Sven Giegold

Kommissar Rehn wirbt für Bankenrettung auf Steuerzahlerkosten

Wirtschafts- und Währungskommissar Rehn hat sich mit eine Brief an die Europäische Finanzminister gewandt. In diesem Brief stellt er klar, dass eventuelle Staatshilfen zur Rekapitalisierung von Banken im Rahmen der Stresstests bzw. des Asset Quality Reviews im Vorfeld der Übernahme der Bankenaufsicht durch die EZB im Rahmen des Defizitverfahrens nicht angerechnet und zu keinerlei Verschärfungen eines Defizitverfahrens führen werden. Zudem wiederholt er die Vorgaben der neuen Staatsbeihilfe-Regeln der EU-Kommission, dass Gläubigerbeteiligung bei Aktien (shares) und Nachrangobligationen (junior bonds) vorgeschrieben sein wird. Das ist unzureichend.

Den Brief gibt es hier: VP Rehn to FinMin 09102013

Die kommenden Stresstests sind die Nagelprobe, ob nun mit der Bankenrettung auf Steuerzahlerkosten Schluss ist. Die EU-Kommission legt nun leider den Staaten nahe, weiterhin Banken mit öffentlichen Mitteln zu retten. Die Beteiligung von Vorzugsobligationen (senior bonds) gehört zum Haftungsprinzip der Marktwirtschaft. Darauf zu verzichten, ist außerhalb von Systemkrisen nicht akzeptabel. Die EU-Kommission sollte die Mitgliedsländer vielmehr dazu drängen, faire Wettbewerbsbedingungen über das Haftungsprinzip im Binnenmarkt herzustellen.

Sicherlich brauchen die Bilanz- und Stresstests im Vorfeld der Übernahme der Aufsicht durch die EZB Rechtssicherheit, wenn doch Kosten bei den Staaten hängenbleiben sollten. Allerdings darf das nur das allerletzte Mittel sein. Hier geht Rehn über das Akzeptable hinaus.

 

Die Presse schreibt dazu:

 

Stuttgarter Zeitung (vom 12.10.2013)Logo__Stuttgarter__Zeitung

Steuerzahler müssen weiter Banken peppeln

Stresstests Die EU-Finanzminister beraten, ob auch der Rettungsschirm ESM 2014 Milliardenlöcher stopfen soll.

Christopher Ziedler, Brüssel. Das hat es bisher noch nicht gegeben: Im kommenden Frühjahr wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Bilanzen der europäischen Geldinstitute danach durchforsten, on die darin ausgewiesenen Werte überhaupt dem tatsächlichen Wert entsprechen. Denn der Bankensektor in Europa ist keinesfalls über den Berg. Zwar gab es bereits zwei Stresstests, die verschiedene Krisenszenarien durchspielten, doch gelten diese rückblickend als gescheitert, weil die Konditionen zu lax waren und die Prüfer aus den eigenen nationalen Behörden kamen. Weil nun die EZB-Experten anrücken, herrscht eine beträchtliche Nervosität, ob durch die Bilanzprüfung (‚Asset quality review‘) nicht doch noch gewaltige Milliardenlöcher zu tage gefördert werden – auch wenn in der EU-Kommission am Freitag optimistisch verkündet wurde, man ‚erwarte keine negativen Überraschungen‘. Der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier sagte bei einem Besuch in Frankfurt: ‚Europas Banken sind in einem viel besseren Zustand als vor zwei Jahren.‘

Bei der Europäischen Zentralbank, die Ende 2014 die Aufsicht über die rund 130 wichtigsten Banken im Euroraum übernehmen wird und diese Aufgabe ohne Altlasten in den Institutsbilanzen angehen will, ist die Zuversicht ganz offensichtlich nicht so groß. Sie drängt die EU-Staaten schon seit Monaten, sich gegen weitere Bankenpleiten zu wappnen und dafür auch Geld bereit zu stellen. ‚Diese Vorkehrungen müssen getroffen sein, bevor wir unsere Prüfung abschließen‘, hieß es in einem am Freitag verbreiteten Manuskript einer Rede, die EZB-Präsident Mario Draghi am Samstag bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds in Washington halten wollte. Er plädierte für nationale Auffanglösungen. Notgedrungen scheinen sich die Regierungen nun an die Arbeit zu machen: Am Montag und Dienstag stehen beim Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg Beratungen über entsprechende Kreditlinien an, falls es den Banken nicht gelingen sollte, sich aus eigener Kraft über Anleihen oder Veräußerungen selbst zu rekapitalisieren. Die EU-Kommission sorgt gleichzeitig dafür, dass weitere Bankenrettungen nicht erneut die Schuldenspirale in Gang setzen – zumindest formal. In einem Brief, den Währungskommissar Olli Rehn diese Woche an die Finanzminister schickte, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Geldspritzen in Brüssel als ‚einmalige Maßnahmen‘ im Sinne der Finanzstabilität angesehen und bei den Defizitverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung nicht voll berücksichtigt würden. ‚Für einen Mitgliedstaat, der sich bereits in einem Defizitverfahren befindet‘, heißt es in Rehns Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, ‚würde eine Kapitalspritze nicht zu einer Verschärfung des Verfahrens führen.‘

Der Grünen Europaabgeordnete Sven Giegold kritisiert den Vorgang: ‚Die kommenden Stresstests sind die Nagelprobe, ob nun mit der Bankenrettung auf Steuerzahlerkosten Schluss ist. Die EU-Kommission legt nun leider den Staaten nahe, weiterhin Banken mit öffentlichen Mitteln zu retten.‘ Binnenmarktkommissar Barnier sagte in Frankfurt, erst mit der vollständig umgesetzten Bankenunion samt den weiter hoch umstrittenen Abwicklungsmechanismen werde man künftige Bankenkrisen ‚mit minimalen Kosten für den Steuerzahler und die Volkswirtschaft handhaben können‘. Dann sollen auch die Gläubiger stärker herangezogen werden. Im Rahmen der überarbeiteten Brüsseler Beihilferegeln reicht es, wenn Eigentümer und Aktionäre in Haftung genommen werden, ehe öffentliches Geld fließen darf – in der EU-Kommission ist dementsprechend von einem ‚Bail-in light‘ die Rede.

