Ein Beitrag für den Schrägstrich von Rebecca Harms und Sven Giegold
Zu Beginn ein großes Dankeschön an alle Aktiven! Dass wir Grüne in Deutschland aus dem Tal der Bundestagwahl geklettert sind, haben wir auch Eurem Engagement zu verdanken! Gepaart mit überzeugender Politik auf allen Ebenen haben wir das geschafft.
Leider mussten wir im Vergleich zur letzten Europawahl trotzdem Verluste einstecken. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich. Und obwohl wir in anderen Ländern wie in Schweden, Österreich, Ungarn und sogar Großbritannien zulegen konnten, werden wir jetzt zu den kleineren europäischen Fraktionen gehören. Und im Europaparlament stehen wir vor einer neuen Herausforderung: Die stärkere Zustimmung zu Rechten und Nationalisten. Ein klares Bekenntnis zu Europa muss dagegen gesetzt werden. Für uns ist die Europäische Idee, dass man über die Begrenztheit der Nationen hinweg seine Interessen gemeinsam vertritt und verteidigt, weiter das beste Kraut, das gegen Nationalismus gewachsen ist.
Viele Bürgerinnen und Bürger sind mittlerweile überzeugt, dass sie von der europäischen Einigung wenig profitieren. Europa bedeutet für sie all zu oft undemokratische Entscheidungen, finanzielle Lasten oder Sparprogramme und einseitige Orientierung auf Wettbewerb und Konkurrenz am Arbeitsmarkt. Dem müssen wir besser begegnen. Vertrauen zu schaffen in die Europäische Union, ihre Institutionen und Politiker, wird nur gelingen, wenn in der EU trotz Krise nicht nur Austeritäts- sondern endlich auch Gerechtigkeitsziele verfolgt werden. Und die Debatte um zu viel Brüssel darf nicht nur abgewimmelt werden. Für uns Grüne muss die Verteidigung der Subsidiarität bei der Daseinsvorsorge und kommunalen Selbstverwaltung ein Schwerpunkt sein.
Wir brauchen nachhaltige Investitionen in Gemeinschaftsprojekte, die europäische Identität schaffen können und auch denen nützen, die bislang abgehängt wurden. Für uns Grüne steht da an erster Stelle die europäische Energiewende mit einem Pakt für Klimaschutz, erneuerbare Energien und Effizienz. Denn Klimaschutz richtig gemacht nützt nicht nur der Umwelt, sondern schafft Innovation und damit auch zukunftsfähige Jobs. Wir finanzieren diese Zukunftsinvestitionen mit eingesparten Öl- und Rohstoffimporten und dem Ende des europäischen Steuerdumpings. Aber dazu gehören Projekte wie schnelle Internetanschlüsse für alle Regionen und Erasmus für Alle – gerade auch für Auszubildende. Außerdem geht es auch um eine gemeinsame Außenpolitik und die Verteidigung gemeinsamer Werte wie Presse- und Meinungsfreiheit auch innerhalb der Europäischen Union.
Fast in jedem Gespräch während des Wahlkampfs wurde deutlich wie weit Brüssel weg ist, selbst wenn das Europaparlament nach wie vor den besten Ruf genießt. Das ist eine demokratische Zeitbombe, die uns Grünen nicht egal sein darf. Wir brauchen in der EU eine Offensive für eine echte Europäische Demokratie und vorbildliche Transparenz, z.B. mit einem verbindlichen Lobbyregister, mit der gleichen Öffentlichkeit für Sitzungen und Dokumente im Rat der Mitgliedstaaten wie im Parlament. Und selbstverständlich muss nun ein Spitzenkandidat der Europäischen Parteien bei der Europawahl EU-Kommissionspräsident werden und nicht ein Kandidat aus den schwedischen oder deutschen Hinterzimmern.
Aus dem Wahlergebnis können wir aber auch für unsere Arbeit im Europaparlament lernen. Die Arbeit an der EU-Gesetzgebung war oft erfolgreich. Gute Ergebnisse aber bleiben oft unsichtbar. Wir müssen viel stärker aus der Brüssel raus und grüne Brücken in die EU Institutionen für unsere Partnerinnen und Partner in der Zivilgesellschaft, in der Wirtschaft und in Gewerkschaften bauen. Statt unzählige Veranstaltungen in Brüssel zu organisieren, muss mehr Energie in die Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern und uns Abgeordneten fließen. Denn wir Grüne streiten und arbeiten in Brüssel schließlich für sie. Das werden wir auch die kommenden fünf Jahre tun – mit Energie, kritischem Blick und Begeisterung.