Mittel gegen Steuerflucht:EU kritisiert Abkommen mit Schweiz
Die EU-Kommission äußert Bedenken gegen das zwischen Berlin und Bern ausgehandelte Steuerabkommen. Damit unterstützt Brüssel Schäubles deutsche Kritiker. Von Mark Schrörs Brüssel
Semetas Aussagen sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Abkommens. Die SPD kritisiert es als Ablasshandel und droht mit einer Blockade im Bundesrat. Der Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament, Sven Giegold, warnte davor, dass es den gemeinsamen Kampf Europas gegen Steuerhinterziehung unterlaufe.
Deutschland und die Schweiz hatten sich Mitte August auf ein Steuerabkommen geeinigt. Demnach müssen Deutsche zwar künftig für Kapitalerträge und -gewinne in der Schweiz genauso wie in der Heimat eine Abgeltungsteuer inklusive Solidaritätszuschlag von gut 26 Prozent zahlen. Dafür bleiben sie aber anonym – die Schweizer Banken sollen dafür sorgen, dass alles Geld korrekt versteuert wird. Die EU hatte sich dagegen mit ihrer 2005 in Kraft getretenen Zinsrichtlinie den automatischen Informationsaustausch auf die Fahnen geschrieben. Den vermeidet die Schweiz aber mit dem neuen Abkommen mit Deutschland.
Semeta betonte, bilaterale Abkommen dürften EU-Recht nicht entgegenstehen. Im Zweifelsfall kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einreichen. Semeta monierte, dass die Kommission nicht ausreichend in die Verhandlungen zwischen Berlin und Bern eingebunden gewesen sei.
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EU beäugt Steuerabkommen kritisch
Steuer-Kommissar Semeta ist von der Vereinbarung zwischen Deutschland und der Schweiz noch nicht überzeugt.
Thomas Ludwig, Brüssel. In Bausch und Bogen verdammt die EU-Kommission das zwischen Deutschland und der Schweiz geschlossenen Steuerabkommen nicht. Die Skepsis aber ist bei Steuerkommissar Algirdas Semeta nach einer ersten Analyse nicht gewichen. Der zwischen beiden Staaten verabredete Steuersatz sei deutlich niedriger als in einem möglichen Abkommen der EU mit der Schweiz, sagte der Kommissar im EU-Parlament auf eine Anfrage des Grünen Sven Giegold. Da die Steuer endgültig sei und nicht – wie nach den EU-Plänen vorgesehen – vorab eingezogen werde, könne sie auf Steuerhinterzieher zudem weniger abschreckend wirken.
Semeta räumte zwar ein, dass Mitgliedstaaten internationale Abkommen mit Drittländern schließen dürften. Sie müssten aber EU-Recht respektieren. Ansonsten drohe ein Vertragsverletzungsverfahren. Im September hatten Deutschland und die Schweiz den jahrelangen Streit über Steuerhinterziehung von Deutschen unter Nutzung des Schweizer Bankgeheimnisses beigelegt. Demnach wird deutsches Schwarzgeld in der Schweiz rückwirkend pauschal mit 19 bis 34 Prozent besteuert. Die Einnahmen fließen in die Kassen des deutschen Fiskus. Auf künftige Kapitalerträge wird eine Abgeltungssteuer von gut 26 Prozent fällig.
Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Werner Langen (CDU), verteidigte das deutsch-schweizerische Abkommen. Steuerkommissar Semeta habe klargemacht, dass es nicht in Widerspruch zum geplanten europäischen Abkommen steht. Die deutsche Regelung mit der Schweiz sei wichtig für eine schnelle Besteuerung von unversteuertem Auslandsvermögen, betonte Langen. „Wir können nicht Jahre warten, bis ein EU-Abkommen neu ausgehandelt und in Kraft getreten ist“.
Das Abkommen soll 2013 in Kraft treten. Sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat müssen der Vereinbarung zustimmen. Die von der SPD regierten Bundesländer haben das Abkommen bereits kritisiert und werden voraussichtlich dagegen stimmen. „Die Bundesregierung sollte die Kritik ernst nehmen und das umstrittene Steuerabkommen mit der Schweiz dringend nachbessern“, sagte der SPD-Fraktionssprecher für Wirtschaft und Währung im Europa- Parlament Udo Bullmann.
SPD-Politiker setzen auf eine europäische Regelung.
Bullmann forderte die Bundesregierung auf, im Ministerrat Druck auf die übrigen Mitgliedstaaten auszuüben, damit die EU-Kommission rasch ein Verhandlungsmandat für ein europäisches Steuerabkommen mit der Schweiz erhält. Ziel müsse ein automatischer Austausch von Steuerinformationen sowohl innerhalb der EU als auch zwischen der EU und Drittstaaten sein. Im Rahmen der geplanten Zinssteuerrichtlinie wird ein Steuersatz von 35 Prozent diskutiert.
Erschienen im Handelsblatt, 27.10.2011