Industrieverbände und Transparency International Deutschland haben sich heute für ein verbindliches Lobbyregister und einen legislativen Fußabdruck für Gesetzesentwürfe ausgesprochen. Das Statement wurde schon im April 2018 von Transparency International und dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) vorgestellt, jetzt aber neu auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) den Familienunternehmen, den Verbraucherzentralen und dem Naturschutzbund unterstützt. Das Papier lehnt eine zu detaillierte Berichtspflicht von Abgeordneten über Lobbytreffen ab. Die Verbände reagieren damit wenige Tage vor der Einführung verbindlicher Regeln für die Veröffentlichung von Lobbytreffen von Europaabgeordneten, die an EU-Gesetzen mitschreiben. Die im Europaparlament am 31. Januar knapp und umkämpft beschlossenen Regeln treten voraussichtlich Mitte nächster Woche in Kraft. Die europäischen Regeln gehen auf den Initiativbericht von MdEP Sven Giegold (Grüne) über „Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen“ zurück. Transparency International hatte diese Regeln auf EU-Ebene aktiv unterstützt. Der damalige Transparency-Kampagnenleiter Daniel Freund ist jetzt neuer Grüner Europaabgeordneter und übernimmt die weitere Arbeit für Lobbytransparenz in der Europagruppe von Bündnis 90/Die Grünen.
Dazu erklärt Daniel Freund, neuer Europaabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:
„Ein verbindliches Lobbyregister ist in Deutschland überfällig. Industrieverbände und Transparency International fordern zu Recht mehr Transparenz als die bisherige Verbändeliste bietet. Es braucht Klarheit darüber wie viel Geld jeweils in Lobbying fließt und eine breite Registrierungspflicht auch für Unternehmen, NGOs und die Politik lobbyierende Anwaltskanzleien. Aus gutem Grund empfehlen Industrie und Transparenz-NGOs gemeinsam das bewährte EU-Transparenzregister für Lobbyisten als Vorlage für ein neues deutsches Lobbyregister. Es ist bezeichnend, dass inzwischen die Lobbyisten selbst die Transparenz fordern, auf die sich die Große Koalition aus Union und SPD bis heute nicht einigen konnte.“
Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament und bisher dessen Berichterstatter für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen ergänzt:
„Deutsche Lobbytransparenz sollte nicht schlechter sein als der europäische Standard. Ein deutsches Gesetz für Lobbytransparenz muss dafür sorgen, dass Lobbyisten ihre Ziele und Finanzen offenlegen und es muss für Bürger transparent werden, wer welches Gesetz beeinflusst. Die Regeln für EU-Kommissare, nur öffentlich registrierte Lobbyisten zu treffen und ihre Treffen zu veröffentlichen, haben sich 5 Jahre lang bewährt. Die in den nächsten Tagen in Kraft tretenden Regeln für Europaabgeordnete, die an EU-Entscheidungen mitschreiben, sind ein vorbildlicher Kompromiss zwischen Transparenz und Freiheit des Abgeordnetenmandats. Die jetzt von den Verbänden vorgeschobenen Bürokratiebefürchtungen sind in der EU-Praxis längst widerlegt. Ein deutsches Lobbyregister ohne Pflicht für Bundestagsabgeordnete, ihre Lobbytreffen zu veröffentlichen, wäre nur ein verbessertes Verbänderegister und eine entscheidende Schwäche im internationalen Vergleich. Neben der EU sind auch Frankreich, Irland, die USA und Kanada längst weiter.“
HINTERGRUND
„Registrierungspflicht: Volle Transparenz ist nur möglich, wenn ein Register für alle gilt und es keine Ausnahmen gibt. Daher setzen sich der VCI und Transparency Deutschland für ein Transparenzregister ein, das alle Interessenvertretungen erfasst. Dazu gehören insbesondere Verbände, Unternehmen, NGOs, Stiftungen, Gewerkschaften, religiöse Vereinigungen, Anwaltskanzleien, Think Tanks, Beratungsunternehmen, Public-Affairs-Agenturen, selbstständige Beraterinnen und Berater sowie kommunale Spitzenverbände und Einrichtungen der Selbstverwaltung.“
„Erstens sollte es die Höhe der für die Interessenvertretung eingesetzten Finanzmittel ausweisen. Zur Lösung der damit verbundenen Abgrenzungsfragen schlagen der VCI und Transparency Deutschland vor, sich an den derzeit auf EU-Ebene existierenden „Transparency Register Implementing Guidelines“ zu orientieren.“
„Deshalb sollte die Phase vor Vorliegen einer Kabinettsvorlage eines Gesetzesvorhabens in einem legislativen Fußabdruck berücksichtigt und dokumentiert werden. Eine allgemeine und kontextlose Berichtspflicht für Mitglieder des Bundestags sowie politische Amtsträgerinnen und Amtsträger einzuführen, die festhält, wer sich mit wem wann, über was, wie lange und mit welchem Ergebnis ausgetauscht hat, würde aus Sicht des VCI und Transparency Deutschland in eine uferlose Bürokratie münden.“