An diesem Mittwoch hat das Plenum des Europaparlaments seine Linie im Kampf gegen Steuerdumping und Steuerhinterziehung klar gemacht. Der „Jahressteuerbericht“ war die erste Abstimmung nach den letzten Europawahlen, bei dem das Europaparlament umfassend zu allen aktuellen steuerpolitischen Fragen in der EU Stellung nehmen konnte.
Dabei zeigte das Europaparlament in einem parteiübergreifenden Kompromiss insgesamt klare Kante. Federführend im Europaparlament war die Sozialdemokratin Eva Kaili.Im Gegensatz zur EU-Kommission in der letzten Woche fordert das Parlament nicht nur Transparenz bei maßgeschneiderten Steuerbescheiden („tax rulings“), sondern umfassende Maßnahmen gegen Steuerdumping und Steuerhinterziehung u.a.:
- Großunternehmen sollen Gewinne und Steuerzahlungen nach Ländern transparent machen. Verbindlich.
- Für Großunternehmen soll eine europäische Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer verbindlich werden („CCCTB“)
- Die EU-Kommission soll Mindeststeuersätze bei der Körperschaftssteuer zumindest prüfen.
Änderungsanträge vor allem der Liberalen, die den Antrag an wichtigen Stellen schwächen wollten, scheiterten überwiegend. Ärgerlich war nur, dass zwei Forderungen nach ökologischer Steuerreform durch Stimmen von Liberalen, Christdemokraten und Rechtskonservativen herausgestimmt wurden, die der federführende Ausschuss für Wirtschaft und Währung ins Plenum gebracht hatte.
Der Beschluss des Europaparlaments ist jedoch nicht bindend, weil das Europaparlament im Bereich der Steuerpolitik nur begrenzte Kompetenzen besitzt. Allerdings plant das Parlament einen sogenannten “legislativen Initiativbericht” zur EU-Steuerpolitik, der die EU-Kommission zumindest verpflichtet, auf die Vorschläge des Europaparlaments zu reagieren.
Und weil es so schön war, hier die besten Textausschnitte dokumentiert:
Die Größe der Steuerverluste
- in der Erwägung, dass der öffentlichen Hand in der EU Jahr für Jahr etwa eine Billion Euro an Einnahmen aufgrund von Steuerbetrug und Steuerumgehung verlorengehen; in der Erwägung, dass dieser Verlust die Wirksamkeit und Gerechtigkeit der Steuersysteme in der EU hochgradig gefährdet, da in seiner Folge die Steuerlast für alle ehrlichen Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen wächst;
- ist zutiefst besorgt darüber, dass durch Verstöße gegen Vorschriften oder durch versäumte Steuererhebung im Jahr 2012 Einbußen bei den Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von 177 Mrd. EUR entstanden sind;
Finanztransaktionssteuer
- bedauert, dass die elf Mitgliedstaaten, die das Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit bei der Finanztransaktionssteuer anwenden, ihre Zusagen bislang nicht eingehalten haben; weist darauf hin, dass die Finanzwirtschaft einen angemessenen Beitrag zu den öffentlichen Finanzen leisten sollte; nimmt die gemeinsame Erklärung der elf Mitgliedstaaten vom 27. Januar 2015 und ihre Verpflichtung zur Kenntnis, bis zum 1. Januar 2016 eine Finanztransaktionssteuer umzusetzen, bei der ein weit gefasster Anwendungsbereich mit einem niedrigen Steuersatz verknüpft wird; betont, dass dringend gehandelt werden muss und dass die Finanztransaktionssteuer ehrgeizig sein sollte; fordert weitere Mitgliedstaaten auf, sich der Finanztransaktionssteuer anzuschließen;
- fordert, die Erträge aus der Finanztransaktionssteuer als einen Teil der Eigenmittel im EU-Haushalt zu berücksichtigen;
Gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer
- fordert die Mitgliedstaaten auf, sich – wie vom Europäischen Parlament in seiner legislativen Entschließung vom 19. April 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine GKKB(30) dargelegt – rasch auf eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu einigen, die zunächst für Unternehmen und Genossenschaften in der EU und später für alle übrigen Unternehmen mit Ausnahme von Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen obligatorisch wäre;
Mindeststeuersätze
- fordert die Kommission auf, die Möglichkeiten für die Einführung eines Mindest-Körperschaftsteuersatzes zur Eindämmung schädlichen Steuerwettbewerbs sorgfältig zu prüfen;
EU-Kommission: jährlich an das Europaparlament berichten
- fordert die Kommission auf, dem Rat und dem Europäischen Parlament jährlich einen Bericht über die Arbeit der Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen und deren Ergebnisse vorzulegen;
