Vielen Dank für Ihre Aufforderung an uns Abgeordnete, zu TTIP Stellung zu beziehen!
Das bestärkt mich in meiner Arbeit gegen TTIP seit der letzten Legislaturperiode. Ihrer Kritik am geplanten EU-US-Handelsabkommen TTIP, bzw. dem Verhandlungsmandat des Rates der EU dafür, kann ich zustimmen. Ja, wir Grünen setzen uns dafür ein, die Verhandlungen für TTIP auf Grundlage dieses Mandates sofort zu beenden. Schon vor der letzten Europawahl haben wir Grünen unsere Argumente beispielsweise in einem Flyer zusammengefasst. Schon damals habe ich so öffentlich wie möglich vor diesem TTIP gewarnt wie in diesem Interview.
Weil wir Grüne eine Diskussion nicht mehr ertragen wollten, in der die Gefahren weggewischt wurden und gleichzeitig die Diskussionsgrundlage geheim bleiben sollte, haben wir schon vor über einem Jahr das Mandat auf Deutsch unter www.ttip-leak.eu veröffentlicht. Diese kommentierte Veröffentlichung ist Ausdruck unserer Überzeugung, dass der Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Transparenz vorrangig ist.
Was auch Sie beschreiben ist eines der Grundprobleme dieses Verhandlungsmandats: Standards sollen zwar nicht vereinheitlicht, aber “gegenseitig anerkannt” werden. Chemikalien könnten so beispielsweise nach US-amerikanischen oder europäischen Standards für den Markt genehmigt werden. Die von der Zivilgesellschaft und den Grünen erkämpften Hürden durch REACH würden nicht abgeschafft. Aber sie könnten jederzeit durch Anmeldung nach US-Standards umgangen werden und würden de facto wirkungslos. Die Wachstumsprognosen des Abkommens beruhen auf der politisch sehr unrealistischen Annahme, dass diese gegenseitige Anerkennung für den ganz überwiegenden Teil der Produktstandards erreicht werden kann. Weil schon in den USA aber viele Standards auf Ebene der Bundesstaaten gesetzt werden, ist das kaum erreichbar. Selbst diese sehr optimistischen Annahmen führen zu zusätzlichem Wirtschaftswachstum von nur 0,05 Prozent pro Jahr – weniger als der übliche Messfehler. Die Wachstumsprognosen gehen auch nach Studien der Befürworter zu Lasten von Drittstaaten. Tunesien, das vielleicht wichtigste Positivbeispiel für demokratischen Wandel in Nordafrika würde prozentual mehr verlieren als die EU angeblich gewinnen soll.
Wir teilen auch Ihre Bedenken zur sogenannten “Regulatorischen Kooperation”. Ich glaube, an dieser Stelle wird deutlich, dass TTIP-Projekt eine Reaktion darauf ist, wie erfolgreich sich die Europäische Demokratie entwickelt hat. Stück für Stück haben Bürgerinnen und Bürger in sozialen Bewegungen und Pro-Europäer geschafft, dem gemeinsamen europäischen Markt eine Demokratie auf europäischer Augenhöhe zur Seite zu stellen. Dadurch gab es langfristig immer bessere EU-Gesetze zum Schutz der ArbeitnehmerInnen, der Umwelt, der VerbraucherInnen. TTIP könnte einen großen Rückschritt bedeuten, indem es die Marktliberalisierung auf eine Ebene hebt, in der wir kein Parlament haben, keine Demokratie, mit der wir ökologische und soziale Fortschritte durchsetzen können. Europa muss seine Gesetze selbst demokratisch beschließen können, unabhängig von der Zustimmung der amerikanischen Partner und von Lobbyisten. Deshalb sind neue Gremien durch TTIP, in denen diese Akteure Vote-Rechte hätten, nicht akzeptabel. Genauso sollten die teils besseren amerikanischen Standards in der Finanzmarktregulierung nicht von europäischen Partnern verwässert werden können.
Der Kommentarchef der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl hat Recht, wenn der die Investor-Staats-Klagen vor geheim tagenden Schiedsgerichten als eine Art “Staatsstreich” bezeichnet. Demokratie und soziale Marktwirtschaft bedeuten, dass Konzerne Gewinne machen können, sich aber an demokratisch gesetzte Regeln halten müssen. Wenn die Steuerzahler aber milliardenschwere Entschädigung für den Atomausstieg oder mehr Umweltschutz zahlen sollen, stellt das die Demokratie auf den Kopf. Das Mandat mit dieser Forderung muss zurück genommen werden, sonst bleibt die EU-Kommission beauftragt, diesen “Investorenschutz” weiter zu verhandeln. Ich werde es auch den Sozialdemokraten weiterhin nicht durchgehen lassen, ihre Zustimmung zu ISDS als etwas anderes darzustellen. Wir brauchen dringend ihre Stimmen für ein klares Nein zu ISDS: https://sven-giegold.de/2015/bernd-lange-spd-stimmen-fuer-private-schiedsgerichte-in-ttip/
Ja, ich bin mir der Gefahren von TTIP für unsere Europäische Demokratie bewusst und lehne dieses Mandat für die Verhandlungen deshalb schon lange ab und werde wie auch unsere Grüne Fraktion konsequent so abstimmen. Ich hoffe Sie werden verfolgen, wie die Abgeordneten am Mittwoch in namentlicher Abstimmung votieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Giegold
Warum die Grünen gegen dieses TTIP-Abkommen sind: http://www.gruene-europa.de/warum-die-gruenen-gegen-ttip-sind-14105.html
Wie die EU-Kommission “regulatorische Kooperation” generell einführen will: http://www.gruene-europa.de/bessere-rechtssetzung-14012.html