Sven Giegold

CETA: Jetzt gilt’s. Nächste Woche Abstimmung im Europaparlament.

Nächste Woche, voraussichtlich am 15. Februar, wird das Europaparlament über das EU-Kanada-Abkommen CETA abstimmen. Nach dieser Abstimmung wird das Abkommen vorläufig angewendet und muss dann von allen Vertragsstaaten, darunter die 28 EU-Mitgliedsländer, ratifiziert werden. Der umstrittene zusätzliche Schutz von ausländischen Investoren ist von der vorläufigen Anwendung ausdrücklich ausgenommen. Leider ist zu erwarten, dass das Abkommen im Plenum des Europaparlaments angenommen wird. Grüne und Linke werden gegen das Abkommen stimmen, aber Christdemokraten, Liberale, Rechtskonservative und auch viele Sozialdemokraten sind entschieden für das Abkommen, trotz der Proteste der Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft. Für die europaweit aktive Zivilgesellschaft ist das natürlich eine herbe Enttäuschung. Trotzdem hat diese Bewegung in kurzer Zeit viel erreicht, denn sowohl für CETA als auch für weitere Freihandelsabkommen nach gleichem Muster, ist die politische Luft dünner geworden.

Aber auch mit der Zustimmung des Europaparlaments ist das Abkommen noch lange nicht endgültig beschlossen. Denn auf dem Weg der nationalen Ratifizierung liegen noch viele Stolpersteine. In den Niederlanden ist eine Volksabstimmung zu erwarten. In Österreich ist die Zustimmung nicht sicher. Die linke Regierung in Griechenland könnte das Abkommen leicht versenken. Die belgische Region der Wallonie droht weiter mit einem Veto im nationalen Ratifizierungsverfahren. In Deutschland wird erst das Bundesverfassungsgericht über das Abkommen entscheiden, danach muss es von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Im Bundesrat hat CETA derzeit keine Mehrheit. Denn die Landesregierungen mit Beteiligung von uns Grünen und Linken werden das Abkommen ablehnen. Das hat auch die Bundesdelegiertenkonferenz im letzten Herbst mit überwältigender Mehrheit gefordert. Es ist bekannt, dass das Abstimmungsverhalten der Grünen in den Landesregierungen von Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg unklar ist, obwohl sich die Landesparteien in den jeweiligen Landtagswahlkämpfen eindeutig festgelegt haben. Die Ablehnung von CETA wurde beim letzten Bundesparteitag noch einmal mit überwältigender Mehrheit bestätigt. Ich habe –  wie viele andere Grüne – persönlich mehrfach angekündigt, dass eine Kursänderung völlig inakzeptabel wäre und harten Streit auslösen würde. Dazu stehe ich. Unabhängig davon hat CETA derzeit selbst ohne Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg im Bundesrat keine Mehrheit.

Wir sollten das Thema der europäischen Handelspolitik im Bündnis mit Zivilgesellschaft und Gewerkschaften mit Nachdruck in die kommenden Wahlkämpfe tragen. Denn hier geht es nicht nur um ein einzelnes Abkommen, sondern um die Blaupause für eine neue Generation von Freihandelsabkommen, die sich am falschen Leitbild orientieren: Globale Öffnung der Märkte, ohne gleichzeitig starke soziale, ökologische und demokratische Regeln zu verankern. Hinter CETA und den vielen anderen bilateralen Handelsabkommen, die die EU derzeit verhandelt, steht nicht die Globalisierung der sozialen Marktwirtschaft. Das in den Verträgen verankerte Modell ist nicht der faire Handel, sondern Freihandel ohne starken Ordnungsrahmen – also die marktradikale Variante der Globalisierung. Selbstverständlich ist Abschottung das Gegenteil von fairem Handel. Offene Märkte sind wünschenswert, aber nur, wenn sich gleichzeitig die demokratischen Regeln globalisieren. Das liefert CETA nicht ansatzweise, trotz allen Schönredens der letzten Monate. Leider haben auch Martin Schulz und die deutsche SPD, wie auch CDU/CSU und FDP diese Abkommen immer unterstützt.

