Sven Giegold

Handelsblatt: EU-Kommission prüft deutschen Steuerdeal mit der Schweiz – EU-Parlamentarier halten das Abkommen für unvereinbar mit europäischem Recht

Thomas Ludwig, Brüssel. Die EU-Kommission nimmt das zwischen Deutschland und der Schweiz ausgehandelte Steuerabkommen unter die Lupe. Es bestehe Klärungsbedarf, ob es mit EU-Recht in Einklang sei, verlautete aus der Behörde. Damit bekommt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht nur Gegenwind vonseiten der Bundesländer; die Opposition hat bereits angekündigt, das Abkommen mit ihrer Mehrheit im Bundesrat platzen zu lassen, wenn es keine Nachbesserungen gebe. Nun droht auch noch Ungemach aus Brüssel.

Das zwischen der Schweiz und Deutschland jüngst erzielte Abkommen soll den jahrelangen Streit über Steuerhinterziehung von Deutschen unter Nutzung des strengen Bankgeheimnisses im Nachbarland beenden. Es soll 2013 in Kraft treten. Demnach wird deutsches Schwarzgeld in der Schweiz rückwirkend pauschal mit 19 bis 34 Prozent besteuert. Auf künftige Kapitalerträge wird eine Abgeltungsteuer von gut 26 Prozent fällig.

„Es ist nicht nachvollziehbar, warum das Abkommen nur einen Steuersatz von 26 Prozent auf Zinseinkünfte deutscher Staatsbürger vorsieht, während bei der im Ministerrat blockierten Zinssteuerrichtlinie über einen Steuersatz von 35 Prozent diskutiert wird“, kritisiert der Finanzexperte der SPD-Fraktion im Europaparlament, Udo Bullmann. Großbritannien habe in einem vergleichbaren Abkommen mit der Schweiz eine Besteuerung von 48 Prozent durchgesetzt. Brüssel prüft auch diesen Deal.

Die Kommission reagiert mit ihrer Untersuchung auf eine Anfrage des EU-Parlaments. Der Wirtschaftsausschuss hatte die Behörde fraktionsübergreifend aufgefordert, die Vereinbarung unter europarechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Die Parlamentarier hegen Zweifel an der EU-Rechtmäßigkeit. Inzwischen liegen alle nötigen Informationen aus Berlin in Brüssel vor. „Wir rechnen damit, die Untersuchung nächste Woche abschließen zu können“, heißt es.

„Die Bundesregierung gefährdet mit dem Abkommen 15 Jahre Arbeit an der europäischen Zinsrichtlinie“, kritisiert Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen in Brüssel. Die bestehende EU-Zinssteuerrichtlinie regelt die Besteuerung von Spareinlagen im Ausland. Ihre Verschärfung kommt derzeit nicht voran.

Anstatt sich im Ministerrat bei der Überarbeitung der Richtlinie zusammenzuraufen und die Blockade zu überwinden, preschten einzelne Staaten vor, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, so die Kritik der Parlamentarier. „Es wäre sinnvoller gewesen, wenn die EU-Kommission im Namen aller Mitgliedstaaten mit den Eidgenossen verhandelt hätte“, sagte Bullmann. Auch Frankreich und Spanien ziehen Übereinkünfte mit der Schweiz in Betracht.

Nach Meinung der Kritiker ist es zweifelhaft, ob bilaterale Abkommen mit Drittländern überhaupt zulässig sind, wenn die EU bereits tätig ist. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, sagt Giegold, verneine das.

Erschienen im Handelsblatt vom 5.10.2011

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!