Sven Giegold

EU-Transparenzregister: neue Hoffnung für starke Lobbytransparenz vor wichtiger Abstimmung morgen

Liebe Journalistinnen und Journalisten,

Liebe Freundinnen und Freunde,

 

gestern Abend hat der Berichterstatter für die Änderung der Geschäftsordnung des Europaparlaments, Richard Corbett (britischer Sozialdemokrat), Kompromisse für verbindliche Lobbytransparenz für bestimmte Europaabgeordnete vorgeschlagen. Das wäre die erste verbindliche Lobbytransparenz im Europaparlament!

 

Die Kompromisse sind eine große Hilfe für die Verhandlungen um das EU-Transparenzregister. Sie könnten sie endlich zum Erfolg führen und das drohende Scheitern verhindern. Die EU-Kommission fordert verbindliche Lobbytransparenz von Parlament und Rat, die beide bisher nur freiwillige Lobbytransparenz für bereitwillige Abgeordnete und Mitgliedstaaten-Vertreter wollen. Die Kommission will deshalb die Verhandlungen unterbrechen, wenn Parlament oder Rat sich nicht bewegen. Das Schicksal der Verhandlungen von Parlament, Kommission und Rat der Mitgliedstaaten über die Stärkung des EU-Transparenzregisters könnte sich deshalb schon morgen, Mittwochmittag, entscheiden. Dann werden zuerst diese Änderungsanträge im Verfassungsausschuss (AFCO) abgestimmt (im Livestream ansehbar). Direkt im Anschluss trifft sich die Gruppe der Fraktionsvertreter, die den Chef-Verhandlerinnen des Parlaments für das Transparenzregister, Sylvie Guillaume (französische Sozialdemokratin) und Danuta Hübner (polnische Christdemokratin), von den Fraktionsvorsitzenden an die Seite gestellt wurden (in nicht-öffentlicher Sitzung).

 

In einem Brief an den Parlamentspräsidenten und die Fraktionsvorsitzenden, unterschrieben von den beiden Chefverhandlerinnen, wurde festgestellt, es bestünde von Seiten des Europaparlaments kein weiterer Raum für Kompromisse mit der EU-Kommission. Die Mitglieder der Kontaktgruppe von Grünen, Rechtskonservativen (EKR), Linken (GUE) und italienischen Fünf-Sternen (EFDD) hatten den Chef-Verhandlerinnen widersprochen und fordern die Verpflichtung von Europaabgeordneten mit besonderer Verantwortung für die EU-Gesetzgebung auf Lobbytransparenz, insbesondere die Verpflichtung ihre Treffen mit Lobbyisten zu veröffentlichen. Für die angespannte Situation in der Kontakgruppe sind die Kompromissvorschläge des Sozialdemokraten Corbett die dringend benötigte Rettungsleine. Richard Corbett schlägt die Verpflichtung von Berichterstattern, Schattenberichterstattern (die im Namen des Parlaments und der Fraktion EU-Gesetze entwerfen) und Ausschuss-Vorsitzenden (die Gesetzgebungsverhandlungen, sogenannte Triloge, mit Kommission und Rat leiten) vor, dass sie nur registrierte Lobbyisten treffen dürfen und alle ihre Treffen veröffentlichen müssen (“Legislativer Fußabdruck”). Er formuliert in besserer Rechtssprache, was wir Grünen zuvor als Änderung der Geschäftsordnung beantragt hatten. Gleichzeitig kommt Corbett den Christdemokraten entgegen, indem er keine verbindliche Lobbytransparenz für alle Abgeordneten findet.

 

Die Abstimmung über diesen möglichen Fortschritt ist so wichtig, weil sonst der Abbruch der Verhandlungen droht. Die EU-Kommission hatte am 18 Juli beschlossen, die Verhandlungen zu unterbrechen, wenn Parlament oder Rat nicht bereit sind über verbindliche Lobbytransparenz zu sprechen. Die EU-Kommission hatte in der letzten Debatte des Verfassungsausschuss am 1. Oktober die Grünen Änderungsanträge ausdrücklich begrüßt. Der Verfassungsausschuss könnte morgen also das notwendige Signal senden, um die Verhandlungen zu retten. Grüne, Rechtskonservative, Linke und Fünf Sterne würden mit den Sozialdemokraten eine Mehrheit erreichen, wenn sich Richard Corbetts Sozialdemokraten ihrem Berichterstatter anschließen. Christdemokraten und Liberale waren bisher skeptisch gegenüber verbindlicher Lobbytransparenz. Die Liberalen hatten im Plenum im September 2017 aber für den Bericht über Transparenz, Rechenschaftspflicht und Integrität in den EU-Organen gestimmt, der das Veröffentlichen von Lobbytreffen durch besonders für Gesetzgebung zuständige Europaabgeordnete bereits empfielt. Nur die Christdemokraten hatten in überwiegender Mehrheit den Bericht abgelehnt.

