Vor dem Hintergrund des Treffens des Europäischen Rates am 25. und 26. Februar haben heute 115 Mitglieder des Europäischen Parlaments ein Statement veröffentlicht. Sie fordern die Europäische Kommission und die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, dem Antrag Südafrikas und Indiens bei der Welthandelsorganisation statt zu geben, Patentrechte für Covid-Impfstoffe und Medikamente unter dem TRIPS-Abkommen wegen der Covid-19 Krise temporär auszusetzen.
Dazu erklärt die Europaabgeordnete Anna Cavazzini, handelspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament:
„Ein temporärer Verzicht auf geistige Eigentumsrechte für Corona-Impfstoffe und Arzneimittel wäre ein wichtiger Schritt, um die lokale Produktion weltweit zu erhöhen und letztlich die Pandemie zurückzudrängen. Denn um zu garantieren, dass der Impfstoff ein öffentliches Gut wird, müssen wir den Ländern des globalen Südens ermöglichen, selbst Impfstoff zu produzieren. Der offene Widerstand der EU und der Mitgliedstaaten gegen diesen TRIPS-Waiver birgt das Risiko, ein gefährliches Nord-Süd-Gefälle zu verschärfen, wenn es um den bezahlbaren Zugang zu COVID-19-Diagnostika und Impfstoffe geht.
Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssen ihre Position überdenken und der Welt zeigen, dass es wichtiger ist Leben zu retten als ein veraltetes Modell von geistigen Eigentumsrechten.“
Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament und Obmann im Ausschuss für Wirtschaft und Währung ergänzt:
“Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten weigern sich verzweifelt gegen die wichtigen Vorschläge, das Wissen um die Impfstoffproduktion zu einem globalen öffentlichen Gut zu machen. Diese Weigerung ist nicht nur global ungerecht, sondern auch marktwirtschaftlich grundfalsch. Eine Freigabe der Patente und Lizenzen wäre kein unzulässiger Markteingriff. Patente und der Schutz des geistigen Eigentums sind die eigentlichen Eingriffe in den Markt. In normalen Zeiten akzeptieren wir diese Eingriffe, um Anreize für Forschung und Entwicklung zu erhalten. Doch in einer globalen Krisensituation verhindert das Festhalten an den Eigentumsrechten eine schnelle und global gerechte Bekämpfung der Pandemie. Es geht jetzt darum die Möglichkeiten des Marktes bei der Impfstoffproduktion voll auszuschöpfen. Durch eine großzügige Vergütung der Impfstoffentwickler bleiben die Anreize für Forschung und Entwicklung erhalten. Die EU-Kommission und die Bundesregierung sollten jetzt ihren Widerstand gegen den TRIPS-Waiver aufgeben.”
Hintergrund:
- Bereits im Oktober 2020 hatten Südafrika und Indien einen Vorschlag bei der Welthandelsorganisation für den temporären Verzicht auf geistige Eigentumsrechte für Covid-Impfstoffe und Medikamente vorgelegt.
- Der Vorschlag wird von einer großen Anzahl von Entwicklungsländern unterstützt, jedoch von der EU, einschließlich Deutschland, abgelehnt. Es bleibt abzuwarten, ob die EU ihre Haltung angesichts der aktuellen Herausforderungen für die Einführung von Impfstoffen in Europa ändern wird.