Sven Giegold

Globale Mindeststeuer: Einigung ist großer Fortschritt, führt aber noch nicht bis zum Ziel

Die entscheidende Einigung über die internationale Unternehmenssteuerreform steht kurz bevor. Morgen, den 8. Oktober, findet die Plenarsitzung des OECD/G20 Inclusive Forum on BEPS statt. Es wird erwartet, dass das OECD Inclusive Framework morgen den finalen Text besiegelt. Diese Einigung soll dann am 13. Oktober von den G20 Finanzminister*innen und Notenbanker*innen gebilligt und am 30.-31. Oktober während des G20-Gipfels endgültig beschlossen werden.

Der meistbeachtete Teil der Einigung ist die globale Mindeststeuer. Es handelt sich hier genau genommen jedoch nicht um einen Mindeststeuersatz, sondern um eine Mindesthinzurechnungsbesteuerung für Auslandsfirmen von Großunternehmen. Bei der Hinzurechnungsbesteuerung werden die Einkünfte von ausländischen Tochtergesellschaften beim Mutterkonzern (bspw. mit Sitz in Deutschland) besteuert. Da es sich um eine Hinzurechnungsbesteuerung handelt, können EU-Mitgliedstaaten diese auch ohne europäische Einigung durchsetzen, solange sie inländische und ausländische Tochterfirmen gleichermaßen einschließen.

Die finale Entscheidung im OECD Inclusive Framework ist eine Konsensentscheidung, Einstimmigkeit ist nicht nötig. Am 1. Juli hatten 130 Mitgliedsländer einer vorläufigen Einigung zugestimmt. Die EU-Staaten Irland, Ungarn und Estland sind drei der damals neun Länder, die im Juli ihre Zustimmung verweigert hatten. Sie verlangten Zugeständnisse, um der finalen Einigung zustimmen zu können. Irland konnte in diesem Zug eine beträchtliche Abschwächung des ursprünglichen Texts erreichen: anstatt eines effektiven Mindeststeuersatz von “mindestens 15 Prozent” konnte Irland offenbar durchsetzen, dass das Wort “mindestens” gestrichen wird. US-Präsident Biden hatte ursprünglich einen effektiven Mindeststeuersatz von 21% vorgeschlagen; die Formulierung “mindestens 15 Prozent” war bereits ein Zugeständnis an Länder mit Niedrigsteuern. EU-Mitglied Zypern ist kein Mitglied des OECD Inclusive Framework.

Die internationale Unternehmenssteuerreform besteht aus zwei Säulen: Säule I regelt die Umverteilung von Besteuerungsrechten für einen Teil der Überschussgewinne von multinationalen Unternehmen. Säule II legt die Mindestbesteuerung fest, insbesondere den effektiven Steuersatz sowie die Steuerbemessungsgrundlage. Der effektive Mindeststeuersatz soll für Großunternehmen mit einem konsolidierten Konzernumsatz von über 750 Mio. € gelten.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Eine internationale Einigung auf eine gemeinsame Unternehmenssteuerreform ist ein bedeutender Fortschritt. Die jahrzehntelange Blockade von mehr globaler Steuerkooperation wird gelöst. Diese Einigung läutet eine neue Ära der weltweiten Steuerkooperation einleitet. Der Steuerwettlauf nach unten ist ruinös und verschärft globale Ungleichheiten.

Klar ist aber auch: Diese Einigung ist ein wichtiger Fortschritt, führt aber noch nicht bis zum Ziel. Das Problem der Steuervermeidung von Unternehmen und der Steuerflucht von Vermögenden besteht weiterhin. Den Handlungsbedarf haben zuletzt die PandoraPapers wieder aufgezeigt. Wir bekommen nun Regeln für die größten Konzerne weltweit aber nicht für Briefkastenfirmen. Wir brauchen einen effektiven Mindeststeuersatz für alle Unternehmen, nicht nur für die größten Konzerne. Auch alle Briefkastenfirmen müssen ihren Beitrag zur Allgemeinheit zahlen. Die Festlegung der effektiven Mindesteuer auf 15 Prozent ist ein Rückschlag für dieses wichtige Gerechtigkeitsprojekt, denn wir brauchen mehr Ehrgeiz bei der internationalen Unternehmensbesteuerung.

Das Problem der Monopolisierung der Digitalökonomie wird mit dieser Einigung nicht gelöst. Die Besteuerung der digitalen Ökonomie ist zentral, um Zukunftsinvestitionen finanzieren zu können – auch über den EU-Haushalt. Obwohl die Marktanteile von Google, Netflix und Co. beträchtlich sind, bleiben ihre Steuerbeiträge in Deutschland auch mit der Mindeststeuer klein. Wir dürfen zwischen der analogen und der digitalen Wirtschaft nicht mit zweierlei Steuermaß messen. Auch die relativ geringe Umverteilung von Überschussgewinnen an die Länder, in denen die Großunternehmen signifikante Marktanteile halten, ist ein Wermutstropfen. Globale Steuergerechtigkeit hat in dieser Einigung noch nicht den Stellenwert, der ihr gebührt.

Die Pandora Papers zeigen, dass wir im Steuerbereich einen gespaltenen Rechtsstaat haben, der für einige gilt und für andere nicht. Wir müssen ein gerechteres Steuersystem aufzubauen, um das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen zu stärken.”

Kurzexpertise des Netzwerk Steuergerechtigkeit: “Keine Revolution in Sicht: Warum Google und Netflix auch nach der OECD-Reform in Deutschland zu wenig Steuern zahlen”

Eine juristische Studie des renommierten internationalen Steuerrechtlers Prof. Englisch zeigt, dass der G20/OECD-Deal in Europa ohne Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden kann. Die Studie habe ich in Auftrag gegeben. https://sven-giegold.de/steuerrechtliches-gutachten-prof-englisch-legal-study/

Bei einem Mindeststeuersatz von 21 % würde die EU im Jahr 2021 etwa 100 Mrd. € zusätzlich einnehmen. Ein Wechsel von 21 % auf 15 % würde die zusätzlichen Steuereinnahmen in der EU halbieren. Basierend auf einer Studie der EU-Steuerbeobachtungsstelle zu den Einnahmen von einer effektiven Mindeststeuer für Unternehmen in Höhe von 25, 21 oder 15 Prozent: https://www.taxobservatory.eu/wp-content/uploads/2021/06/EUTO2021-1.pdf

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