Bis zum heutigen Freitag, 10. Januar 2020, hatten die EU-Mitgliedstaaten Zeit, die Fünfte EU-Geldwäscherichtlinie in nationales Recht umzusetzen. In den letzten Jahre hatte ich bei den Reformen der EU-Geldwäschegesetzgebung viel durchgesetzt. In Deutschland trat das entsprechende Umsetzungsgesetz zum 1. Januar 2020 in Kraft. Größte Neuerung ist die Öffnung des Transparenzregisters der wirtschaftlich Berechtigten für die breite Öffentlichkeit. Deutschland geht sogar über die europäischen Vorgaben hinaus und macht nicht nur die wirtschaftlich Berechtigten von inländischen Unternehmen, sondern auch jene von inländischen Stiftungen und Trusts für jedermann zugänglich. Sofern sie Immobilien in Deutschland besitzen, müssen auch ausländische Vereinigungen ihre wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister hinterlegen. Insgesamt beseitigt die jüngste Gesetzesreform jedoch nicht die grundsätzlichen Schwächen in der deutschen Geldwäschebekämpfung. Nach wissenschaftlichen Schätzungen werden über 100 Milliarden Euro krimineller Gelder jährlich in Deutschland gewaschen. Nur ein winziger Bruchteil wird entdeckt und beschlagnahmt. Die mangelnde Bekämpfung von Geldwäsche ermöglicht Kriminalität und untergräbt die soziale Marktwirtschaft, etwa wenn Kriminelle im Markt als Unternehmenseigentümer oder Vermieter auftreten.
Ziel der europäischen Richtlinie ist es, den Missbrauch des Finanzsystems für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Dazu gehört seit der Dritten Geldwäscherichtlinie (in Kraft seit dem 15. Dezember 2007) insbesondere die Einrichtung einer zentralen Meldestelle (engl. Financial Intelligence Unit, kurz FIU) zur Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Konkret verpflichtet die Richtlinie von den Mitgliedstaaten, die zentralen Meldestellen mit angemessenen finanziellen, personellen und technischen Mitteln auszustatten, so dass sie ihre Aufgaben wirksam erfüllen können. Doch deutsche Medien berichteten zuletzt immer wieder über die eingeschränkte Funktionsweise der deutschen FIU, die ein Sicherheitsrisiko für Deutschland und die gesamte EU darstellt. Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter und der Bund deutscher Kriminalbeamter kritisierten mehrfach die Qualität der von der FIU erstellten Analyseberichte und die teilweise krassen Verzögerungen bei der Weiterleitung von Verdachtsmeldungen. Seit Deutschland im Sommer 2017 die Verantwortung für seine Geldwäsche-Meldestelle vom Bundeskriminalamt auf die Generaldirektion Zoll übertrug, wurde die Situation noch schlimmer. So wird die endgültige Personalausstattung laut interner Planung der FIU erst 2027 erreicht werden. Die jetzigen Mitarbeiter stammen oft aus anderen Bereichen und haben oft wenig bis keine Erfahrung im Erkennen von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Der FIU fehlt der notwendige unmittelbare Zugriff auf Polizeidaten zur Analyse von Verdachtsmeldungen. Durch das neue Gesetz wird der Datenzugriff zwar erleichtert, doch bleibt der Informationsaustausch bürokratisch und kompliziert. Die Strafverfolgungsbehörden wiederum können auf die Verdachtsmeldungen bei der FIU nicht elektronisch zugreifen, sondern erhalten die Informationen nur per E-Mail oder sogar in Papierform. Inzwischen sitzt die FIU auf mehr als 50.000 weitgehend unbearbeiteten Verdachtsfällen, die unzureichend qualifizierte Mitarbeiter einmalig gesichtet und dann ins “Monitoring” geschoben haben, wo sie auf Weiterbearbeitung warten. Viele Straftaten werden von der FIU nicht erkannt, Täter in der Folge nicht ermittelt und Vermögen nicht abgeschöpft. Im schlimmsten Fall wird Terrorfinanzierung nicht vereitelt und es kommt zu einem Anschlag.