Jüngst haben viele öffentliche Kommentatoren zu bedenken gegeben, dass wir Grünen diese kritische Haltung angesichts der Abschottungsdrohungen des neuen US-Präsidenten Trump überdenken sollten. Dazu habe ich einen Meinungsbeitrag in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht, der unten in der Langfassung nachzulesen ist. Denn mit Trump für CETA zu argumentieren, ist nachgerade absurd. Denn die Wahl Trumps geht genau auf die soziale Spaltung zurück, die die Globalisierung der Märkte ohne starke soziale und ökologische Standards mitproduziert hat.

 

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Trump: Europas Chance für einen Neuanfang in der Handelspolitik nutzen!

Die Drohungen des neuen US-Präsidenten Trump in der Handelspolitik sind brandgefährlich. Neuer Protektionismus nützt kurzfristig der eigenen Wirtschaft, führt aber zu Gegenmaßnahmen der Handelspartner, so dass am Ende alle Beteiligten verlieren. Mexiko, Kanada und die pazifischen Handelspartner der USA müssen nun entscheiden, wie sie auf Trumps neue Politik reagieren sollen. Für Europa ist das eine große Chance. Denn wie in den USA hat die Globalisierung zusammen mit dem beschleunigten technischen Wandel zu einer tiefen sozialen Spaltung der Gesellschaft geführt. Die Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Kirchen und viele Unternehmen sind mit den bestehenden Regeln im Welthandel zurecht unzufrieden. Denn sie haben zwar die Märkte geöffnet, aber soziale und ökologische Regeln nicht globalisiert. Auch deshalb geht in der Welthandelsorganisation nichts mehr vorwärts. Immer mehr Menschen wollen keine noch tiefere ökonomische Globalisierung hinnehmen, die Menschenrechte untergräbt und unseren Planeten nicht schützt. Die starken Bürgerproteste gegen TTIP, CETA und Co. haben die rasche Vertiefung der wirtschaftlichen Globalisierung unmöglich gemacht. Nun argumentierten am vergangenen Mittwoch in dieser Zeitung  die sozialdemokratischen Ökonomen Sebastian Dullien und Jakob von Weizsäcker, dass die Kritiker ihren Widerstand überdenken sollten. Wir müssten den neuen Handelsverträgen zustimmen, um die multilaterale Handelsordnung im Angesicht von Trumps Abschottungspolitik zu retten. TTIP, CETA & Co. folgen jedoch der gleichen Logik wie die bestehende Handelsordnung. Die Märkte für Dienstleistungen, Investitionen und Güter werden weiter geöffnet, ohne gleichzeitig starke soziale und ökologische Standards zu setzen. Die Marktöffnungen werden vor Sondergerichten für Großunternehmen durchsetzbar, während Menschenrechtsverletzungen und Naturzerstörungen durch Investoren weiter ungestraft bleiben. Diesem miesen Deal zuzustimmen wäre ein unverzeihlicher Fehler der ungenutzten Chance. Denn jetzt besteht die Möglichkeit für die Europa mit von Trump enttäuschten Staaten Handelsverträge zu verhandeln, die Marktöffnungen tatsächlich mit starken sozialen und ökologischen Regeln verbinden. Nur so können wir der Abschottung etwas entgegensetzen, ohne die Spaltungen in unseren Gesellschaften weiter zu vertiefen und damit die europäischen Rechtspopulisten zu stärken. Denn wirklich europäisch sind Handelsverträge nur, die auf Werten wie Freiheit, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten beruhen. Jetzt schlägt die Stunde Europas tatsächlich eine Handelspolitik durchzusetzen, die sich am Leitbild des fairen Handels orientiert, der einzig wirklich freier Handel ist.
Quelle: http://www.fr-online.de/wirtschaft/welthandel-trumps-drohungen-sind-europas-chance,1472780,35121678.html