Mit der Mehrheit der pro-europäischen Fraktionen EVP, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne nimmt das Europaparlament zu den Ergebnissen des EU-Gipfels Stellung. Insbesondere fordert das Parlament:
- Verwendung des geplanten EU-Wachstumsprogramms vor allem im Bereich von Grünen Investitionen (Ziffer 4)
- Volle Beteiligung des Parlaments bei den anstehenden Reformen (Ziffer 9)
- Fordert weitgehende Schritte gegen die Eurokrise (Ziffer acht) darunter insbesondere „einen integrierten Haushaltsrahmen, um auf nationaler und europäischer Ebene für eine solide Haushaltspolitik zu sorgen, die Koordinierung, gemeinsame Beschlussfassung, stärkere Durchsetzung und entsprechende Schritte im Hinblick auf die Emission gemeinsamer Schuldtitel umfasst; dieser Rahmen könnte auch verschiedene Formen der Steuersolidarität beinhalten“
- Geht einen wichtigen Schritt Richtung Europäischer Konvent (Ziffer 9)
Leider ist es uns nicht gelungen, die Forderung nach konsequenten Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerwettbewerb zu verankern.
Hier der gesamte Text:
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die informelle Tagung des Europäischen Rates vom 23. Mai 2012,
– unter Hinweis auf die Tagung des Europäischen Rates vom 28./29. Juni 2012,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
1. begrüßt die Tatsache, dass der Europäische Rat konkrete Schritte unternommen hat, um die Krise im Euro-Währungsgebiet zu bewältigen, und anerkannt hat, dass eine Reaktion erforderlich ist, die sowohl auf Haushaltskonsolidierung als auch auf Wachstum abzielt; ist der Ansicht, dass auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates in Bezug auf die Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist, ein stärker auf eine ausgewogenere, wirtschaftliche effektive und sozial gerechte Agenda zur Krisenbewältigung ausgerichtetes Konzept festgelegt wurde;
2. hebt insbesondere hervor, wie wichtig es ist, dass auf dem Gipfeltreffen der Länder des Euro-Währungsgebiets Einigung über wesentliche und umfangreiche Maßnahmen erzielt wurde, um den Teufelskreis zwischen Banken- und Staatsverschuldung zu durchbrechen und die Spreads zwischen Staatsanleihen im Euro-Währungsgebiet zu verringern; begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die vorhandenen Instrumente EFSF und ESM flexibel und effizient von den Mitgliedstaaten genutzt werden könnten, die ihren länderspezifischen Empfehlungen und ihren sonstigen Verpflichtungen nachkommen, einschließlich derer in Bezug auf das Europäische Semester und den Stabilitäts- und Wachstumspakt;
3. vertritt die Auffassung, dass diese Einigung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer echten Bankenunion für die gesamte EU ist, verweist jedoch auf die entscheidende Tatsache, dass diese Möglichkeit nicht unverzüglich genutzt werden kann, da sie an eine Einigung über ein einheitliches Aufsichtsverfahren geknüpft ist;
4. begrüßt auch den Wachstums- und Beschäftigungspakt, insbesondere die Vereinbarung, 120 Mrd. Euro zu mobilisieren, um Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze zu fördern, und die Forderung nach einer differenzierten wachstumsfreundlichen Haushaltskonsolidierung unter Berücksichtigung der Funktion von Investitionen; erachtet dies als wesentlichen Schritt im Hinblick auf die erforderliche Neubelebung nachhaltiger wachstumsorientierter öffentlicher und privater Investitionen in Europa, insbesondere mit Blick auf die Verwirklichung der Ziele der Strategie Europa 2020 und vor allem auf Ressourceneffizienz und -nachhaltigkeit sowie auf die Vollendung des Binnenmarkts;
5. begrüßt darüber hinaus die Zusage, den EU-Haushalt zu einem Katalysator für Wachstum zu machen; stellt in diesem Zusammenhang fest, dass auf der Juni-Tagung des Europäischen Rates keine greifbaren Fortschritte im Hinblick darauf gemacht wurden, eine Einigung über den nächsten MFR 20142020 zu erzielen; fordert den zyprischen Ratsvorsitz auf, seine Bemühungen in dieser Angelegenheit zu intensivieren und das Europäische Parlament unter umfassender Wahrung seiner Mitentscheidungsrechte in vollem Umfang in die Verhandlungen über den MFR einzubeziehen; betont allerdings, dass die Reform der Eigenmittel ein wesentliches Element ist, ohne das eine Einigung über den Mehrjährigen Finanzrahmen nicht möglich sein wird; verleiht nochmals seiner Überzeugung Ausdruck, dass bis zum Jahresende eine Einigung sowohl über die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite des MFR erzielt werden müsste, die dem tatsächlichen Bedarf und den Zielen der Union für den nächsten Zeitraum entsprechen sollte;
