Sven Giegold

Gastbeitrag Deutsche Bank straft eigene Lobbyisten Lügen

Jahrelang hat die Bankenlobby behauptet, die härteren Eigenkapitalvorschriften von Basel III würden Kapitalerhöhungen von Banken nahezu unmöglich machen. Der Fall „Deutsche Bank“ zeigt, wie unsinnig dieses Argument ist.

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Brüssel
Die Deutsche Bank konnte am Montag fast drei Mrd. Euro zusätzliches Eigenkapital innerhalb nur weniger Stunden an der Frankfurter Börse einsammeln. Trotz deutlicher Verwässerung der Altaktionäre ist der Aktienkurs der Deutschen Bank am Dienstag nicht eingebrochen, sondern um über sieben Prozent gestiegen. Jahrelang hatte die Bankenlobby versucht, die härteren Eigenkapitalvorschriften von Basel III zu hintertreiben, weil angeblich Kapitalerhöhungen für Banken zu absurden unattraktiven Bedingungen möglich seien. Nun führt die Deutsche Bank eine der erfolgreichsten Kapitalerhöhungen der letzten Jahre durch und straft ihre bisherigen Aussagen Lügen.

Vielleicht hatte Bankchef Anshu Jain Gelegenheit „the Banker’s new clothes“ zu lesen, Professor Hellwigs neues Buch, in dem er zusammen mit Professor Admati aus Stanford so überzeugend darlegt, warum höhere Eigenkapitalquoten nicht nur sinnvoll sondern auch problemlos realisierbar sind. All die Schreckgespenste der Bankenlobby, weshalb strengere Eigenkapitalregeln unrealistisch und schädlich seien, sind wenig ernst zu nehmen. Das gleiche gilt für die ständig geäußerte Sorge, der Aktienkurs der Banken müsse zwangsläufig nach einer Kapitalerhöhung einbrechen.

Die nächste Strophe dieses Liedes lautet: Höhere Eigenkapitalquoten würden zu einer Verkürzung der Bilanzen und damit zu Kündigungen von Krediten führen. Dabei sind die Bilanzen sind nicht wegen der Mittelstandskrediten so aufgebläht sondern wegen ihres Eigenhandels und Interbankengeschäftes. Klassische Kredite machen nur noch etwa ein Drittel des Bankgeschäftes der Großbanken aus.

Eine Erhöhung des Eigenkapitals führe zu einer Kreditklemme, weil dann Geld unproduktiv vorgehalten werden müsse. Unsinn. Eigenkapital wird nicht vorgehalten sondern investiert. Es ist nur eine Form der Refinanzierung der Banken.

Eigenkapital sei zu teuer als Refinanzierung. Noch so ein Mythos. Eigenkapital ist allenfalls teuer, wenn man massiv überschuldet ist und kein Kapitalgeber dem Unternehmen mehr traut. Fremdkapital ist auch unschlagbar billig, wenn der Staat Fremdkapital subventioniert, durch die Abgeltungssteuer, und noch mehr durch den staatlichen Rettungsschirm für too big to fail Banken. Diese Subventionen werden auf mehrere Hundert Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Ist das nicht so, als ob wir die Chemieindustrie dafür subventionieren würden, dass sie absichtlich möglichst viel Gift in unsere Flüsse leitet? Die Kapitalerhöhung der Deutschen Bank zeigt jedenfalls, dass zusätzliches Eigenkapital nicht unbedingt teuer ist, sondern im Gegenteil den bestehenden Aktionären zu einem deutlichen Kursgewinn verhelfen kann.

Es wäre schön, wenn Herr Jain diese Erkenntnis auch an Bundesfinanzminister Schäuble weiterleiten könnte, damit endlich auch die deutsche Bundesregierung versteht, dass eine stringente Bankenregulierung auch ein Standortvorteil für die heimischen Banken ist. Der Kurssprung der Deutschen Bank Aktie gestern ist eine Bestätigung der Position der Grünen Fraktion im Europaparlament und Bundestag. Klare Eigenkapitalregeln – eine Schuldenbremse für Banken – sorgen dafür, dass nie wieder die Allgemeinheit für Bankenrettung zur Kasse gebeten wird und sie machen Bankaktien endlich wieder attraktiv für Investoren.

