Sven Giegold

Schwache Schuldenerleichterungen: Bundesregierung stellt Griechenland unter Dauerkuratel

Zum Treffen der Eurogruppe am Donnerstag in Luxemburg, bei dem auch über eine letzte Zahlung an Griechenland und mögliche Schuldenerleichterungen gesprochen wird, sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Die Bundesregierung will Griechenland unter Dauerkuratel stellen. Die Schuldenerleichterungen sind zu gering, um Griechenland nach all den schmerzhaften Reformen wieder in die Unabhängigkeit entlassen zu können. Mit ihrem Widerstand gegen Schuldenerleichterungen verhält sich die Bundesregierung kurzsichtig. Die Interessen der Gläubiger müssen mit den Interessen der Griechen an wirtschaftlicher Entwicklung in Einklang gebracht werden, um immer neue politische Interventionen in die Souveränität Griechenlands beenden zu können. Es ist eine verpasste Chance, dass der Vorschlag Frankreichs den Schuldendienst an die wirtschaftliche Entwicklung zu koppeln, am Einspruch der Bundesregierung gescheitert ist. Durch falschen Geiz bei der Schuldenerleichterung werden dirigistische Auflagenprogramme zum Dauerzustand. Gerade Deutschland tut sich keinen Gefallen, gegenüber europäischen Nachbarn immer wieder als Zuchtmeister aufzutreten. Die Bundesregierung sollte den Weg für angemessene Schuldenerleichterungen ebnen, damit das Vertrauen in die griechische Wirtschaft wächst. Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands schönzurechnen, um sich vor notwendigen Schuldenerleichterungen zu drücken, ist eine zweifelhafte Verdrängungsstrategie. Sogar den IWF drängt die Bundesregierung aus dem Programm, um Schuldenerleichterungen zu vermeiden. Ohne Schuldenerleichterungen gibt es keine sicheren Investitionsbedingungen und somit keinen wirtschaftlichen Aufschwung im Land. Skurril ist, dass die heutigen Beschlüsse ohne eine gemeinsame Schuldentragfähigkeitsanalyse getroffen werden sollen.

Entlastungen will Deutschland nur gegen langfristige einseitige Sparprogramme, die wirtschaftlich Benachteiligte unverhältnismäßig hart treffen. Von der Verpflichtung Griechenlands auf weitere Rentenkürzungen in den nächsten Jahren, die wirtschaftlich nicht zwingend sind, sollten die Gläubiger unbedingt absehen.”

 

Hintergrund:

Folgende Maßnahmen zur Schuldenerleichterung stehen zur Debatte:

Abschaffung der erhöhten Zinsmarge im Zusammenhang mit der Schuldenrückkauftranche des zweiten griechischen Programms

– Einigung wahrscheinlich

Rückzahlung der Gewinne, die ESM, EZB und europäische Zentralbanken mit Griechischen Staatsanleihen gemacht haben

– Einigung wahrscheinlich

Vorzeitige Teilrückzahlung bestehender Kredite des IWF an Griechenland mit ungenutzten ESM-Mitteln zur Senkung der Zinskosten und zur Verlängerung der Laufzeiten.

– Einigung unwahrscheinlich.Deutschland versucht dies zu verhindern, damit der IWF weiter als Gläubiger involviert bleibt

Verlängerung der Laufzeiten und Aufschiebung der Zahlung von Zins und Tilgung von ESM Krediten des zweiten Anpassungsprogramms (ca. 100 Mrd) um bis zu 15 Jahre

– IWF spricht sich für eine Verlängerung von 9-10 Jahren aus, während Deutschland sich für eine kürzere Verlängerung aussprach. Eine Einigung bei ca. 10 Jahren ist trotzdem wahrscheinlich

Aufbau eines Cash-Puffers, um das Vertrauen von Investoren zu stärken und den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern

– Einigung wahrscheinlich, Gesamtvolumen bei etwa 20 Mrd.

Wachstumsmechanismus (growth adjustment mechanism), der für weitere Schuldenerleichterungen durch Fristverlängerungen sorgt, wenn das Wirtschaftswachstum hinter den Erwartungen zurückfällt und der Finanzierungsbedarf auf über 20% des BIP steigt

– Einigung unwahrscheinlich, weil IWF einen automatischen Mechanismus fordert während Deutschland den Mechanismus von strikten Bedingungen abhängig machen will