Sven Giegold

Bankenrestrukturierung: Europaparlament fordert Reißleine für Steuerzahler

Die Richtlinie für Bankenrestrukturierung und -abwicklung schafft einen europaweiten gesetzlichen Rahmen zum Umgang mit Banken im Krisenfall. Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen zukünftig nicht mehr für Bankenrettungen gerade stehen müssen, sondern die Institute mit ihren Eigentümern und Gläubigern selbst. Angeschlagene Institute sollen vorbeugend zum Umsteuern gezwungen werden können, um die Schwierigkeiten und Kosten der Abwicklung möglichst gering zu halten. Diese Regeln sollen die Haftung der Eigentümer und Gläubiger einer Bank wiederherstellen. Soziale Marktwirtschaft soll in Zukunft auch für Banken wieder in Kraft gesetzt werden. Der Wirtschafts- und Währungsauschuss (ECON) des Europarlaments hat heute seine Position zur Richtlinie beschlossen. Nun muss der Rat zu einer Position finden und diese im Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Mitgliedsländern verhandelt werden.

Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament kommentiert das Abstimmungsergebnis:

“Mit seiner heutigen Abstimmung fordert der ECON-Ausschuss die Wiederherstellung des Haftungsprinzips von Eigentümern und Gläubigern im Bankensektor.  Das Parlament verlangt, dass Banken in ganz Europa verpflichtende Abwicklungspläne vorlegen müssen. Außerdem werden Kreditinstitute verpflichtet, sich ein Schutzpolster von Finanzinstrumenten zuzulegen, das im Notfall in Eigenkapital umgewandelt werden kann (Bail-in). Diese beiden Maßnahmen zusammen wirken wie eine Reissleine zum Schutz des Steuerzahlers und sorgen für mehr Eigenverantwortung der Banken: Kommt eine Bank in Schieflage soll nach dem Willen des ECON-Ausschusses eine verbindliche Haftungsreihenfolge greifen. Zuerst haften Aktionäre für die Verluste, dann Anleihenbesitzer. Der Ausschuss stärkt die Forderung der Kommission, dass erst nach Ausschöpfung dieser Reserven, Spareinlagen von über 100.000 Euro zur Deckung der Bankverluste herangezogen werden können. Erspartes bis zu 100.000 Euro wird nicht angerührt. Staatliches Geld darf erst eingesetzt werden, wenn die Instrumente entsprechend der zuvor genannten Hierarchie voll ausgeschöpft wurden. Damit geht das Parlament auf Konfrontationskurs mit EU-Kommission und Mitgliedsländern, die hier zum Nachteil der Steuerzahler mehr Spielraum erhalten wollten.

Eine Hintertür bleibt, die weiterhin den Einsatz von Steuergeldern ermöglicht: Danach dürfen Mitgliedsstaaten von dieser Haftungsreihenfolge abweichen, jedoch nur wenn der Zusammenbruch ihres Finanzsektors droht. Immerhin müssen die Mitgliedsstaaten bei ihrer Entscheidung die Beurteilung des Europäischen Rates für systemisches Risiko (ESRB) berücksichtigen. Nur dann haben Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, Banken ohne ausreichenden Schutzmantel unter ihre Kontrolle zu bringen und finanziell zu stützen.

Außerdem verpflichtet der ECON-Beschluss Kreditinstitute, in fetten Jahren für magere Jahre vorzusorgen, indem sie einen Beitrag zum Aufbau eines effektiven nationalen Abwicklungsfonds leisten müssen. Bei aller Krisenvorsorge darf nicht vergessen werden, dass nicht alle Banken waghalsige Geschäfte eingehen. Der Beschluss berücksichtigt deshalb insbesondere Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Der Beitrag einer Bank zum nationalen Abwicklungsfonds muss sich nach den eingegangenen Risiken richten: Weniger Risiko bedeutet einen geringeren finanziellen Obulus zum Fonds für die jeweiligen Kreditinstitute. Ebenso müssen Banken, die mehr als das vorgeschriebene Eigenkapitalpolster aufweisen, weniger Bail-In Instrumente bereithalten. Außerdem können die Institutssicherungssysteme im Rahmen der Beträge zum Abwicklungsfonds berücksichtigt werden.

Eine weitere Forderung des Europaparlaments: Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) kann verbindliche Entscheidungen zu Restrukturierung und Abwicklung von grenzübschreitenden Banken treffen. Damit können zukünftig Blockaden unter den betroffenen nationalen Aufsichtsbehörden vermieden werden.”

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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