Die Bundesregierung hat die umfassende Reform der deutschen Geldwäscheabwehr bei der Umsetzung der Fünften Geldwäscherichtlinie nicht genutzt, um die Missstände bei der deutschen FIU zu beseitigen. Solange die FIU europarechtswidrig nicht über die nötigen finanziellen, personellen und technischen Mittel verfügt, muss die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten. Dazu haben wir die EU- Kommission bereits vor knapp einem Jahr aufgefordert: https://sven-giegold.de/geldwaesche-europaeische-kommission-muss-vertragsverletzungsverfahren-gegen-deutschland-einleiten/
Doch obwohl am 10. Januar 2020 die Umsetzungsfrist für die Fünfte Geldwäscherichtlinie endet, ist die EU-Kommission noch immer beschäftigt mit der Prüfung der korrekten Umsetzung der Vierten Geldwäscherichtlinie. Bei der vorigen Prüfung der Vollständigkeit der notifizierten nationalen Umsetzungsgesetze hatte die EU-Kommission bei allen 28 Mitgliedstaaten Mängel identifiziert. Für Deutschland hatte die Kommission kritisiert, dass es keine Maßnahme notifiziert hatte, die der FIU „zeitnahen Zugang“ zu den Informationen über wirtschaftlich Berechtigte von Unternehmen, Stiftungen und Trusts erlaubte. Deutschland hat den entsprechenden Rechtstext inzwischen nachgereicht, so dass das Verfahren gegen Deutschland zur Vollständigkeit der Umsetzung eingestellt wurde. Insgesamt wurden von den 28 Vertragsverletzungsverfahren zur Vollständigkeit der Umsetzung der Vierten Geldwäscherichtlinie inzwischen elf geschlossen, 17 sind weiter aktiv. Eine Übersicht der Vertragsverletzungsverfahren findet sich hier:
Die nächste Phase der Prüfung zur Korrektheit der Umsetzung der Vierten Geldwäscherichtlinie dauert noch an und es ist derzeit unklar, wann Ergebnisse vorliegen werden. Die EU-Kommission muss bei der Prüfung der korrekten Umsetzung der Geldwäscherichtlinie einen Zahn zulegen. Es kann nicht sein, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Fünften Geldwäscherichtlinie noch nicht einmal die Prüfung der Korrektheit der nationalen Umsetzungsgesetze der Vierten Geldwäscherichtlinie abgeschlossen ist.
Ein wichtiges Instrument für die Prävention und Ermittlung von Geldwäsche ist das seit Ende 2017 existierende Transparenzregister, das die wirtschaftlich Berechtigten von Unternehmen, Stiftungen und Trusts beinhaltet: www.transparenzregister.de
In der Vergangenheit war dieses Register nur für Behörden sowie für Menschen mit einem berechtigten Interesse zugänglich. Nun wird das Transparenzregister für die breite Öffentlichkeit geöffnet, nachdem sich die Zivilgesellschaft, Journalisten und auch wir Grünen dafür eingesetzt hatten. Allerdings ist der Zugang mit unnötigen Hürden verbunden. Weil für jedes Dokument Gebühren erhoben werden, können Recherchen bei verschachtelten Gesellschaftsstrukturen schnell teuer werden. Zudem mangelt es dem Transparenzregister an Benutzerfreundlichkeit, weil die Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten nicht in einem leicht zugänglichen und verarbeitbarem Format bereitstehen. Größtes Problem ist jedoch die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten im Transparenzregister. Auch nach Änderungen durch das Umsetzungsgesetz zur Fünften Geldwäscherichtlinie ist nämlich die Gefahr der Eigentümerverschleierung durch Zwischenschaltung von komplexen Beteiligungsketten ohne wirtschaftlichen Zweck nicht gebannt. Zwar wurde in der Gesetzesnovelle klargestellt, dass Gesellschaften ihre wirtschaftlich Berechtigten entlang der Beteiligungskette ermitteln und ans Register melden müssen. Die Gesellschaften jedoch müssen nur von jenen Anteilseigner die wirtschaftlich Berechtigten erfragen, die ihnen bekannt sind und auch nur “in angemessenem Umfang”. Damit besteht keine harte Nachforschungspflicht seitens der mitteilungspflichtigen Gesellschaften. Ohne positive Kenntnis über die tatsächlich wirtschaftlich Berechtigten wird ein fiktiver wirtschaftlich Berechtigter zur Erfüllung der Mitteilungspflicht erfasst, z.B. ein Geschäftsführer. Statt eines Strohmanns sollten in einem ernsthaften Transparenzregister aber nur echte wirtschaftlich Berechtigte eingetragen werden. Das Bundesverwaltungsamt ist damit beauftragt, die Vollständigkeit und Korrektheit der Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten einer jeden zur Registrierung im Transparenzregister verpflichteten Vereinigung zu prüfen. In der Praxis jedoch laufen Suchanfragen noch regelmäßig ins Leere. Das Bundesverwaltungsamt sollte angesichts der schieren Menge an registrierten Vereinigungen deshalb unbedingt mehr Ressourcen in die Überprüfung der Daten aufwenden. Ein falsches oder unvollständiges Transparenzregister hilft uns im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nicht weiter. Deshalb sollten auch die Sanktionen für Falsch- und Nichtmeldungen wirtschaftlich Berechtigter abschreckend sein. Laut Bußgeldkatalog des Bundesverwaltungsamts wird derzeit eine einmalige Falschmeldung aber nur mit gerade einmal 200 Euro geahndet, die Nichtmeldung kostet 500 Euro. Nur bei vorsätzlichen und wiederholten Verstößen sowie für große Unternehmen werden höhere Bußgelder fällig, maximal 1 Million Euro.
