Sven Giegold

Interview in der SZ: Den Wildwuchs eindämmen

Erschienen in der Süddeutschen Zeitung vom 25.11.2011

‚Den Wildwuchs eindämmen‘

Im EU-Parlament gibt es Pläne, Indexfonds strenger zu regulieren

Die Geschäfte mit börsengehandelten Indexfonds (ETF) könnten demnächst auf EU-Ebene strenger reguliert werden, kündigt Sven Giegold, der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, im Gespräch an. Dabei erklärt der EU-Parlamentarier und Mitbegründer der Organisation finanzwatch.org, warum Indexfonds riskant sein können und welchen Einfluss der UBS-Skandal auf die künftige Finanzmarktregulierung hat.

SZ: Herr Giegold, vor kurzem wurde bekannt, dass ein Händler der Schweizer Bank UBS 2,3 Milliarden Dollar verzockt hat. Was haben Sie gedacht, als Sie davon erfahren haben?

Giegold: Dass es mit den Reformen des Finanzmarkts noch nicht so weit her ist. Die Argumente derjenigen, die immer noch behaupten, die Finanzmarktakteure hätten gelernt, sind damit wieder einmal widerlegt.

SZ: War der UBS-Skandal auch Thema in den entsprechenden EU-Gremien oder ging man da zur Tagespolitik über?

Giegold: Sicher ist man da zur Tagespolitik übergegangen, aber der Fall prägt die Debatten und wird auch bei der weiteren Finanzmarktregulierung Thema sein. Mit der sogenannten Finanzmarktrichtlinie Mifid hat die EU-Kommission nun unter anderem Vorschläge für eine ganz klare Beschränkung des Hochfrequenzhandels gemacht. Das sind schon weitreichende Schritte, die nicht direkt mit dem UBS-Skandal zu tun haben, aber deutlich machen, dass die Debatte sich geändert hat. Rechtfertigen muss sich nun, wer nicht regulieren will.

SZ: Im Grunde bringen alle ETF-Anbieter immer noch komplexere Produkte auf den Markt. Kommt da die Politik mit der Regulierung überhaupt noch hinterher?

Giegold: Die Politik läuft da zwangsläufig den Produktinnovationen hinterher. Wir werden da aber in Rahmen der Finanzmarktrichtlinie zu UCITS (Investmentfonds) nachsteuern und zumindest hier den Wildwuchs im Bereich von ETF eindämmen. Grundsätzlich halte ich ETF für ein sehr gutes und sympathisches Produkt. Die Fonds bilden einfach einen Index nach und die Gebühren sind niedrig. Es gibt aber auch Kritik.

SZ: Zum Beispiel?

Giegold: Beispielsweise gibt es eine große Verwirrung bei den Begriffen der Produkte. Da werden manche Produkte als Indexfonds verkauft, obwohl der Anleger in Wirklichkeit auch andere Risiken eingeht. Die Kunden denken, sie kaufen einen Fonds, der nur einen Index abbildet. Tatsächlich liegen in dem Fonds aber statt den im Index vertretenen Papieren Derivate, von denen sie nichts wissen. Da werden zunehmend Äpfel als Birnen verkauft.

SZ: Der Name wird auch für komplexe Produkte verwendet wie etwa Swapbasierte ETF. Sollte es auf EU-Ebene ein Verbot für solche Swaps geben?

Giegold: Ein Verbot halte ich nicht für sinnvoll, aber es muss klar sein, was verkauft wird. Eigentlich sind ETFs ja für den Endverbraucher eine gute Idee. Da aber viele Anbieter auf dem Markt sind, sind deren Gewinnmargen gesunken, so dass sich die Anbieter immer komplexere Produkte ausgedacht haben, die dem Kunden nichts nützen.

SZ: Die Produktblätter von ETF sind für Kunden oft unverständlich. Gibt es da bald Hoffnung auf Besserung?

Giegold: Wir bekommen einheitliche und einfache Produktinformationsblätter, Anlageklasse für Anlageklasse. Im Rahmen von UCITS wird das kommen. Auch die Anlageberatung soll transparenter werden.

SZ: Wie wollen Sie das erreichen?

Giegold: Viele Anlageberater empfehlen riskante Produkte, weil sie dafür eine Provision erhalten oder weil die Produkte aus dem eigenen Haus stammen. Die Produktentwicklung und der Vertrieb sollte daher nicht in einer Hand sein. Mit einer solchen Trennung und einem Verbot von Provisionen wird die Anlageberatung im Interesse des Kunden erfolgen.

Interview: Katharina Wetzel

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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