Sven Giegold

Europaparlament nutzt sein Initiativrecht und fordert von der EU-Kommission Maßnahmenpaket gegen Steuerdumping

Das Europaparlament hat sich gestern deutlich für Vorschläge zur Bekämpfung von Steuerdumping in Europa ausgesprochen. Das Parlament benutzt in diesem Fall das seltene, starke Instrument des Legislativen Initiativberichts nach Artikel 225 des Vertrags über die Funktionsweise der EU. Er ist die stärkstmögliche Aufforderung des Parlaments an die EU-Kommission, einen Rechtsakt auch wirklich vorzulegen. Diese Pflicht liegt jetzt bei der Kommission. Um die Dringlichkeit zu unterstreichen, hat das Europaparlament der Kommission dafür eine Frist bis Juni 2016 gesetzt.

 

Eine breite Mehrheit der Abgeordneten unterstützt die öffentliche länderbezogene Finanzberichterstattung (Englisch: Country-by-Country-Reporting), eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage und eine weitergehende Definition von Steueroasen. Der Abstimmungserfolg im Europaparlament kommt am gleichen Tag wie eine verlorene Abstimmung zu Country-by-Country-Reporting in der Französischen Assemblée Nationale. Der Grüne Änderungsantrag zur Einführung eines Unterstützungsfonds zur Entschädigung von Whistleblowern wurde mit 338 zu 328 Stimmen knapp abgelehnt. Nur 10 Stimmen fehlten. Das Ergebnis der heutigen Abstimmung kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

 

“Klarer geht nicht! Das Votum des Europaparlaments ist die stärkste mögliche Aufforderung an die EU-Kommission, endlich umfassend gegen Steuerdumping vorzugehen. Die EU-Kommission ist nun verpflichtet, die entsprechenden Gesetzesentwürfe innerhalb eines halben Jahres vorzulegen oder im einzelnen zu erklären, warum sie sich weigert. Konkret fordert das Parlament eine verpflichtende öffentliche länderübergreifende Finanzberichterstattung durch Großkonzerne aller Branchen, die Einführung einer europäischen Steuer-Identifikationsnummer sowie einen automatischen Informationsaustausch von Steuervorbescheiden mit teilweiser Veröffentlichung. Diese Transparenzmaßnahmen würden es ermöglichen, die Steuerpolitik von Unternehmen unter die Lupe zu nehmen und Licht auf schädliche Steuerpraktiken der Staaten zu werfen.  Steueroasen sollen mit harten Sanktionen belegt werden. Das Parlament verlangt weiter die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage, die Zulässigkeit von Quellensteuern zur Besteuerung von Gewinnen, bevor sie die EU verlassen, sowie die Einführung einer generellen Anti-Missbrauchsklausel in Steuerabkommen. Außerdem dringen die Abgeordneten auf eine Reform des Mandats und mehr Transparenz der Ratsgruppe Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung). All diese Maßnahmen würden helfen, Steuerwettbewerb zwischen Staaten zu verhindern. Der gegenseitige Unterbietungswettbewerb muss ein Ende finden. Das Europaparlament hat das verstanden. Jetzt ist die Kommission gefordert, konkrete Gesetzesvorschläge vorzulegen.

Die Ablehnung eines Unterstützungsfonds zur Entschädigung von Whistleblowern ist ein Armutszeugnis für die Liberalen und Konservativen. Die Luxleaks-Enthüllungen waren nur möglich, weil der Whistleblower Antoine Deltour Hunderte von Steuerdeals zwischen Luxemburger Steuerbehörden und Großkonzernen öffentlich gemacht hat. Anstatt für seinen Mut ausgezeichnet zu werden, muss sich Deltour nun in Luxemburg einem Gerichtsverfahren stellen und ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Damit auch in Zukunft Whistleblower Missstände ans Tageslicht bringen, brauchen wir einen Fonds, der sie zumindest für finanzielle Einbußen entschädigt. Der Sonderausschuss des Europaparlaments gegen Steuerdumping hatte kürzlich einen solchen Fonds gefordert. Auch hier warten wir immer noch auf einen entsprechenden Gesetzesvorschlag der EU-Kommission.”

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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