Einigung beim Gipfel der Staatschefs der Eurozone:
Unausgewogen zur Euro-Wirtschaftsregierung
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone einigten sich Freitagnacht über einen Euro-Pakt (vormals Pakt für Wettbewerbsfähigkeit).
Dazu erklärt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament:
„Grundsätzlich ist die Einigung auf einen Euro-Pakt zu begrüßen. Die EU braucht dringend eine europäische Wirtschaftsregierung. Die geplanten Vorhaben sind jedoch wirtschaftspolitisch unausgeglichen. Zum Abbau von wirtschaftlichen Ungleichgewichten sieht der Pakt ausschließlich Mitgliedsländer mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit in der Bringschuld. Sie sollen besonders durch Lohnsenkungen ihre Exporte steigern und wieder Anschluss finden. Gleichzeitig ist der Pakt blind gegenüber einer notwendigen Verringerung von Leistungsbilanzüberschüssen, wie in Falle Deutschlands. Damit droht der Pakt aus Rücksichtnahme auf ökonomische Sonderinteressen zu scheitern.
Erfreulich ist hingegen die Ankündigung, mit geeigneten gemeinsamen Instrumenten die Produktivitätsentwicklung in schwächeren Mitgliedsstaaten zu unterstützen.
Sollten Mitgliedsstaaten sich nicht ausreichend anstrengen, die Ziele wie Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu erreichen, setzt der Pakt vor allem auf Gruppendruck. Auf Selbstkontrolle anstatt effektiver Sanktionen zu setzen, grenzt insbesondere angesichts der kläglichen Erfahrungen bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie an politische Naivität.
Ökologisch ist der Pakt leider ebenso blind wie in sozialer Hinsicht. Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit werden sektorübergreifend gefordert, statt sich auf sozial-ökologische Zukunftssektoren wie erneuerbare Energie, Energieeffizienz, Bildung und Gesundheit zu konzentrieren. Ein Grüner New Deal sieht anders aus!
Fiskalpolitisch bekennen sich die Mitgliedsstaaten zur Notwendigkeit, über 60 Prozent des BIP liegende Verschuldung jährlich um ein Zwanzigstel abzubauen. Da dies in Jahren des Abschwungs unmöglich ist, bleibt der Pakt hier makroökonomisch mysteriös.
Als Maßnahme zur Erhöhung der griechischen Staatseinnahmen fordert der Pakt umfangreiche Privatisierungen von 50 Milliarden Euro. An diesem Punkt offenbart das Papier einen Mangel an steuerpolitischen Strategien zur Einnahmeerhöhung. Die von der BILD-Zeitung publizierten Vorschläge zur Privatisierung von Inseln zur Aufbesserung der Staatskasse haben damit traurigen Eingang in die Europapolitik gefunden.
Leider ist es der Bundesregierung auch gelungen, ihre Ablehnung einer Gemeinsamen Steuerlichen Bemessungsgrundlage in dem Papier unterzubringen. Lediglich eine aufkommensneutrale Harmonisierung der Bemessungsgrundlage (GKB) für Unternehmenssteuern wird begrüßt. Die von der Kommission geforderte Konsolidierung (GKKB) wird indirekt abgelehnt, damit verliert das Instrument seine Zähne gegen Steuerschieberei.
Begrüßenswert ist die Forderung des Paktes, die Steuersysteme beschäftigungsfreundlicher zu machen und Anreize zur Partnerbeschäftigung zu stärken. Ich erwarte nun mit Spannung die Initiative der Bundesregierung zur Abschaffung des Ehegattensplittings.
Ein Rückfall in einzelstaatliches Denken birgt der Euro-Pakt, indem er nationale Lösungen für die Abwicklung von Banken fordert. Die Erfahrungen der Finanzkrise haben jedoch verdeutlicht, dass Finanzinstitute und Versicherungen zunehmend über Staatsgrenzen hinweg verflochten sind. Angesichts dieser Entwicklung ist die Effektivität von nationalen Mechanismen zur Abwicklung, insbesondere bei systemrelevanten Banken, und Versicherungen begrenzt und macht eine europäische Regelung erforderlich.
Zum Erfreulichen der Einigung zählt, dass sich die Mitgliedsstaaten, insbesondere die Bundesregierung und Frankreich aktiv geworden sind, um der Irischen Unternehmenssteuerpolitik Grenzen zu setzen. Ebenso haben die Mitgliedsstaaten ihre Scheu vor der Finanztransaktionssteuer zumindest etwas abgelegt und einigten sich darauf, das Potential dieses Instruments auszuloten und voranzubringen. Ein wichtiger Fortschritt ist, dass dies nun auch für die Eurozone als Vorreiter gelten soll.
Insgesamt ist der Euro-Pakt jedoch ein halbherziger und einseitiger Schritt in Richtung europäische Wirtschaftsregierung.“