Sven Giegold

„In Deutschland bleibt zu viel Geld im Finanzsystem hängen“ – Sven Giegold zur EU-Richtlinie zur Bankberatung im Deutschlandfunk

DLF - Deutschlandfunk - Logo

Das folgende Gespräch wurde zuerst am 3.1.2018 auf den Seiten des Deutschlandfunks veröffentlicht. Alle Rechte liegen beim Deutschlandfunk.

„In Deutschland bleibt zu viel Geld im Finanzsystem hängen“

Eine neue EU-Richtlinie sorgt dafür, dass ab sofort jedes Gespräch mit dem Bankberater schriftlich festgehalten oder mitgeschnitten wird. Das gehe aber am Kern der Sache vorbei, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold im Dlf. Das Hauptproblem seien überteuerte Finanzprodukte, die immer noch von Banken empfohlen würden.

Sven Giegold im Gespräch mit Jule Reimer

 

Jule Reimer: Keine gute Beratung bei der Geldanlage. Das soll sich ab heute ändern. Nämlich mit dem EU-Gesetz Mifid II, eine Richtlinie, die ab heute europaweit ab heute gilt. Viele Anleger verloren in der Finanzkrise 2008 auch ihr Geld, weil sie zuvor nur die vielversprechenden hohen Zinsen und die hohe Rendite sahen, die versprochen wurde, und nicht die Risiken. Und die Banken, die Anlegerberater haben wohl auch nicht in jedem Fall so richtig darüber aufgeklärt.

Am Telefon bin ich verbunden mit dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold, der mit an dieser EU-Richtlinie Mifid II gearbeitet hat. Herr Giegold, ab jetzt wird jedes Telefongespräch mitgeschnitten, jedes Gespräch in der Bank mit dem Bankberater schriftlich festgehalten. So ein Protokoll hatten wir doch bisher schon. Was ist der Unterschied?

Sven Giegold: Die Telefonaufzeichnung gab es in Deutschland so kaum. Das ist in anderen Ländern Standard, insofern hat sich hier jetzt etwas europaweit durchgesetzt. Die Protokolle bei den Beratungsgesprächen hat die Finanzwirtschaft ja selbst eingeführt, um sich dagegen abzusichern, dass Verbraucher immer wieder geklagt haben wegen schlechter Anlageberatung. Diese Protokolle gibt es jetzt auch.

Aber ich bin ganz bei Herrn Gatschke, dass das am Kern der Sache alles vorbeigeht. Wir haben zu teure Finanzprodukte, und diese teuren Finanzprodukte werden häufig immer noch von Banken empfohlen, obwohl es günstigere Alternativen gibt, auch im deutschen Markt.

Reimer: Geben Sie mal Preisbeispiele?

Giegold: Die Studie, die die Verbraucherzentralen heute vorgestellt haben, zeigt, dass für ein Riester-Produkt mit zwölf Jahren Anlagehorizont 1,6 Prozent pro Jahr Effektivkosten zu bezahlen sind. Dagegen das schwedische Modell, das Herr Gatschke als gute Alternative angeführt hat, das hat nur 0,1 Prozent auf das Anlagevolumen an Effektivkosten. Das zeigt eben, man kann als Verbraucher in anderen Ländern viel besser von den Chancen des Kapitalmarktes profitieren als in Deutschland. In Deutschland bleibt zu viel Geld im Finanzsystem hängen und landet nicht bei denjenigen, die eigentlich Schutz sich fürs Alter wünschen.

„Überteuerte, ineffiziente Produkte müssen vom Markt kommen“

Reimer: Jetzt ist ja der Kern der neuen Richtlinie auch, dass die Anleger geeignet beraten werden müssen, das heißt, es muss eine sogenannte Geeignetheitserklärung festgehalten werden. Das ist die Vorgabe. Der Bankberater muss sich erkundigen, wie steht es um die Finanzen, wie sind die Risiken? Könnte der Anleger das überhaupt tragen. Gleichzeitig sind das ja auch Gummibegriffe. Da sind doch die Rechtsstreits vorprogrammiert.

Giegold: Ja. Das, was Sie eben gesagt haben, sollte eigentlich sowieso Standard sein, dass, wenn man ein Finanzprodukt berät, man sich zunächst mal erkundigt, was ist das für eine Person, welche Risiken möchte sie tragen, wann braucht die- oder derjenige das Geld zurück, und so weiter und so fort. Darüber hinaus, was neu ist jetzt, ist, dass die Produkte, die Finanzprodukte darauf getestet werden müssen, und zwar schon bei der Erstellung des Produkts, für wen sind sie eigentlich geeignet. Und natürlich gibt es viele Produkte, bei denen man sich fragen kann, ob sie überhaupt für irgendjemanden geeignet sind.

Und da kommt es jetzt auf die Finanzaufsicht an, diese Produkte auch darauf zu überprüfen, dass eben überteuerte, ineffiziente Produkte vom Markt kommen. Und das ist in der Tat etwas, was jetzt Mifid II, also die europäische Regel, bringt, und das ist eine gute Entwicklung.

„Beratungsprotokolle führen nirgendwo hin“

Reimer: Wenn jetzt ich nur ein Gespräch, wenn ich ein Gespräch mitschneide, habe ich eine relativ eindeutige Ausgangslage. Wenn tatsächlich das Gespräch schriftlich festgehalten wird – auf was sollte ich achten, wenn ich da was unterschreibe, denn das unterschreiben ja dann nachher beide.

Giegold: Sehen Sie, diese Beratungsprotokolle führen meiner Meinung nach nirgendwo hin. Die sind so viele Seiten lang, kein normaler Mensch liest das im Detail durch. Die dienen im Wesentlichen der Absicherung des Beraters gegen spätere Klagen. Das Entscheidende ist, glaube ich, lassen Sie sich unabhängig beraten. Verzichten Sie darauf, zu denken, es ist billig, wenn Sie über Provisionen indirekt den Berater bezahlen.

Für viele ist es besser, entweder eine Honorarberatung, die auch hiermit europäisch normiert wird, in Anspruch zu nehmen, also dem Berater ein Stundenhonorar zu zahlen, um Interessenskonflikte zu vermeiden, oder eben Finanzberatung in Anspruch zu nehmen, wie sie viele Verbraucherberatungen oder andere gemeinwohlorientierte Akteure anbieten. Weil dann haben Sie eine Beratung, die frei von Interessenskonflikten ist.

Reimer: Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold zum neuen EU-Gesetz Mifid II, das die Anleger in der Bankberatung vor Risiken schützen soll. Vielen Dank für diese Informationen.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!