Sven Giegold

Europa-Rede von Scholz: Altbekanntes statt neue Vision

Zur Europa-Rede von Bundesfinanzminister Olaf Scholz in der Humboldt Universität Berlin, sagt der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, Sven Giegold:

“Scholz hat überzeugend argumentiert, dass Europa schwach wirkt, weil es die schwierigen Debatten vermeidet. Mit seinen Vorschlägen scheitertet Scholz aber am eigenen Anspruch. Auf die Schwächen Europas hat Scholz keine starken Antworten geliefert. Scholz präsentierte Altbekanntes statt eine neue Vision. Das war keine Europa-Rede vom Format eines Emmanuel Macrons oder Joschka Fischers. Scholz hat keinen neuen substanziellen Vorschlag für die Wirtschafts- und Währungspolitik gemacht. Das heikelste Thema, den deutsche Exportüberschuss, hat der Finanzminister beschwiegen. Für alle anderen Euro-Länder ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss das zentrale Problem. Höhere Investitionen und höhere Löhne in Deutschland sind nicht nur gerecht und zukunftsorientiert, sie halten auch Europa zusammen. Scholz fordert zwar einen stärkeren ESM und allgemein mehr demokratische Kontrolle der Euro-Politik, will aber nicht das Europäische Parlament dafür stärken. Mehr Demokratie in der Eurozone muss mehr Europäische Demokratie bedeuten. Der Europäische Währungsfonds sollte die Gemeinschaftsinstitutionen stärken, statt ein Gremium der Nationalstaaten zu werden. Auch in der Handelspolitik gibt es bei Scholz eine Lücke zwischen Analyse und Konsequenzen: Wenn die EU-Handelspolitik harte Sozial- und Umweltstandards setzen soll, dürften die aktuellen Handelsverträge nicht unterschrieben werden. Beim Klimaschutz kann Europa nur Vorreiter werden, wenn die Bundesregierung endlich ihre eigene Blockade löst. Klimaschutz braucht eine europäische Industriepolitik mit hohen ökologischen Vorgaben. Auch dazu schwieg Scholz. Insgesamt muss man leider konstatieren: Die Rede von Scholz war ambitions- und emotionslos. Mit ihren Fragen, etwa zum geringen Budget des Eurozonen-Haushalt, zum Bremsen bei der Digitalsteuer und zur europäischen Demokratie, haben die Studierenden den Finger in die Wunde gelegt.”

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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