzeiten der Kommissare verlängern
Viele Kommissare der Europäischen Kommission wechseln kurz nach ihrem Ausscheiden in die freie Wirtschaft und ihre Verbände. In Zukunft soll der Zeitraum, in dem sie keine Tätigkeit in einem mit ihrem früheren Zuständigkeitsbereich verbundenen Feld ausüben dürfen (Karenzzeit) auf 3 Jahre verlängert werden. Der Verzicht sollte nicht schwer fallen, denn genau für diesen Zeitraum erhalten ehemalige EU-Kommissare bereits jetzt ihr volles Gehalt. Vergleichbare Regelungen müssen auch für hohe Beamte und Mitarbeiter der Kommission oder der Agenturen gelten.
6. Interessenkonflikte bei Europaabgeordneten verhindern
In der Folge des Cash-for-Amendment Skandals im Europäischen Parlament, bei dem sich mehrere Europaabgeordnete für das Einbringen von Anträgen bezahlen ließen, wurde ein Verhaltenskodex für Europaabgeordnete eingeführt. Leider hat sich in der Folge gezeigt, dass diese schärferen Regeln zum einen nicht ausreichen und zum anderen in der Praxis bisher noch kein einziges Mal zu Sanktionen geführt haben.
Den aktuellen Verhaltenskodex weiterentwickeln
Ein erster wichtiger Schritt ist deshalb, in Zukunft alle Empfehlungen des Beratenden Ausschusses für das Verhalten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu veröffentlichen. Darüber hinaus sollen die Mitglieder des Beratenden Ausschusses künftig von den Mitgliedern ihrer Fraktion gewählt und nicht länger vom Präsidenten des Parlaments ernannt werden.
Unabhängigkeitserklärung von Berichterstattern
Wir brauchen ein verbindliches Verfahren, das sicherstellt, dass alle potentiellen Interessenkonflikte vor Übernahme eines wichtigen Amtes im Gesetzgebungsprozess offengelegt werden müssen. Mögliche Interessenkonflikte sowie deren Verschweigen aber sofort zum Verlust solcher Ämter führen. Solche Unabhängigkeitserklärungen sollten zudem besser als bisher von der Parlamentsverwaltung überprüft werden.
Onlinedatenbank der Nebeneinkünfte mit Suchfunktion ausstatten
Wir fordern eine übersichtliche und benutzerfreundliche Onlinedatenbank mit Suchfunktion, welche Angaben zu Nebeneinkünften ebenso wie angenommene Geschenke und Einladungen aller Abgeordneten überprüfbar, zugänglich und mit den Daten anderer Abgeordneter vergleichbar macht. Auch bei der Aussagekraft der bisher bereitgestellten Informationen ist noch Spielraum nach oben. Bei der vierten Kategorie (“mehr als 10.000€ im Monat”) bleiben gerade die höchsten Nebeneinkünfte von Abgeordneten im Nebel.
7. Korruption und Bestechung nachhaltig bekämpfen
Im ersten Korruptionsbericht der Europäischen Kommission aus dem Februar 2014 wird der Schaden, der jedes Jahr europaweit durch Bestechung entsteht, auf 120 Milliarden Euro geschätzt. Auch bei der Vergabe von Fördergeldern der EU gibt es immer wieder Unregelmäßigkeiten. Die Kommission und weit mehr noch die Mitgliedsstaaten müssen ihren Kontroll- und Aufsichtspflichten in diesem Bereich künftig noch besser nachkommen.
Korrupte Organisationen europaweit von Ausschreibungen ausschließen
Organisationen, denen Bestechung oder Korruption nachgewiesen wird, können von der Europäischen Kommission von der Teilnahme an EU Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Bisher hat die Kommission allerdings europaweit erst eine einzige Firma von Ausschreibungen ausgeschlossen und nur sechs Organisationen auf ihre schwarze Liste gesetzt. Die Kommission sollte deshalb in Zukunft ihre schwarze Liste veröffentlichen und den Informationsaustausch mit nationalen Behörden deutlich verbessern.
Whistleblower besser schützen
Whistleblower, die über Insiderwissen verfügen und auf illegale Aktivitäten hinweisen sind oft die einzigen, die einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung von Korruption leisten können. Doch damit sich Personen trauen, auf diese Weise die Alarmglocken zu läuten, muss es für sie ausreichende Schutzmechanismen geben. Mit Ausnahme der Kommission fehlen bisher in allen EU Institutionen solche Regelungen, obwohl eigentlich alle Beamten und Angestellten rechtlich verpflichtet sind, illegale Aktivitäten zu melden.