6. begrüßt die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zu einer stärkeren Steuerung des Binnenmarkts; schließt sich der Bewertung des Zustands des Binnenmarkts durch die Kommission ausdrücklich an und fordert Maßnahmen im Hinblick auf die vollständige Verwirklichtung des Binnenmarkts;
7. begrüßt die Vorschläge, die der von den Präsidenten Van Rompuy, Juncker, Barroso und Draghi vorgelegte Bericht mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ enthält, als guten Ausgangspunkt im Hinblick auf eine robuste und echte WWU; ist insbesondere der Auffassung, dass die Vorschläge betreffend die Begründung eines integrierten Finanzrahmens und einer europäischen Bankenaufsicht ebenfalls wichtige Schritte im Hinblick auf eine stabilere langfristige Zukunft für das europäische Bankenwesen darstellen; sieht auch der Verankerung einer umfangreicheren sozialen Verantwortung der EU in dem Vorschlag und einer Stärkung der Transparenz und Rechenschaftspflicht der neuen europäischen Bestimmungen in diesem Bereich erwartungsvoll entgegen;
8. vertritt die Auffassung, dass im Rahmen der im Bericht aufgeführten vier Bausteine rasche Maßnahmen erforderlich sind; diese Bausteine umfassen:
(a) einen integrierten Finanzrahmen, um insbesondere im Euro-Währungsgebiet Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten und die von den europäischen Bürgern zu tragenden Kosten für Bankeninsolvenzen auf ein Mindestmaß zu reduzieren; bei einem solchen Rahmen geht die Verantwortung für die Überwachung auf die europäische Ebene über, und er sieht gemeinsame Mechanismen für die Bankenrestrukturierung und die Absicherung von Kundeneinlagen vor;
(b) einen integrierten Haushaltsrahmen, um auf nationaler und europäischer Ebene für eine solide Haushaltspolitik zu sorgen, die Koordinierung, gemeinsame Beschlussfassung, stärkere Durchsetzung und entsprechende Schritte im Hinblick auf die Emission gemeinsamer Schuldtitel umfasst; dieser Rahmen könnte auch verschiedene Formen der Steuersolidarität beinhalten;
(c) einen integrierten wirtschaftspolitischen Rahmen, der ausreichende Mechanismen beinhaltet, so dass sichergestellt ist, dass nationale und europäische politische Maßnahmen vorhanden sind, die nachhaltiges Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit fördern und mit dem reibungslosen Funktionieren der WWU vereinbar sind;
(d) Gewährleistung der erforderlichen demokratischen Legitimität und Rechenschaftspflicht der Beschlussfassung im Rahmen der WWU auf der Grundlage der gemeinsamen Ausübung von Hoheitsrechten in Bezug auf gemeinsame politische Maßnahmen und der Solidarität;
9. begrüßt den Beschluss, die Ausarbeitung eines Fahrplans für die Verwirklichung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion zu fordern; betont, dass das Europäische Parlament über seine Rolle als Mitgesetzgeber hinaus als gleichberechtigter Partner umfassend in diese Aufgabe einbezogen werden muss; fordert außerdem, dass am Prozess einer Reform der Institutionen und Beschlussfassungsverfahren der Europäischen Union nicht nur die europäischen Institutionen und die nationalen Parlamente beteiligt werden, sondern auch die Sozialpartner, die Zivilgesellschaft und weitere Interessenvertreter im Rahmen einer breiten öffentlichen Debatte über eine vertiefte politische, wirtschaftliche, soziale und fiskalpolitische Integration der Europäischen Union; unterstreicht, dass das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente unter Beachtung der Gemeinschaftsmethode auf jeden Fall eng eingebunden werden müssen; ist der Ansicht, dass das Protokoll Nr. 1 des AEUV über die Rolle der nationalen Parlamente in der EU einen angemessenen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den Parlamenten bietet;
10. ist allerdings der Ansicht, dass noch eine umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit zu bewältigen ist, um eine globale, strukturelle und umfassende Reaktion auf die Krise zu bewerkstelligen; fordert die Europäische Kommission daher auf, bis September 2012 im Einklang mit der Gemeinschaftsmethode auf der Grundlage dieser vier Bausteine ein Paket von Legislativvorschlägen vorzulegen;
11. fordert den Rat auf, sich zur Stimulierung der Wirtschaft in Europa auf ein koordiniertes Programm gezielter Investitionen auf nationaler Ebene zu verständigen;
12. sagt seinerseits zu, nach Erhalt des oben genannten Legislativpakets innerhalb der geforderten Frist und dessen Prüfung eine effiziente und rasche Beschlussfassung sicherzustellen;
13. weist allerdings darauf hin, dass es seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen wird, sollte es das oben genannte Gesetzespaket nicht innerhalb der geforderten Frist erhalten;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.