Sven Giegold

Verfassungsausschuss im Europaparlament: Durchbruch für verpflichtende Transparenz im Lobbyismus

Heute hat der Verfassungsausschuss des Europäischen Parlaments (AFCO) zum ersten Mal verbindliche Regeln für die Lobbytransparenz von Europaabgeordneten beschlossen. In einer hart umkämpften und knappen Abstimmung setzte sich der Kompromissantrag des britischen Sozialdemokraten Richard Corbett durch (11 dafür, 10 dagegen). Er basiert auf einem Grünen Änderungsantrag und dem 2017 vom Europaparlament beschlossenen Bericht über Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen, den Sven Giegold entworfen hatte. Tausende Bürger hatten sich an Ideensammlungen und Petitionen zur Überwindung von Blockaden beteiligt.

Der heute beschlossene Bericht über die Änderung der Geschäftsordnung kommt voraussichtlich im Januar 2019 ins Plenum. Dort ist für jede einzelne Änderung eine Mehrheit der Mitglieder des Parlaments nötig, eine ungewöhnlich hohe Hürde. Die Abstimmung beeinflusst auch die Verhandlungen über eine Verbesserung des EU Transparenzregisters für Lobbyisten. Diese Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat waren ins Stocken geraten, weil die Kommission nur weiter verhandeln wollte, wenn das Parlament sich so wie schon die Kommission selbst verbindliche, nicht nur freiwillige Regeln für Lobbytransparenz gibt.

 

Zur heutigen Abstimmung sagt Sven Giegold, Berichterstatter des Europaparlaments für Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Institutionen und Ko-Spitzenkandidat von Bündnis 90/Die Grünen zur Europawahl:

“Die heutige Abstimmung ist ein Durchbruch für verbindliche Lobbytransparenz im Europaparlament. Zum ersten Mal kann sich das Europaparlament nun verpflichtende Regeln für die Offenlegung von Lobbyeinflüssen auf die Gesetzgebung geben. Der legislative Fußabdruck ist ein großer Schritt zu mehr Transparenz im Lobbyismus im Europaparlament. Die Transparenzregeln bringen dem Bürgern Klarheit, wer die Abgeordneten beim Schreiben eines Gesetzes beeinflusst hat. Wenn der Lobbyismus mächtiger Interessen transparent wird, lässt sich auch ihr Einfluss einhegen. Das ist ein Meilenstein für die europäische Demokratie. Vier Jahre lang habe wir Grüne auf diesen Erfolg hingearbeitet. Aber auch der Druck tausender Bürgern und vieler NGOs trägt jetzt Früchte.

Schon bald müssen alle Europaabgeordneten Farbe bekennen, ob sie den Bürgern diese Klarheit über den Lobbyismus bescheren wollen. Diese Transparenz-Reform der EU-Institutionen ist dringend nötig, um das Vertrauen in die EU zu stärken. Transparenz nimmt den Attacken von Populisten auf die EU den Wind aus den Segeln. Wenn Kommission und Parlament ihre Führungsposition bei der Transparenz in Europa zurückerobern, laufen die Angriffe der Populisten ins Leere.

Die EU-Kommission, allen voran der sozialdemokratische Spitzenkandidat und Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans, haben sich hinter die grünen Änderungsanträge gestellt und ebenfalls zum heutigen Erfolg beigetragen. Frans Timmermans sollte jetzt deutlich machen, dass die Pflicht für Entscheidungsträger im Parlament, ihre Treffen mit Lobbyisten offen zu legen, ausreichende Grundlage ist, um die Verhandlungen für ein stärkeres EU Lobbyregister wieder aufzunehmen.”

 

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HINTERGRUND: Kompromiss-Antrag für verbindliche Lobbytransparenz

COMP: Covers AM 68 – Rule 11 – paragraph 2a (new)

“Members should publish online all scheduled meetings with interest representatives falling under the scope of the Transparency register. Rapporteurs, shadow rapporteurs and committee chairs shall, for each report, publish online all scheduled meetings with interest representatives falling under the scope of the Transparency register. The Bureau shall provide for necessary infrastructure on Parliament’s website.”

 

HINTERGRUND: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. September 2017 zu Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Organen

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P8-TA-2017-0358+0+DOC+XML+V0//DE

Das Europäische Parlament…

  • 4.  ist der Ansicht, dass Berichterstatter, Schattenberichterstatter und Ausschussvorsitze in den Geltungsbereich des Transparenz-Registers fallende Sitzungen mit Interessenvertretern zu Dossiers in ihrem Zuständigkeitsbereich mithilfe besonderer Formulare (legislativer Fußabdruck) veröffentlichen sollten und Ausnahmen von dieser Vorgehensweise nur zum Schutz des Lebens und der Freiheit von in gutem Glauben handelnden Informanten greifen dürfen;
  • 11.  ist der Auffassung, dass die Mitglieder des Europäischen Parlaments, die als Berichterstatter, Schattenberichterstatter oder Ausschussvorsitze fungieren, angesichts ihrer Rolle im Rechtsetzungsverfahren der EU eine besondere Verantwortung dafür tragen, ihre Kontakte zu Interessenvertretern offenzulegen;