Daher hat die Fraktion der Grünen im Europaparlament so für härtere Eigenkapitalregeln gekämpft und nach extrem harten Verhandlungen, insbesondere mit der deutschen Bundesregierung, 2% Punkte zusätzliches Eigenkapital für global systemisch wichtige Banken durchgesetzt. Allerdings setzt die bisherige Umsetzung von Basel III in Europa ausschließlich auf die sogenannte Risiko gewichtete Eigenkapitalquote, die es den Banken erlaubt, viele Aktiva als risikoarm oder gar risikofrei zu klassifizieren und dafür wenig oder überhaupt kein Eigenkapital einzusetzen. Die Krise hatte gezeigt, dass auch AAA geratete Wertpapiere im großen Stil ausfallen können.

Die Deutsche Bank weist nach ihrer jüngsten Kapitalerhöhung stolz eine Eigenkapitalquote nach Basel III von 9,5 Prozent aus. Diese schöne Zahl erklärt sich jedoch aus der Risikogewichtung.

In Wirklichkeit hat die Deutsche Bank auch nach Kapitalerhöhung nur eine echte Eigenkapitalquote von unter drei Prozent. Weniger als 60 Milliarden Eigenkapital dienen als Risikopuffer für eine Bilanzsumme von über zwei Billionen Euro (76 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts).

In jeder anderen Branche gilt ein Unternehmen mit weniger als 25 Prozent Eigenkapital als schwach kapitalisiert. Wie können wir den großen Banken erlauben, mit einem Zehntel des sonst üblichen Eigenkapitals zu wirtschaften?

Kommentar Die Kapitalerhöhung kommt zur Unzeit

Dass die Deutsche Bank ihr Kernkapital erhöhen muss, war schon lange bekannt. Doch die überraschende Aktienemission kommt zum falschen Zeitpunkt und könnte negative Folgen für das größte deutsche Kreditinstitut haben.

Damit sich Banken ihre Eigenkapitalquote nicht künstlich schön rechnen können, hat Bündnis 90/Die Grünen auf dem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende als bislang einzige der großen Parteien eine klare Forderung für eine ungewichtete Eigenkapitalquote („leverage Ratio“) beschlossen. Die auch von Basel III geforderte Quote von drei Prozent soll in der nächsten Legislaturperiode verbindlich eingeführt werden. Mittelfristig soll diese Quote jedoch auf mindestens zehn Prozent angehoben werden.

Für die konservativer wirtschaftenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken dürfte dies kein Problem darstellen. Diese Bankengruppen weisen bereits 2011 eine ungewichtete Eigenkapitalquote von 5,7 bzw. sechs Prozent aus. Dank historisch niedriger Refinanzierungskosten und derzeit noch hoher Zinsen auf langfristig laufende Immobilienkredite im Bestand, können sie gut weitere Rücklagen aufbauen.

Auch die Deutsche Bank wird es dank ihres erfolgreichen Managements, guter Ertragslage, moderater Bonuspolitik und sicher auch weiterer kluger Kapitalerhöhungen schaffen, eine echte Eigenkapitalquote von über zehn Prozent zu erreichen.

Schwerer wird es allenfalls für die Banken in den Krisenländern der Eurozone. Doch auch dort müssen wir mit aller Kreativität in einer funktionierenden europäischen Bankenunion dafür sorgen, dass keine Zombiebanken entstehen, wie im Japan der 1990er Jahre, die den wirtschaftlichen Aufschwung für zwei Jahrzehnte blockieren.

Gut kapitalisierte Banken sind eine wesentliche Voraussetzung in ganz Europa nicht nur dafür, dass der Steuerzahler nicht mehr für bail-outs zur Kasse gebeten wird, sondern auch für ein Überwinden der Wirtschaftskrise und der unerträglichen Arbeitslosigkeit in diesen Ländern.

Veröffentlicht auf Handelsblatt Online am 2. Mai 2013

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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