 

Bei Interesse an Berichterstattung vor oder nach der morgigen Abstimmung im Verfassungsausschuss (11h55-12h30) und Sitzung der Kontaktgruppe (12h45-13h45) melden Sie sich gerne bei meinem Büro sven.giegold@europarl.europa.eu mit der Angabe ihres Nachrichten-Mediums.

 

Mit Grünen Europäischen Grüßen

Sven Giegold

 

*HINTERGRUND*

 

Live-Stream aus dem AFCO Mittwoch 10 Oktober 11h55: http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/committees/video?event=20181010-0900-COMMITTEE-AFCO

 

CORBETTS KOMPROMISSVORSCHLÄGE

 

*KOMPROMISS 1: Gesetzgebungs-zuständige MdEPs dürfen nur registrierte Lobbyisten treffen*

 

Sentence to be added to Article 11 – paragraph 2: “Rapporteurs, shadow rapporteurs and committee chairs shall only meet those interest representatives that have registered in the Transparency Register.”

 

*KOMPROMISS 2: Gesetzgebungs-zuständige MdEPs müssen ihre Treffen veröffentlichen *

 

To be added to Article 11 – paragraph 2a (new): “Members should publish online all scheduled meetings with interest representatives falling under the scope of the Transparency register. Rapporteurs, shadow rapporteurs and committee chairs shall publish online all scheduled meetings with interest representatives falling under the scope of the Transparency register. The Bureau shall provide for necessary infrastructure on Parliament’s website.”

 

GRÜNE ÄNDERUNGSANTRÄGE von MEPs Max Andersson and Sven Giegold

 

To Parliament’s Rules of Procedure Article 11 – paragraph 1 – subparagraph 1

 

“Parliament shall lay down rules governing the transparency of its Members‘ financial interests in the form of a Code of Conduct which shall be adopted by a majority of its component Members and attached to these Rules of Procedure as an annex.”

We suggest to add:

“The code of conduct shall include provisions on the transparency and accountability of Members’ general expenditure allowance. It should provide for adequate sanctions in case of breach of paragraphs 2, 2a, 2b and 2c of this rule, including sanctions related to the impossibility to be elected office-holders of Parliament or of one of its bodies, be appointed as a rapporteur or participate in an official delegation;”

 

In Article 11 – paragraph 2

 

Instead of „Members should adopt the systematic practice of only meeting interest representatives that have registered in the Transparency Register established by means of the Agreement between the European Parliament and the European Commission on the transparency register“ we suggest „Members shall adopt the systematic practice of only meeting interest representatives that have registered in the Transparency Register established by means of the Agreement between the European Parliament and the European Commission on the transparency register.“

 

And we suggest to add

Article 11 – paragraph 2 a (new)

“Members shall publish online all scheduled meetings with interest representatives falling under the scope of the Transparency register. The Bureau shall provide for necessary infrastructure on Parliament’s webpage.”

 

Article 11 (2b) and (2c) stipulate rules on the transparency and integrity of how MEPs spend their General Expenditure Allowance.

 

ZUSAMMENSETZUNG KONTAKTGRUPPE

 

Chefverhandlerinnen: Sylvie Guillaume (französische Sozialdemokratin) und Danuta Hübner (polnische Christdemokratin)

 

Fraktionsvertreter: Rainer Wieland (CDU), Jo Leinen (SPD), Pirkko-Ruohonen Lerner (finnische Rechtskonservative), Maite Pagazaurtundua (spanische Liberale), Dennis de Jong (niederländischer Linker), Isabella Adinolfi (italienische Fünf-Sterne)