Das Risiko für den Steuerzahler ist bei der nahenden Bilanzprüfung also hoch – und das gleich doppelt: Wenn eine Bank im eigenen Land Hilfe braucht oder ein anderer EU-Staat die nötigen Finanzspritzen nicht finanziert bekommt und um Unterstützung vom Euro-Rettungsschirm ESM bitten muss. Die Finanzminister wollen in diesem Zusammenhang auch über ‚weitere Instrumente zur Aktivierung des ESM reden‘, wie eine EU-Diplomatin sagte. Damit könnten direkte Finanzspritzen ohne Umweg über die Staatskasse gemeint sein, die es eigentlich erst später geben soll. Für Banken in Nicht-Euro-Ländern soll eine Lösung aus dem EU-Haushalt gefunden werden. Dort stehen bereits 50 Milliarden Euro für Länder mit Zahlungsschwierigkeiten zur Verfügung.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.10.2013)faz-logo

Rehn will Geld für Banken nicht auf Defizit anrechnen

Kapitalspritzen gelten für den Währungskommissar als „einmalige Maßnahme“

wmu. BRÜSSEL, 10. Oktober. Die EU-Kommission will Kapitalspritzen von Mitgliedstaaten für marode Banken nicht auf das Haushaltsdefizit dieser Länder anrechnen. Das geht aus einem Brief von Währungskommissar Olli Rehn an die EU-Finanzminister hervor. Damit hat die staatliche Bankenrettung zunächst keine Auswirkungen auf etwaige Defizitverfahren. Rehn bezieht sich speziell auf die Ergebnisse der 2014 anstehenden Bankenbilanzprüfung, welche die Europäische Zentralbank (EZB) als neue Bankenaufseherin im Euroraum durchführen wird. Sollten Staaten im Ergebnis dieser Prüfung gezwungen sein, unterkapitalisierte Banken aus Steuermitteln mit neuem Kapital auszustatten, werde dies im Sinne des EU-Stabilitätspakts als „einmalige Maßnahme“ gewertet. Diese werde nicht zur Eröffnung eines Defizitverfahrens führen, auch wenn dadurch das Staatsdefizit über den Maastrichter Referenzwert von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) getrieben werden sollte. Dagegen will Rehn ein Verfahren eröffnen, wenn die Kapitalspritzen die Schuldenquote über den Maastricht-Wert von 60 Prozent des BIP steigen lassen. Die Regelung werde gelten, bis die geplante Richtlinie zur Bankenabwicklung und der „Abwicklungsmechanismus“ in Kraft getreten seien.

Rehn verweist ferner auf die seit August gültigen neuen EU-Vorschriften für Bankenhilfen. Darin ist vorgeschrieben, dass die Staaten Banken mit Kapitallücken erst dann unterstützen dürfen, wenn diese vorher Anteilseigner und nachrangige Gläubiger mit einem „angemessenen Beitrag“ zur Deckung des Kapitalbedarfs herangezogen haben. Diese Regelungen nehmen teilweise das in der Abwicklungsrichtlinie vorgesehene Prinzip vorweg, dass zunächst Anteilseigner und Gläubiger einer Bank für deren Schieflage haften müssen, dann die Nationalstaaten und nur im äußersten Notfall eine europäische Instanz.

Rehns Klarstellung schreibt die bisherige Praxis in der Beurteilung staatlicher Bankenhilfen fort. Sie spielt aber in der laufenden Diskussion über die geplanten Regeln zur Bankenabwicklung eine wichtige Rolle. Die EZB drängt die Staaten zu einer möglichst baldigen Festlegung, für kapitalschwache Banken im Notfall auch mit staatlichen Hilfen bereitzustehen. Die Eurogruppe will darüber auf ihrem Treffen am Montag in Luxemburg sprechen. Rehn weist darauf hin, dass staatliche Kapitalspritzen laut dem EU-Statistikamt Eurostat prinzipiell als defizitrelevant in der Maastricht-Definition einzustufen sind. Dies war bisher nicht geklärt. Vor diesem Hintergrund befürchtet Rehn offenbar, dass sich die Mitgliedstaaten ohne eine Brüsseler Freistellung vom Defizitverfahren mit einer Bankenrekapitalisierung zurückhalten könnten, wenn sich diese als notwendig erweist. „Hiermit ist geklärt, dass die EU-Fiskalregeln keine wirksamen öffentlichen Bankenhilfen verhindern“, schreibt der Kommissar.

Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold kritisierte, die EU-Kommission lege den Staaten nahe, weiterhin Banken mit öffentlichen Mitteln zu retten. Er bemängelte besonders, dass die Behörde vorrangige Gläubiger vorerst nicht in die Haftung einbeziehen wolle. „Eine Beteiligung von Vorzugsobligationen gehört zum Haftungsprinzip der Marktwirtschaft. Darauf zu verzichten ist außerhalb von Systemkrisen nicht akzeptabel“, sagte er.

 

 

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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