Sven Giegold

Dechiffrierung der Regierungserklärung zum EU-Gipfel: Merkel hat den Weg für gemeinsame Schulden über das EU-Budget offen gelassen

Bundeskanzlerin Merkel hat in ihrer heutigen Regierungserklärung erklärt, dass Corona-Bonds nur mit einer EU-Vertragsänderung möglich wären. Sie plädierte dafür, dass man über das EU-Budget ein Konjunkturprogramm auflegt, um “schneller” den an der Corona-Krise leidenden Staaten helfen zu können. Die EU-Kommission hat für das EU-Budget einen Vorschlag ins Spiel gebracht. Demnach sollen gemeinsame Anleihen ausgegeben werden, die durch Spielräume des mehrjährigen Finanzrahmen finanziert und abgesichert werden, die sich aus der Differenz von Zahlungsverpflichtungen in das Budget durch die Mitgliedstaaten und den tatsächlichen Ausgaben durch die EU ergeben. Eine solche Lösung im EU-Haushalt ist erprobt, weil sie in ähnlicher Form schon in kleinerem Umfang in der Vergangenheit schon beschritten wurde. Das schützt auch gegen verfassungs- und europarechtliche Bedenken. Dazu erklärt Sven Giegold, Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament:

Man muss Merkels Worte wieder einmal dechiffrieren: Die Kanzlerin hat die Tür für gemeinsame Schulden über das EU-Budget offen gelassen. Offenbar will sie ihrer eigenen Fraktion keinen reinen Wein einschenken, wenn sie Corona-Bonds ablehnt, aber gleichzeitig gemeinsame Schulden über das EU-Budget nicht ausschließt. Zumal Merkel Corona-Bonds nur rechtlich, aber nicht politisch ausgeschlossen hat. Im Rahmen der EU-Verträge sind Corona-Bonds aber sehr wohl möglich. In der letzten Finanzkrise und der Ölkrise wurden gemeinsame Anleihen im Rahmen des geltenden Rechts aufgelegt. Doch auch gemeinsame Anleihen über das EU-Budget sind ein richtiger Weg: Gemeinsame Schulden mit gemeinsamer Haftung wären ein großer Fortschritt europäischer Solidarität. Für CDU und CSU waren gemeinsame Schulden bislang ein rotes Tuch. Die EU-Kommission hat nun einen konstruktiven Vorschlag zur Überwindung der Blockade mittels des EU-Budget ins Spiel gebracht. Merkel sollte sich beim EU-Gipfel für echte Solidarität auf Basis des Kommissionsvorschlags einsetzen. Es ist richtig, den Spielraum des EU-Budgets für gemeinsame Anleihen zu nutzen. Entscheidend ist, dass die Gelder nicht nur als Kredite ausgeben werden und mindestens 1.000 Milliarden Euro umfassen. Von den Finanzhilfen müssen als erstes die von der Coronakrise am härtesten betroffenen Länder profitieren.”

Rubrik: Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!