Sven Giegold

Die ZEIT: Trennt die Banken, aber richtig!

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Die ZEIT, 02.01.2014

Trennt die Banken, aber richtig!

Die EU will den Geldhäusern den riskanten Eigenhandel verbieten. Doch ihre Plane greifen zu kurz

VON SVEN GIEGOLD. Wir schreiben das Jahr sechs nach Lehman und immer noch kreist der Berg. Wenn er denn wenigstens eine Maus gebaren wurde! Pünktlich zur Weihnachtszeit zirkulierte der Entwurf der EU-Kommission zum Trennbankensystem in Brüsseler Lobbyistenkreisen. Dabei geht es um die Frage, wie mit den riskanten Handelsaktivitäten der Banken umgegangen werden soll. Bei typischen Großbanken macht das klassisches Einlage- und Kreditgeschäft nur noch ein Viertel

ihrer Aktivitäten aus. Der Löwenanteil ihres Geschäfts ist der Handel mit Wertpapieren und Derivaten. Banken sollten jedoch nicht mit den staatlich geschützten Kundeneinlagen spekulieren oder gar zu – bloß als Banken verkleidete – Hedgefonds mutieren. Deshalb soll das Handels- vom Kreditgeschäft separiert werden.

Der Entwurf wird seit Monaten erwartet und wurde immer wieder verschoben. Wurde die Kommission die Deutsche Bank zerschlagen? Oder ihre lukrativsten Handelsgeschäfte verbieten? Heraus kam ein Papier, das alle wichtigen Fragen bis 2018 offen lässt. So kann der Streit zwischen Finanzlobbyisten und Bürokraten noch lange weitergehen. Zwischen diesen beiden Lagern findet seit einigen Jahren ein Wettrüsten mit fatalen Resultaten statt. Die Lobbyfeilscht um Hunderte von Ausnahmen, die in kleinsten Verästelungen juristisch geregelt werden. Den Großbanken, die ganze Kompanien von Spezialisten bezahlen können, fällt es nicht schwer, die notwendigen Schlupflocher zu finden. So wird ein teures und hoch bürokratisches System der Placeboregulierung aufgebaut. Und kleinere Banken haben enorme Wettbewerbsnachteile, weil sie sich die Regulierungsspezialisten nicht leisten können.

Der Trennbankenentwurf verspricht ein ineffektives bürokratisches Monstrum zu werden. Die Kommission schlägt großspurig vor, Eigenhandel zu verbieten. Nur definiert sie ihn extrem restriktiv: Verboten sind lediglich Transaktionen, deren alleinige Absicht ist, Gewinn auf eigene Rechnung zu erzielen, und die ohne jegliche Verbindung zu Kundenaktivitäten stehen. Man kann sich aber kaum ein Geschäft vorstellen, für das überhaupt kein Kundenbezug zu konstruieren ist. Nicht ohne Grund behauptet zum Beispiel die Deutsche Bank trotz eines Handelsbuchs von rund 1200 Milliarden Euro, keinen Eigenhandel zu betreiben. Auch die USA haben mit ihrer Volcker Rule versucht, den Eigenhandel zu verbieten. Dort wurden bereits die Details der Regel beschlossen. Das Resultat war ein 867-seitiges Gesetz, über das sich die Finanzwirtschaft kaputtlacht, weil es so viele Hintertüren offen lasst. Genauso soll es nun auch in Europa kommen.

Die Kommission fordert weiter, alle gefährlichen Handelsaktivitäten in rechtlich selbstständige Gesellschaften auszugliedern. Leider will sie nicht entscheiden, was wirklich gefährlich ist. Das müssen die Aufsichtsbehörden leisten, die dafür bis Juni 2018 Zeit haben. Und das bedeutet: Es herrscht weiter Rechtsunsicherheit. Keine Bank weiß, woran sie ist. Die behördlichen Entscheidungen werden zudem eine Reihe von Gerichtsverfahren nach sich ziehen, die wiederum viel Zeit kosten.

Dabei wäre alles so einfach gewesen: Die Vorschriften, die den USA bis in die 1980er Jahre größte Stabilität verschafften – der sogenannte Glass-Steagall Act –, waren einfach, hart und effektiv. Das Gesetz passte auf 37 Seiten. Sein Kern war ein unbürokratisches Trennbankensystem: Banken, die Kundeneinlagen annehmen, dürfen keinen Handel betreiben. Die Regel war so einfach, weil sie keine Ausnahmen zuließ. Niemand konnte mit Heerscharen von Lobbyisten dafür sorgen, dass die lukrativsten Handelsaktivitäten als ungefährlich ausgenommen wurden.

Das wäre auch in Europa möglich, ohne die Universalbanken zu zerschlagen. Die Banken mussten sich in zwei klar und hart getrennte Einheiten aufteilen, die sich unabhängig finanzieren. Selbst wenn das geschieht, konnten Kundenberater noch sowohl klassische Bankgeschäfte als auch Produkte der Investmentbank anbieten. Das Informationsungleichgewicht zwischen Herstellern und Käufern von Finanzprodukten wäre also nicht beseitigt. Das geht nur mit einer eigentumsrechtlichen Trennung zwischen Investmentbanken und Finanzvertrieb. Dieses Thema wird wohl erst bei der nächsten Zuspitzung der Krise auf die Agenda kommen.

 

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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