Sven Giegold

Neue Bankenregeln stärken Finanzstabilität in Europa

Heute, am 27.10.2021, hat die EU-Kommission ihre Vorschläge für die Überarbeitung der europäischen Bankenregeln CRR/CRD vorgestellt. Sie bestimmen vor allem, wie viel Eigenkapital und Liquidität Kreditinstitute vorhalten müssen. Vorrangig geht es darum, die letzten ausstehenden Elemente von Basel III in europäisches Recht zu übertragen. Basel III bezeichnet die grundlegende Reform der internationalen Bankenregeln, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht als Reaktion auf die Finanzkrise beschlossen hatte. Eigentlich war der Kommissionsvorschlag bereits für den Sommer 2020 geplant, wurde dann aber aufgrund der Coronapandemie und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten wiederholt verschoben. Insbesondere Frankreich setzte sich offensiv für eine Abschwächung des sogenannten Output Floors ein, mit dem künftig die Kapitaleinsparungen durch die Nutzung bankinterner Modelle begrenzt werden sollen. Wir Grüne hatten eine solche Abweichung von den international getroffenen Basel-III-Vereinbarungen strikt abgelehnt, ebenso wie EZB, EBA und viele nationale Finanzaufsichtsbehörden und Notenbanken.

Der heute von der EU-Kommission vorgestellte Vorschlag sieht nun die Einführung des Output Floor ohne nennenswerte Abschwächungen vor. Anstatt des von Frankreich favorisierten Parallel-Stacks-Ansatzes setzt die Kommission auf einen Single-Stack-Ansatz, wie ihn die Basler Vorgaben vorsehen. Allerdings soll der Output Floor nur schrittweise bis 2030 – und damit zwei Jahre später als vom Basler Ausschuss vorgesehen – eingeführt werden.

Neben dem umstrittenen Output Floor schlägt die EU-Kommission eine große Anzahl weiterer Änderungen der Bankenregeln vor. Es werden weitere Elemente des Basel-III-Kompromisses umgesetzt, unter anderem der neue Kreditrisiko-Standardansatz. Die Befugnisse der Aufsichtsbehörden werden ausgedehnt, insbesondere bei Niederlassungen ausländischer Banken. Allerdings verzichtet die EU-Kommission darauf, weitergehende Aufsichtsbefugnisse im Hinblick auf die Ausschüttung von Dividenden vorzuschlagen. Nachhaltigkeitsrisiken sollen künftig sowohl in der internen Risikosteuerung der Institute als auch im aufsichtlichen Überprüfungsprozess SREP eine zentrale Rolle spielen.

Während vor allem die Einführung des Output Floor mittelfristig die Kapitalanforderungen der großen Banken steigen lässt, sind kleine und mittlere Institute kaum betroffen. Allerdings enthält der Vorschlag der EU-Kommission auch fast keine neuen Maßnahmen, um kleine und mittlere Banken weiter von unnötiger Bürokratie zu entlasten. Die EBA hatte bei der letzten Überarbeitung der Bankenregeln den Auftrag bekommen, mögliche Entlastungen vorzuschlagen. Diese werden nun von den Aufsichtsbehörden umgesetzt, liefern jedoch keine umfassenden Erleichterungen. Wir Grüne hatten uns stets für sehr viel weiterreichende Vereinfachungen für gut kapitalisierte kleine und mittlere Banken eingesetzt.

Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA im Europäischen Parlament, erklärt:

“Die neuen Bankenregeln stärken die Finanzstabilität in Europa. Europas Finanzmarkt wird ein Stück krisenfester. Es ist wichtig, dass die EU-Kommission die Anforderungen für Banken nicht aufweicht. Damit erteilt die EU-Kommission den Forderungen von Emmanuel Macron nach einer aufgeweichten Basel-III-Umsetzung eine klare Absage. Die Begrenzung von Kapitaleinsparungen durch bankinterne Modelle ist ein Kernstück der Finanzmarktreformen nach der Finanzkrise. Eine Verwässerung hätte Europas Glaubwürdigkeit gegenüber internationalen Partnern schwer beschädigt und den ganzen Basler Prozess in Frage gestellt.

Allerdings wird auch deutlich: Die EU-Kommission hat Konzessionen gemacht, um den prognostizierten Gesamtanstieg der Kapitalanforderungen zu dämpfen. Damit ist die EU-Kommission einzelnen Mitgliedstaaten entgegen gekommen. Dabei kann angesichts der ungewichteten Eigenkapitalquoten von nur rund fünf Prozent keine Rede davon sein, dass Europas Großbanken krisensicher kapitalisiert sind. Wir Grünen werden bei allen neuen Sonderregeln genau prüfen, ob diese aus Risikosicht gerechtfertigt sind. Reine Lobbygeschenke und Wirtschaftspolitik haben in der Bankenregulierung nichts verloren.

Die EU-Kommission hat versäumt, den grünen Turbo einzulegen. Bei den Nachhaltigkeitsrisiken bleibt die EU-Kommission hinter dem Anspruch des Europäischen Green Deals zurück. Zwar ist es richtig, dass die Rolle von Nachhaltigkeitsrisiken in der internen Risikosteuerung und im Aufsichtsprozess gestärkt werden. Allerdings fehlt ein klarer und verbindlicher Zeitplan für die überfällige Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die harten Eigenkapitalanforderungen der ersten Säule. Statt weitere zwei Jahre auf einen EBA-Bericht zu warten, sollte die EU-Kommission möglichst bald einen neuen Gesetzesvorschlag vorlegen. In der Zwischenzeit appelliere ich an alle europäischen Finanzaufsichtsbehörden, das Thema Nachhaltigkeitsrisiken mit Nachdruck zu verfolgen. 

Die Finanzaufsichtsbehörden sollten ihren Spielraum nutzen und Kapitalaufschläge bei Nachhaltigkeitsrisiken verhängen. Solange die EU-Kommission nicht in die Pötte kommt, muss diese Option konsequent genutzt werden.

Trotz des Output Floors bleiben die europäischen Bankenregeln auf Großbanken zugeschnitten. Für kleine und mittlere Banken bleiben die Anforderungen und der bürokratische Aufwand unverhältnismäßig. Statt die Small Banking Box der letzten Überarbeitung konsequent weiterzuentwickeln, ignoriert die EU-Kommission das Thema Proportionalität diesmal völlig. Wir Grüne werden im Europaparlament erneut vorschlagen, die Aufsichts- und Offenlegungsanforderungen für gut kapitalisierte kleine und mittlere Banken drastisch zu reduzieren.”

Hintergrund: Output Floor

Der Output Floor ist ein Kernstück von Basel III. In der Finanzkrise war zutage getreten, dass viele Banken in ihren mathematischen Modellen Risiken drastisch unterschätzt hatten. Der Output Floor soll dafür sorgen, dass Banken, die interne Modelle zur Bestimmung ihrer Eigenkapitalanforderungen nutzen, ihre Risiken nicht mehr beliebig klein rechnen können. Künftig soll die maximale Ersparnis durch interne Modelle gegenüber den einfacheren Standardansätzen auf 27,5% beschränkt werden. Da die meisten kleinen und mittleren Banken ausschließlich die Standardansätze nutzen, ist die Einführung des Output Floors für sie irrelevant. Für die Großbanken hingegen, die bisher von der unbeschränkten Privilegierung der internen Modelle profitierten, können die Eigenkapitalanforderungen spürbar steigen. 

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Vorschlag der EU-Kommission für eine Überarbeitung von CRR, CRD und BRRD vom 27.10.2021:

https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_21_5401 

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Rubrik: Wirtschaft & Währung

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