EU-Kommission: jährlich an das Europaparlament berichten
- fordert die Kommission auf, dem Rat und dem Europäischen Parlament jährlich einen Bericht über die Arbeit der Plattform für verantwortungsvolles Handeln im Steuerwesen und deren Ergebnisse vorzulegen;
Extremen Missbrauch bei Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie abestellen
- begrüßt die Einigung auf Vorschriften zur Verhinderung von Missbrauch in der Richtlinie über Mutter- und Tochtergesellschaften; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, diese rasch umzusetzen und auf die Richtlinie über Zinserträge und Lizenzgebühren auszuweiten;
Mehr Tempo und Einsatz bei der EU-Kommission
- fordert die Kommission auf, die Eindämmung der Steuerhinterziehung zu einer Hauptpriorität zu machen und im ersten Halbjahr 2015 weitreichende und wirksame Vorschläge für das Vorgehen gegen Steueroasen und Steuerumgehung vorzulegen;
- fordert die Kommission auf, im Rahmen dieser Vorschläge zuzusagen, dass die Steuerlücke bis 2020(31) zur Hälfte geschlossen wird, und konkrete Ziele hierfür anzugeben, was im Rahmen des Europa-2020-Monitorings erfolgen könnte;
UN-Steuergremium
- fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Einrichtung eines zwischenstaatlichen Steuergremiums unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu unterstützen, um dafür zu sorgen, dass Entwicklungsländer auf gleichberechtigter Ebene an der Gestaltung und Reform der internationalen Steuerpolitik mitwirken können;
Länderbezogene Steuertransparenz in allen Sektoren
- begrüßt die rasche Umsetzung der länderbezogenen Berichterstattung für Banken gemäß der vierten Änderung der Eigenkapitalrichtlinie (CRD IV); fordert die Kommission auf, als nächsten Schritt die verbindliche länderbezogene Berichterstattung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen in allen Wirtschaftszweigen und in allen Ländern einzuführen, in denen sie tätig sind, und zwar auch in nicht kooperierenden Ländern und Steueroasen, indem die Rechnungslegungsrichtlinie unverzüglich überarbeitet wird, wobei für einen möglichst geringen Verwaltungsaufwand zu sorgen ist;
Missbrauch von Patent-Boxen angehen
- fordert sofortige und verbindliche Maßnahmen, um den Nachteilen von Steueranreizen für Einkünfte aus geistigem Eigentum oder Steuerermäßigungen auf Patenteinnahmen entgegenzuwirken;
EU-Beihilferecht noch stärker nutzen
- fordert die Kommission auf, stärker von den EU-Beihilfevorschriften Gebrauch zu machen, um gegen aggressive Steuerplanung vorzugehen; vertritt die Auffassung, dass die Kommission alle Fälle verbindlicher Steuerauskünfte darauf untersuchen sollte, ob mit in diesem Zusammenhang gewährten Steuervorteilen für einzelne Unternehmen gegen die EU-Beihilfevorschriften verstoßen wurde;
- fordert die Kommission auf, sämtliche beihilferechtlichen Mittel auszuschöpfen, um gegen aggressive Steuerplanung vorzugehen, und anzuerkennen, dass derlei Praktiken von Grund auf wettbewerbswidrig sind und faire Wettbewerbsbedingungen für europäische KMU vereiteln;
Ausstattung der Steuerbehörden stärken
- zeigt sich besorgt darüber, dass die Reformen in einigen Mitgliedstaaten dazu geführt haben, dass es an Personal mangelt und dass den einzelstaatlichen Steuerbehörden und Steuerprüfungsbehörden unzureichende Mittel zugewiesen wurden; bedauert, dass der Schwerpunkt häufig auf Steuerumgehung in kleinem Maßstab statt auf Steuerumgehung seitens multinationaler Großkonzerne gelegt wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, für angemessene Ressourcen zu sorgen; betont, dass die höheren Aufwendungen, die ein angemessenerer Personalbestand und eine angemessene Mittelausstattung bedingen, durch zusätzliche Steuereinnahmen wettgemacht würden; stellt fest, dass elektronische Steuerdienstleistungen des Staates zur wirksamen Nutzung der personellen und finanziellen Ressourcen führen können;
Schwarze Liste von Steueroasen der EU
- fordert einen Vorschlag der Kommission für und eine Einigung der Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Standpunkt der EU zu Steueroasen, einen erweiterten Kriterienkatalog für deren Definition und koordinierte Sanktionen gegen nicht kooperierende Länder; fordert, dass bis 31. Juni 2015 eine die EU-Mitgliedstaaten einschließende schwarze Liste solcher Steueroasen und von Ländern erstellt wird, die den Wettbewerb durch Steuervorteile verzerren;
