Sven Giegold

BVerG-Urteil zur EZB: Bundesregierung muss nun Vorschlag für gemeinsame Fiskalpolitik der Euroländer vorlegen

Das Bundesverfassungsgericht hat die EZB-Beschlüsse zum Anleihekaufprogramm (PSPP) in seinem heutigen Urteil für kompetenzwidrig erklärt. Die vorausgegangene positive Vorabentscheidung des europäischen Gerichtshof erklärten die deutschen Verfassungsrichter für nicht nachvollziehbar und damit willkürlich, weil der Gerichtshof die wirtschaftlichen Auswirkungen des Programms in seiner Bewertung ausgeklammert habe. Das Urteil stellt fest, die EZB habe es versäumt, die Verhältnismäßigkeit des Anleihekaufprogramms abzuwägen. Deshalb verpflichteten die Karlsruher Richter die Bundesregierung und den Bundestag, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB hinzuwirken. Nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten darf die Bundesbank sich nun nicht mehr am Anleihekaufprogramm der EZB beteiligen, es sei denn letztere fällt eine neue Entscheidung und legt darin die Verhältnismäßigkeit des Programms dar. 

Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

“Das Urteil zeigt, dass die Versäumnisse der Euroländer die EZB in eine sehr schwierige Lage gebracht haben. Der Richterspruch muss ein Weckruf für die Bundesregierung sein. Die Verantwortungsabwälzung der Regierungen auf die EZB muss nun ein Ende haben. Das Handeln der EZB liegt im Versäumnis der Euroländer begründet, eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik zu machen. Die Bundesregierung sollte nun einen Vorschlag für eine demokratisch legitimierte Fiskalpolitik der Euroländer vorlegen. Die Lehre aus dem Urteil muss sein, dass die Regierungen der Eurozone die EZB nicht länger alleine lassen darf. Eine gemeinsame Fiskalpolitik kann die Geldpolitik entlasten. Europapolitisch ist es brandgefährlich, dass die Bundesregierung eine gemeinsame, solidarische Fiskalpolitik blockiert und das Bundesverfassungsgericht die gemeinsame Geldpolitik einengt. Jetzt braucht es einen proeuropäischen Impuls aus Deutschland für die Fiskalpolitik der Eurozone. 

Dennoch gilt: Das Urteil sollte nicht zu Schnellschüssen führen. Das Urteil bedeutet nicht, dass die Bundesbank ihre Beteiligung an den Anleihekäufen sofort beenden muss. Es ist wichtig, dass die Richter keine monetäre Staatsfinanzierung festgestellt haben. Im Kern geht es den Richtern um die Begründung der Geldpolitik. Bundestag und Bundesregierung müssen sich nun mit dem Urteil befassen. Wichtig ist, dass das EZB-Programm PEPP zur Coronakrise von dem Urteil ausdrücklich nicht betroffen ist.”

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Rubrik: Wirtschaft & Währung

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