Die Unabhängigkeit der Europäischen Politischen Parteien sichern
Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, soll künftig europaweit einheitlich festgeschrieben werden: Wahllisten sollten generell in freier, gleicher und geheimer Wahl von allen Mitgliedern oder von den gewählten Delegierten auf einem Parteitag aufgestellt werden. Europaabgeordneter kann nur noch werden, wer explizit von den Bürgerinnen und Bürgern in dieses Amt gewählt wurde. Um zu verhindern, dass sich bestimmte Interessen in Parteien einkaufen können, sollten Parteispenden durch Unternehmen verboten und deren Höhe bei Privatpersonen klar beschränkt werden.
Den Auswahlprozess für Führungspositionen in den EU Institutionen reformieren
Besonders bei den Vertretern der Mitgliedsstaaten, die auf EU Ebene am Gesetzgebungsprozess teilnehmen, besteht bisher so gut wie keine Kontrolle – dabei üben Diplomaten, Minister oder nationale Experten erheblichen Einfluss aus. Es sollen deshalb auf EU-Ebene einheitliche Standards und Verhaltensregeln, sowie klare, objektive und transparente Einstellungsverfahren für alle hohen Beamten eingeführt werden.
8. Rolle der nationalen Parlamente durch eine „Allianz der Parlamente“ stärken
Der Vertrag von Lissabon gibt nationalen Parlamenten die Möglichkeit einzuschreiten, wenn sie durch einen europäischen Gesetzesakt ihre eigenen Kompetenzen und Zuständigkeiten verletzt sehen. Gleichzeitig sind sie natürlich und vor allem auch für die demokratische Kontrolle ihrer Regierungen zuständig. Der Deutsche Bundestag hat sich, oftmals unter Federführung der Grünen, viele seiner im europäischen Vergleich durchaus achtbaren Kontrollrechte hart erkämpfen müssen und ist dafür mehrfach vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Vergleichbare Rechte sollten alle Parlamente für sich durchsetzen und sich gleichzeitig deutlich besser vernetzen. Gerade auf der Ausschussebene ist die Kooperation noch ausbaufähig – auch mit dem Europäischen Parlament muss die Zusammenarbeit auf dieser Ebene noch vertieft werden.
Nationale Abgeordnete sollten Rederecht in den Ausschüssen des Europaparlaments bekommen, Europaabgeordnete auch in den Lnadtagen. Nationale Parlamente sollten vom Europaparlament zu Stellungsnahmen eingeladen werden und das Recht erhalten, EU-Kommissare vorzuladen. Außerdem sollten nationale Parlamente die Möglichkeit bekommen, im Europaparlament einen legislativen Initiativbericht auszulösen.
9. Den Europäischen Rechtsstaat stärken
Die Einhaltung der Bürger- und Menschenrechte ist ein essentieller Grundsatz der EU. Damit ein Land der EU beitreten kann muss es zuvor eine ganze Liste von Kriterien in diesem Bereich erfüllen. Allerdings: Ist ein Land erst einmal der Europäischen Union beigetreten, so nimmt der Druck für Reformen und das weitere Einhalten der Regeln deutlich ab. Klare Verstöße bleiben weitgehend ohne Folgen. Deshalb müssen Parlament und Kommission zusätzliche Werkzeuge gegeben werden, um auch schon unterhalb der in Artikel 7 genannten Mittel wirksame Maßnahmen ergreifen zu können. Ein besseres Monitoring mit Länderberichten und unangekündigten Besuchsmission, sowie dazugehörigen Plenardiskussionen im Europaparlament und nationalen Parlamenten wären ein guter erster Schritt.
10. Einen europäischen Konvent einberufen
Es gilt, die im Zuge der Krise überhastet geschaffenen und nicht ausreichend parlamentarisch kontrollierten Verfahren und Institutionen zu reformieren. Darum soll nach den Europawahlen ein europäischer Konvent einberufen werden, der nötige Vertragsänderungen gründlich und öffentlich diskutiert. Die beschlossenen Änderungen sollen dann in einem europaweiten Referendum von allen Bürgerinnen und Bürgern beschlossen und ratifiziert werden. So kann der Grundstein für ein besseres, demokratischeres und sozialeres Europa gelegt werden. Ein Europa der Bürgerinnen und Bürger.