Ein besonders hohes Risiko für Geldwäsche in Deutschland birgt der Immobiliensektor, wie die Bundesregierung selbst mehrfach eingeräumt hat. Mit schwachen Kontrollen, hoher Intransparenz und satten Renditen bieten die boomenden Immobilienmärkte in deutschen Großstädten ideale Voraussetzungen für internationale Geldwäsche. Die Fünfte Geldwäscherichtlinie verlangt nun von den Mitgliedstaaten, dass die zentralen Meldestellen und zuständigen Behörden Zugang zu Informationen haben, “die die zeitnahe Identifizierung” der Eigentümer von inländischen Immobilien erlauben. Das war ein grüner Verhandlungserfolg bei der Reform der EU-Geldwäscherichtlinie. Deutschland will dieser Verpflichtung durch den Aufbau eines bundeseinheitlichen Datenbankgrundbuchs nachkommen: http://www.grundbuch.eu/
Doch das Projekt wurde nicht rechtzeitig zur am 10. Januar 2020 endenden Umsetzungsfrist abgeschlossen und das Datum der Fertigstellung ist weiter unklar. So bekommt beispielsweise die Polizei nach wie vor ihre Information zu einer bestimmten Person, in dem sie eine Anfrage an alle Katasterämter stellt. In den meisten Amtsgerichtsbezirken sind die Grundbücher zwar inzwischen digitalisiert. Was jedoch fehlt, ist eine einheitliche Schnittstelle mit der die einzelnen Grundbücher verbunden und bundesweite Suchanfragen möglich werden. Mit manuellen Anfragen an einzelne Behörden erfüllt Deutschland nicht die europäische Verpflichtung, Immobilieneigentümer zeitnah identifizieren zu können. Solange es kein bundesweites elektronisches Grundbuch gibt, kämpfen Ermittler mit stumpfen Waffen gegen Geldwäsche im Immobiliensektor.
Letztlich muss sich die deutsche Geldwäscheabwehr auch daran messen lassen, ob alle Verpflichteten nach dem Geldwäschegesetz angemessen und wirksam beaufsichtigt werden. Kredit-, und Finanzinstitute reichen zwar die meisten Geldwäsche-Verdachtsmeldungen ein, doch nutzt die BaFin bei deutschen Banken ihre Auskunftsrechte und Sanktionsmöglichkeiten zu wenig aus: https://www.finanzwende.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/AkteBafin/DieAkteBafin.pdf
Spektakuläre Geldwäschefälle wie Danske Bank unter Beteiligung von Banken in mehreren europäischen Ländern zeigen zudem, dass bei grenzüberschreitenden Geschäften die Aufsicht in der Bankenunion unzureichend ist. Unbefriedigend niedrig ist außerdem die Anzahl an Geldwäsche-Verdachtsmeldungen aus dem Nichtfinanzsektor. 2018 kamen von den insgesamt abgegebenen 77.252 Verdachtsmeldungen gerade einmal 597 aus dem Nicht-Finanzsektor. Angesichts der Beteiligung von Immobilienmaklern, Anwälten, Notaren, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern an Geldwäschegeschäften wie sie beispielsweise die Panama Papers ans Tageslicht brachten, muss die Selbstbeaufsichtigung freier Berufe überdacht werden. Immerhin brachte die letzte Gesetzesnovelle eine Verschärfung der Pflichten für Notare bei der Beurkundung von Immobiliengeschäften. Das deutsche Gesetz zur Umsetzung der fünften Geldwäscherichtlinie verbietet nun Notaren die Beurkundung von Geschäften, bei denen der wirtschaftlich Berechtigte unbekannt ist. Zudem werden Notare unter bestimmten Fällen von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit und zur Abgabe einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung verpflichtet, selbst wenn sie nicht positive Kenntnis über, sondern nur einen Verdacht auf Geldwäsche ihres Mandanten haben.
Die Kontrolle des Nicht-Finanzsektors, für den die Bundesländer zuständig sind, muss auch personell dringend verbessert werden. Insgesamt waren in den 16 Bundesländern 2018 laut Bundesfinanzministerium nur 238 Vollzeitstellen für die Aufsicht von Immobilienmaklern, Notaren, Automobilhändlern und anderen Verpflichteten des Nicht-Finanzsektors abgestellt. Damit ist eine effektive Aufsicht nicht zu machen und erfüllt nicht die Vorgaben der Geldwäscherichtlinie. Wir Grünen bleiben hier im Europaparlament am Ball, damit Deutschland endlich konsequent gegen Finanzkriminalität vorgeht!