Entwicklungsländer unterstützen
- fordert die Kommission auf, Entwicklungsländern, die keine Steueroasen sind, ihre Zusammenarbeit und Hilfe anzubieten, um sie bei der wirksamen Eindämmung von Steuerbetrug und Steuerumgehung zu unterstützen;
Berater bei Steuerbetrug verfolgen
- fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre zuständigen Behörden so auszustatten, dass sie streng und sorgfältig ermitteln und Sanktionen wie die Aussetzung oder den Widerruf von Bankzulassungen oder Beratungslizenzen von Finanzinstituten, Buchprüfern, Anwaltskanzleien oder sonstigen Finanzberatern verhängen können, sofern diese erwiesenermaßen Beihilfe zum Steuerbetrug geleistet haben;
Sanktionen gegen Steuersünder
- fordert die Einführung strenger Sanktionen, um Unternehmen davon abzuhalten, dass sie gegen die Steuernormen der EU verstoßen oder diese umgehen, indem betrügerischen Unternehmen oder in Steueroasen ansässigen Unternehmen, die den Wettbewerb durch Steuervorteile verzerren, weder EU-Mittel noch der Zugang zu staatlichen Beihilfen oder zu öffentlichen Aufträgen gewährt werden; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, öffentliche Mittel aller Art von Unternehmen zurückzufordern, wenn diese an Verstößen gegen die Steuernormen der EU beteiligt sind;
Zweckgesellschaften erfassen & Missbrauch angehen
- fordert alle Mitgliedstaaten auf, eine Folgenabschätzung ihrer Zweckgesellschaften und ähnlicher Rechtskonstruktionen ebenso zu veröffentlichen wie Daten, die den Investitionsfluss belegen, der in ihnen über diese Rechtssubjekte abgewickelt wurde; fordert die Mitgliedstaaten überdies auf, hinreichend starke Substanzvorschriften für all diese Rechtssubjekte zu erlassen, um sicherzustellen, dass sie nicht für steuerliche Zwecke missbraucht werden können;
Europäisches Semester für Steuerpolitik nutzen
- erneuert die Forderung des Europäischen Parlaments nach einem verstärkten Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, das Europäische Semester verstärkt dafür zu nutzen, dass die Strategie zur Schließung der Steuerlücke Eingang in die jährlichen nationalen Stabilitäts- und Wachstumsprogramme sowie die nationalen Reformprogramme findet; fordert die Kommission auf, den Mitgliedstaaten nahezulegen, in ihren nationalen Reformprogrammen alle Steuerbefreiungen aufzuführen und zu beschreiben, die sie Unternehmen gewährt haben;
- ist der Ansicht, dass die quantitative Messung makroökonomischer Ziele von qualitativen (z. B. sozialen und umweltpolitischen) Indikatoren flankiert werden sollte, um die langfristigen Ziele zu verwirklichen; fordert die Kommission auf, bei der Ausarbeitung der länderspezifischen Empfehlungen die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten eingehend zu untersuchen und den Schwerpunkt auf Vergleiche zwischen den Mitgliedstaaten zu legen, um bewährte Verfahren bei der Konzipierung der Steuerpolitik zu ermitteln;
- bedauert, dass bei den Verpflichtungen im Rahmen des Euro-Plus-Pakts in Bezug auf Steuerpolitik und Steuerreformen bisher keine wesentlichen Fortschritte erzielt wurden; fordert die Kommission auf, die pragmatische Koordinierung der Steuerpolitik als Teil einer stärkeren Koordinierung der Wirtschaftspolitik in vollem Umfang im Zyklus des Europäischen Semesters zu verankern;
Verhaltenskodex-Gruppe reformieren
- fordert, das Mandat der Gruppe „Verhaltenskodex“ zu überprüfen, um ihre Wirksamkeit zu verbessern und für anspruchsvolle Ergebnisse zu sorgen, indem beispielsweise verpflichtend vorgeschrieben wird, dass Steuerermäßigungen und Beihilfen für Unternehmen veröffentlicht werden; fordert die Gruppe „Verhaltenskodex” überdies auf, einen Überblick darüber zu veröffentlichen, inwieweit die Staaten den Empfehlungen nachkommen, die die Gruppe in ihrem halbjährlichen Bericht an die Finanzminister formuliert;
Der gesamte Beschluss des Europaparlaments:
Quellen zu den Zahlen:
Zu A: http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/tax_fraud_evasion/a_huge_problem/index_de.htm
Zu 16: http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/common/publications/studies/vat_gap2012.pdf